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Knast und Repression eine Bestandsaufnahme
Im strafrechtlichen Diskurs der meisten Länder tritt die
Resozialisierung als Ziel des Strafvollzugs immer mehr in den
Hintergrund. In fast allen öffentlichen Medien und politischen
Diskussionen und Debatten kann mensch von einem Wechsel
zur Sicherheit vor angeblichen Straftätern lesen und hören.
Am deutlichsten hat dies Tony Blair, Ministerpräsident von
Großbritannien, ausgedrückt, der ein Ende der Kuschelzeit
mit dem Täter verkündete und alle Resozialisierungs-programme
als 68er Fehler bezeichnete.
Diese Sicherheit, so wird suggeriert, soll nur durch Überwachung
und vorbeugende Strafmaßnahmen zu erhalten sein.
Anschläge wie in New York, Madrid und London und von den
Medien spektakulär vermarktete Sexualdelikte, bzw. Morde
oder Ausschreitungen nach einem Fußballspiel, machen es
dann leicht, Einschränkungen der persönlichen Freiheit und
härtere Gesetze durchzusetzen.
Knast in Deutschland
Nach einer Untersuchung des kriminologischen Forschungsinstituts
Niedersachsen glauben die Menschen in Deutschland,
dass die Zahl der Morde zwischen 1993 und 2003 um 27% zugenommen
hat und die Zahl der Sexualmorde um 260 % gestiegen
sei.
Mit der Realität haben solche Zahlen wenig zu tun. Laut
Kriminalstatistik geht die Zahl der Morde seit Jahren zurück, bei
den registrierten Sexualmorden und Sexualmordversuchen
sank die Zahl zwischen 1981 und 2004 von 81 auf 26 Fälle.
Trotzdem werden seit Ende der 90er Jahre die Gesetze kontinuierlich
verschärft.
Inzwischen gibt es die nachträgliche Sicherungsverwahrung, ein
härteres Sexualstrafrecht, ein neues Maßregelvollzugsgesetz.
Konnte mensch früher noch probeweise aus dem Maßregelvollzug
entlassen werden, ist dies heute nur noch möglich
wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte...keine rechtswidrigen
Taten mehr begehen kann
Da diese Vorlage unmöglich zu erfüllen ist, sind zurzeit mehr
als doppelt so viele Menschen wie Anfang der neunziger Jahre
im Maßregelvollzug. Nach Ansicht eines Professors der forensischen
Psychiatrie der Uni Göttingen kommt die neue Praxis einer
versteckten, unbefristeten Sicherungsverwahrung gleich.
Der Bundesrat hat im September dieses Jahres eine Änderung
des Strafvollzugsgesetzes vorgeschlagen. Danach soll den
Ländern die Möglichkeit gegeben werden, Strafgefangene in
angemessenem Umfang an den Kosten für ihre
Gesundheitsfürsorge zu beteiligen. Die Bundesregierung hat
dies als nicht notwendig abgelehnt, Gefangene müssen z.T.
schon lange für Zahnersatz und vieles andere bezahlen.
Gegen die vom Bundesrat geforderte Kostenbeteiligung von
Patienten im so genannten Maßregelvollzug hat die
Bundesregierung hingegen keine Bedenken.
In Berlin wird der Maßregelvollzug in Berlin-Buch und in Berlin-
Reinickendorf (auf dem Gelände der Karl - Bonhöfer -
Nervenklinik) durchgeführt.
In Brandenburg laufen zurzeit Verhandlungen zur Privatisierung
der psychiatrischen Landeskliniken und des Maßregelvollzugs.
Vom Verkauf der psychiatrischen Landeskliniken und des
Maßregelvollzugs erhofft sich das Land dem Vernehmen nach
eine zweistellige Millioneneinnahme.Brandenburg finanziert
nach Angaben der Märkischen Allgemeinen gegenwärtig 245
Plätze in den drei Maßregelvollzugsanstalten Eberswalde
(Barnim), Brandenburg/Havel und Teupitz (Dahme- Spreewald).
Von den Richtern werden seit einigen Jahren immer höhere
Urteile verhängt. In den vergangenen drei Jahren stieg die Zahl
der Häftlinge von 64.533 auf 81.166.
Die Knäste sind, laut Justizministerium, zum Teil bis zu 36%
überbelegt.
Als Antwort darauf werden aber nicht, wie Anfang der 1980er,
Strafen erlassen, zurückgestellt oder unterbrochen, sondern es
sollen mehr Knäste gebaut werden.
Die meisten der neuen Gefängnisse sollen in Private -Public-
Partnership gebaut werden. Dazu wurde dieses Jahr ein
Gesetz erlassen, das solche Partnerschaften regelt und
erleichtert. Diese Gesetzesänderung war nötig, weil es in
Deutschland rein rechtlich nicht möglich war, die Gefängnisse
so einfach zu privatisieren.
Als Modelprojekt gilt dabei der Knast in Hünfeld.
Nach einer Planungs- und Bauzeit von vier Jahren wurde das
Gefängnis im November eingeweiht, im Januar sollen die
ersten Gefangenen eingeliefert werden. Die Einsparungen
durch die Teilprivatisierung belaufen sich angeblich auf jährlich
15 Prozent bzw. 660.000 Euro.
Mit der höheren Zahl an Gefangenen wird auch das Geschäft
mit der Knastarbeit immer lukrativer.Mittlerweile sind fast alle
Knäste entweder im Internet vertreten und verkaufen ihre
Produkte dort, oder haben eigene Läden und Werkstätten die
Verkaufstage haben.Die Firma Herr Ledesi, die mit der
Vermarktung von Prison Wear bekannt wurde, verkauft die
Produkte jetzt europaweit und arbeitet auch mit den britischen
Behörden zusammen.Die Firma ist ziemlich berühmt geworden
durch die Vermarktung von Zwangsarbeitsprodukten und hat
für die Website und die Plakate etliche Designerpreise gewonnen.
Die Adresse ist immer noch Mehringdamm 60.
Europa
Im Mai wurde in Prüm der Schengen III Vertrag unterzeichnet.
Darin wird innerhalb der EU der Zugang zu Dateien mit
Fingerabdrücken, DNA, usw. erleichtert, die Strafverfolgung
auch über die Grenzen hinaus wird erlaubt.
Ein weiteresThema war die öffentlichen Ordnung bei
Großveranstaltungen und Protesten.
Beschlossen wurde, während der WM 2006 oder bei EU- und
G8-Gipfeln enger zusammenzuarbeiten. Im Rahmen dieser
engen Zusammenarbeit wurde festgelegt, Menschen die entweder
in der sog. Hooligan-Datei oder als politisch aktive
Menschen bekannt sind, Ausreiseverbote und Meldeauflagen
zu erteilen.
Hooligans sind für die deutschen Behörden (aber auch in vielen
anderen Ländern) mittlerweile zu einer wichtigen Tätergruppe
geworden. Wichtig im Sinne ihrer Repressionstaktik, da die
Hooligans, wie Junkies, Punks oder Obdachlose nicht wirklich
über eine Lobby verfügen, und viele Übergriffe und Angriffe auf
diese deshalb nicht unbedingt registriert werden. Nur in besonders
extremen Fällen, wie z.B. bei dem Prügeleinsatz des SEK
in der Disco Jeton in Berlin, wird Repression in den Medien
thematisiert.
Deshalb reagiert auch niemand auf die Ausreiseverbote, die
gegen diese verhängt werden.
Das ein Gesetz nicht auf einzelne Gruppen angewandt wird,
konnten politische Aktivistinnen dann bei den Protesten zu den
G8 - Gipfeln selbst zu spüren bekommen.
2001 z.B. konnte mensch bei den Reiseverboten zu dem Gipfel
in Genua erfahren, das es, laut dem Berliner Innensenator
Körting kein Grundrecht auf Ausreise gibt.
Die Ausweise der Betroffenen wurden für 10 Länder gesperrt.
Als Rechtsgrundlage diente das Passgesetz, das 2000 entsprechend
verschärft wurde. Danach können Reisebeschränkungen
in die Pässe von bekannten »Gewalttätern« eingetragen werden,
sofern eine »erhebliche Gefährdung von Belangen der
Bundesrepublik« vorliegt. Wer auferlegte Beschränkungen
missachtet, muss mit Freiheitsstrafen bis zu einem Jahr rechnen.
Sportliche Großereignisse wie die Fußball-WM 2006 werden
zunehmend zu einem Testfeld neuester Sicherheitstechnik.
Dies war bei den olympischen Sommerspielen 2004 in Athen
der Fall und dies ist faktisch auch mit dem Sicherheitskonzept
WM 2006 geplant.
Dazu gehören u.a. die Verwendung von RFID -Chips statt
Strichcodes auf WM -Tickets, die Preisgabe persönlicher Daten
wie Name, Alter, Anschrift, Pass- oder
Personalausweisnummer für das Kaufen eines Tickets, sowie
Videoscreening an öffentlichen Plätzen, teilweise mit computergesteuerter
Gesichtserkennung.
Ob diese Kameras nach der WM wieder abgebaut werden,
wurde bei mehreren Anfragen durch Fanclubs bei Parteien und
dem Bundestag nicht beantwortet.
Ausschreitungen während der WM sollen mit allen Mittel verhindert
werden, unter dem Motto null Toleranz wurden verschiedene
Maßnahmen beschlossen (direkte Ansprachen durch
die Polizei, Stadionverbote, Reiseverbote, Meldeauflagen,
usw.).Ausländische Hooligans sollen bereits an der Ausreise
gehindert werden. Allerdings hat nur GB ein entsprechendes
Gesetz, dass dort 2000 eingeführt wurde. Deshalb wurden,
noch von Schily , Schritte unternommen um in der EU die
Reisefreiheit aufzuheben und wieder Grenzkontrollen durchzuführen.
Administrative Inhaftierung
Zugenommen hat nach dem 11. September 2001 die Zahl der
Länder die Menschen ohne Urteil und ohne Beweise inhaftieren.
Administrative Inhaftierung oder vorbeugende, unbegrenzte
Haft gab es schon vor den Anschlägen und dem weltweiten
Krieg gegen Terror, z.B. wurden IRA Verdächtigte in
Großbritannien nach Anschlägen oder Riots ohne Begründung
inhaftiert, aber nach dem 11.9. 2001 war es leichter, solche
Gesetze durchzusetzen.
In den meisten Ländern wurde und wird über vorbeugende Haft
diskutiert, in Deutschland seit den 1970er Jahren. Dabei wurden
die jeweils betroffenen Gruppierungen zwar immer wieder
geändert, gefordert werden aber nach wie vor Maßnahmen um
Menschen über längere Zeit und ohne Begründung und Urteil
einzusperren, z B. in den Fällen wo es zwar einen berechtigten
Anfangsverdacht gibt, die Beweise aber nicht für eine
Verurteilung genügen.
Haftgrund ist hier lediglich die Möglichkeit eine Straftat zu begehen.
Im Gegensatz zur Sicherungsverwahrung, in der das
Einsperren zwar mit zukünftigen Straftaten, aber auf Grundlage
begangener Taten begründet wird, fehlt bei der administrativen
Haft jegliche Tat. Menschen die administrativ gesichert werden,
befinden sich lediglich im falschen Umfeld, sind befreundet
mit den falschen Menschen, gehen in die falschen
Moscheen, haben angeblich zu radikales Gedankengut etc,
und stehen dadurch in Verdacht eventuell einen Anschlag vorzubereiten.
In Australien geht mensch mit der vorbeugenden Haft besonders
weit. Nach dem Ende Oktober vorgeschlagenen neuen
Anti - Terrorgesetz ist diese Form der Inhaftierung geheim, also
ohne das die Angehörigen oder Anwälte darüber informiert werden.
In vielen australischen Zeitungen konnte mensch vergleiche
mit den Praktiken der Junta in Argentinien oder Chile
lesen. Viele linke Gruppierungen und Bürgerrechtsgruppen
befürchten zu Recht, das eine geheime, unbegrenzte Haft zur
Folter benutzt werden wird.
In Deutschland hat zuletzt Beckstein von der CSU über eine
sog. Sicherungshaft für islamische Terroristen diskutiert.
Dass der Krieg gegen Terror nur die offizielle Begründung für
den allgemeinen Ausbau des Repressionsapparates ist, sieht
mensch z.B. in Großbritannien.
Dort war eine der ersten Gruppen, gegen die die neuen
Antiterrorgesetze eingesetzt wurden,
Animal Liberation .
Ihnen wurden Demonstrationen vor den Tierversuchslaboren
und vor den Häusern und Wohnungen der in diesen Laboren
arbeitenden Leute verboten. Als unerlaubte Ansammlung genügen
dabei schon drei Menschen.
In den USA werden die Antiterrorgesetze zurzeit auch dazu
benutzt, innerhalb der Knäste die Gefangenenorganisationen
und -gewerkschaften zu zerstören.
So wird gegen eine Verbindung verschiedener Knastgangs in
Kalifornien wegen angeblichen geplanten Anschlägen ermittelt,
wobei als Beweismaterial unter anderem herhalten muss, dass
zwei der Männer Moslems sind.
Auch gegen die MPLU, eine Gewerkschaft von Insassen der
Knäste in Missouri, ermittelt das FBI mit den neuen Gesetzen.
Und in Deutschland sind es neben moslemischen Menschen in
erster Linie linke Gruppierungen, bei denen die neuen erweiterten
Befugnisse fürs Abhören, Überwachen usw. angewandt
werden, in Potsdam, Frankfurt/ Oder, ... und vielen anderen
Städten.
Aber...
Schlussendlich kann man feststellen, dass die Gefahr in den
Knast zukommen stetig steigt.
Die Wahrscheinlichkeit zu einer Freiheitsstrafe verurteilt zu werden
oder auch präventiv eingesperrt zu werden, ist in Europa
während der letzten 10 Jahren rasant gestiegen.
Kriminalität wird nicht mehr in einem gesellschaftlichen Kontext
betrachtet, sondern als individuelles Versagen und fehlendes
Unrechtsbewusstsein gesehen.
Es entwickelt sich mehr und mehr ein Disziplinierungswahn,
der bis in die Bereiche des Privatlebens eingreift, die Antwort
auf so genanntes nichtkonformes Verhalten besteht dabei in
Sanktionen und Repression.
Als Beispiel sei hier das Gesetz gegen antisoziales Verhalten
in Großbritannien genannt.
In diesem Jahr wurde eine Frau zu 20 Tagen Knast verurteilt,
weil sie trotz mehrfacher Aufforderung ihren Rasen nicht
mähte.
Eine andere Frau musste drei Wochenenden im Knast verbringen,
weil ihr Kind nicht regelmäßig die Schule besuchte.
Auch das Pinkeln von Brücken steht unter Strafe, Trunkenheit
in der Öffentlichkeit und das Herumlungern an öffentlichen
Plätzen wie z.B. Gehwege.
Tragisch dabei ist vor allem, dass der Staat auf die Mitarbeit
seiner Bürgerinnen bauen kann.
Es scheint keinen nennenswerten Widerstand gegen diese,
unter dem Motto Sicherheit, laufende Normierungskampagne
zu geben.
Auch die radikale Linke ist still.
Trotzdem oder gerade deswegen, ist es wichtig die Leute, die
von Repression betroffen sind zu unterstützen und es wird
wichtiger denn je den Knast und andere Zwangsanstalten zu
kritisieren und zu bekämpfen.
Deswegen kommt alle zur Knastdemo am 31.12.05 um den
Gefangenen im Knast Moabit unsere Solidarität zu zeigen.
Weg mit allen Zwangsanstalten! Für eine Gesellschaft ohne
Knäste!
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