Protest gegen das neue Amazon-Verteilzentrum in Schwerin
Die Stadt Schwerin hat Anfang des Jahres Baugrund im Industriepark Göhrener Tannen an den Konzern Amazon verkauft, welcher dort bis 2022 ein Verteilzentrum aufbauen möchte. Auf Grund dessen hat das Allgemeine Syndikat eine erste Stellungsnahme verfasst:
Beinahe jede:r von uns kennt das Unternehmen Amazon, viele von uns haben es in der Vergangenheit genutzt oder nutzen seine Dienste gegenwärtig. Amazon als Onlinedienst lockt mit niedrigen Preisen, schneller Lieferung und einer steigenden Anzahl eigener Dienste und Geräte. Diese für Amazon vorteilhafte Stellung im globalen betrieblichen Wettkampf lässt sich jedoch leider leicht mit Amazons verwerflichen Geschäftspraktiken erklären. Während Amazons scheidender Geschäftsführer Jeff Bezos 2020 das dritte Jahr in Folge die Forbes-Liste der reichsten Menschen der Welt anführte1, ist ein großer Teil der Amazon-Beschäftigten in den USA abhängig von staatlichen Lebensmittelmarken2. Auch in Deutschland sieht die Situation düster aus. Überwachung am Arbeitsplatz und automatisierte Systeme zur Überwachung der Produktivität der Mitarbeiter:innen gehören dort zur Tagesordnung. Auch einen Tarifvertrag haben die Beschäftigten nicht3. Gewerkschaftliche Organisierung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen ist der Amazon-Chefetage weltweit ein Dorn im Auge. Um die Organisierung der eigenen Belegschaft zu verhindern, wird beispielsweise in Polen mit der berüchtigten Pinkerton-Detektei zusammengearbeitet, die schon in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts mit Gewalt gegen die Arbeiter:innenbewegung vorging4.
Diese Detektei ist ein Teil einer komplexen Überwachungsmaschinerie, die die politische Betätigung und gewerkschaftliche Zusammenarbeit der eigenen Arbeiter:innen zu verhindern versucht. Nicht nur äußere Überwachung gehört zu Amazons Praktiken, sondern auch Hetzkampagnen gegen Gewerkschaften sowie anonyme Meldeportale, bei denen Angestellte Kolleg:innen melden sollen, die an einer möglichen Organisierung beteiligt sind.
Auch Covid-19 verschlechterte die Arbeitsbedingungen weiter: durch die zunehmende Belastung im Onlinehandel durch die Corona-Maßnahmen war es kaum möglich, sich effektiv vor Ansteckung am Arbeitsplatz zu schützen. Genoss:innen der polnischen Basisgewerkschaft Inicjatywa Pracownica berichten von Vernachlässigung sämtlicher Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz. Auch in Deutschland kam es in Amazon-Verteilzentren immer wieder zu Ausbrüchen von Covid-19, zuletzt im niedersächsischen Garbsen. Widerstand gegen solche Geschäftspraktiken dagegen lässt sich bei den polnischen Genoss:innen erkennen, die aktuell Amazon- Beschäftigte in Breslau organisieren und sich durch Kampagnen und Blockaden zu einem hartnäckigen Verhandlungspartner für Amazon entwickelt haben. Die polnische Gewerkschaft Inicjatywa Pracownicza organisiert seit 2014 Amazon-Arbeiter:innen. Seit dem kritisiert sie das Geschäftsmodell von Amazon, welches sich durch eine höhere Arbeitsbelastung der Belegschaft in der Hochsaison und durch befristete Arbeitsverhältnisse für kurzzeitig angestellte Arbeiter:innen definiert. Die Hochsaisonist die Zeit, in der das Unternehmen die größten Gewinne erwirtschaftet.
Unterm Strich lässt sich nur sagen: Wir begrüßen ausdrücklich den Wiederstand gegen Amazon! Trotzdem ist es uns wichtig zu sagen, dass wir uns als direkt und indirekt Lohnabhängige nicht nur an Amazon als Paradebeispiel für arbeiter:innenfeindliche Geschäftspraktiken im Versandhandel stören: Jeder fremdbestimmte Arbeitsplatz ist uns ein Dorn im Auge. Das Ziel muss weiterhin sein, überall die Betriebsabläufe und Arbeitsbedingungen von den dort Arbeitenden selbst bestimmen und kontrollieren zu lassen. Sämtliche unternehmerische Entscheidungen sind nach basisdemokratischen Prinzipien zu fällen. Führungskräfte müssen gewählt werden und wieder abberufen werden können. Löhne, Preisgestaltung und Verteilung der Gewinne müssen das Ergebnis transparenter und demokratischer Entscheidungsfindungsprozesse sein.
Wir brauchen nicht noch mehr Konzerne, die ihre Angestellten überwachen und kämpferische Kolleg:innen feuern - nicht in Mecklenburg oder sonst irgendwo auf der Welt. Wir brauchen Arbeiter:innen, Angestellte und Zivilgesellschaft, die sich wehren und sich solidarisch zeigen mit „Amazon auf den Mond“, der polnischen Inicjatywa Pracownicza und allen anderen Angestellten.
Das Allgemeine Syndikat Rostock unterstützt alle Aktivitäten, die geeignet sind, eine Ansiedlung von Amazon in Schwerin zu verhindern. Sollte es trotzdem zu einer Ausweitung der Konzernmacht Amazons im Norden kommen, stehen wir an der Seite selbstbewußter Kolleg:innen und Genoss:innen, die sich nicht alles gefallen lassen wollen und für ihre Rechte kämpfen.