Steuern und Reichtum – Zur Diskussion um „umFAIRteilen“

Was wollen DGB und UnterstüzerInnen, was hält die FAU Bielefeld davon?

Der DGB, VerDi, Attac und etliche weitere Organisationen aus dem sozialdemokratischen Umfeld (GRÜNE; Linke etc.) rufen dazu auf, Reichtum zu besteuern und soziale Lasten durch die Einführung einer Vermögenssteuer und -abgabe umzuverteilen.
Wir sind nicht mit der Kampagne einverstanden, weil wir sie inhaltlich falsch, methodisch schlecht und letztendlich in der lauwarmen Tradition des "heißen" Kampagnenherbst des DGB sehen, da die
Funktionäre ja ihre Posten legitimieren müssen, nur den Arsch platt sitzen, das geht ja auch nicht!

„Es gibt einen Ausweg aus der Wirtschafts- und Finanzkrise: Umverteilung! Wir wollen nicht, dass die öffentlichen und sozialen Leistungen verschlechtert und die große Mehrheit der Bevölkerung höher belastet wird. Stattdessen müssen übergroßer Reichtum und Finanzspekulationen endlich gesteuert werden. Es geht nicht nur um Geld, sondern auch um gelebte Solidarität in unserer Gesellschaft.“ (aus:http://umfairteilen.de/start/info/)
„...der öffentlichen Hand fehlt das Geld für wichtige Investitionen und Leistungen. Dem stehen gigantische private Vermögen entgegen. Sie müssen verstärkt an der Finanzierung unseres Gemeinwesens beteiligt werden: mit einer einmaligen Vermögensabgabe und einer dauerhaften Vermögenssteuer.“ (aus: s.o.)
Es gehe schlichtweg um die Frage der Vermögenssteuer, Staatsverschuldung und Etatlücken in bundesdeutschen öffentlichen Haushalten. „Die Grundidee ist so einfach wie einleuchtend.“ (aus: s.o.) Mehr Geld muss in die Kassen! Da wird dann vorgerechnet, wie viele Mehreinnahmen der Staat, evtl. sogar Länder und Kommunen bekommen können: „Es geht darum, Vermögende entsprechend ihrer guten wirtschaftlichen Lage stärker an der Finanzierung der Staatsaufgaben zu beteiligen. Wer sehr reich ist, soll also eine zusätzliche Steuer zahlen.“ (aus: s.o.)
Seine Berechtigung hat die Kampagne „umFAIRteilen – Reichtum besteuern“ aus den Tatsachen, das die „die öffentlichen Kassen leer sind, (es) geht die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf. Das Einkommen der ärmsten zehn Prozent ist von 1999 bis 2009 um 9,6 Prozent gesunken, während das reichste Zehntel der Bevölkerung noch weitere 16,6 Prozent hinzu gewann (SOEP 2010). „ (s.o.)
Ziel ist es, mit der Kampagne „Gerechtigkeit, Demokratie und vernünftiges Wirtschaften“ durchzusetzen. Unter Gerechtigkeit verstehen die Aufrufer_innen, das es ungerecht ist, wenn kleinere Einkommen immer stärker mit Abgaben belastet werden, während die großen und ganz großen aber immer mehr Geld auf dem Bankkonto haben. Es schade der Demokratie, wenn kein Geld für Kitas, schulen usw. da sei, anders herum aber die öffentlichen Hände immer mehr von den Entscheidungen kleiner finanzstarker Eliten und ihrer Fondsmanager abhängen.
Auf Grund der Verschuldung öffentlicher Haushalte werden Milliarden €uro jährlich für Zinszahlungen ausgegeben. Daher fehle Geld für sinnvolle Investitionen im Bildungs-, Pflege- und Energiebereich. Damit müsse Schluss sein! „Statt Vermögende mit Zinsen dafür zu belohnen, dass sie dem Staat Geld leihen, sollte für sie wieder eine Steuerpflicht gelten, die ihrer wirtschaftlichen Leistungsstärke entspricht.“ Dies entspreche einem vernünftigen Wirtschaften.
Ihren Forderungen Nachdruck verleihen wollen die Initiatoren_innen dadurch, dass sie einen Internetauftritt erstellt haben, einen Aufruf geschrieben, nebst öffentlichen Werbeveranstaltungen und für einen „Aktionstag am 29.9 in mehreren bundesdeutschen Städten“ mobilisieren. Den Aufrufen ist zu entnehmen, das es sich bei dem „Aktionstag“ um Kundgebungen und Demonstrationen handelt.

Soweit, so ...
Grundsätzlich ist es so, das ein Staat Steuern als ZWANGABGAGE erhebt. Dies kommt aus einer Zeit, in der sich vor einigen hundert Jahren Staaten zu etablieren begannen (Absolutismus), um eine eigene Verwaltung, Armee und Wirtschafts- und Finanzpolitik aufzubauen.
„Als Steuer wird eine Geldleistung ohne Anspruch auf individuelle Gegenleistung bezeichnet, die ein öffentlich-rechtliches Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen Personen auferlegt, die einen steuerlichen Tatbestand verwirklichen, wobei die Erzielung von Einnahmen wenigstens Nebenzweck sein sollte (Legaldefinition nach §3 der deutschen Abgabenordnung). Damit sind Steuern eine öffentlich-rechtliche Abgabe, denen keine bestimmte staatliche Leistung (keine Pflicht zur Gegenleistung und keine Zweckbindung des Gemeinwesens) gegenübersteht und die zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs ohne Ansehen der Person alle zahlen müssen, die den Tatbestand der Steuerpflicht erfüllen.“ (aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Steuer)

Mit der Durchsetzung der kapitalistischen Produktion und Warenwirtschaft sowie bürgerlichen Demokratien wiesen politische Eliten, zu denen sich bald die Sozialdemokratie gesellte, dem Staat bestimmte Aufgaben zu. Staatlicherseits wurde eine umfangreiche gesellschaftliche Infrastruktur aus Steuermitteln aufgebaut, heute dienen Steuern nicht nur zur Finanzierung von Kriegen und des Staates bzw. seinen Beamt_inn_en, sondern auch der Infrastruktur des Kapitalismus, dazu zählen u.a. Verkehrswege, damit die Wirtschaft rollt (Produzentinnen kommen zum Arbeitsplatz, Rohstoffe und fertige Waren an ihre Bestimmungsorte usw.), Schulen und Krankenhäusern. Das weiß und sieht natürlich auch die/der gewöhnliche Steuerzahler_in und ist deshalb auch zum Zahlen bereit. Der moderne Sozialstaat wurde auch durch progressive Steuern finanziert, die teilweise bei bis zu 90% lagen. Seit 1998 liegt der Spitzensteuersatz bei 42%, gesenkt von der Regierung Schröder/Fischer (von 53%!)
Es ist populär zu denken, dass wer mehr verdient, auch mehr Steuern zahlen soll und dies hätte auch etwas mit sozialer Gerechtigkeit zu tun. Zwar wurden gesellschaftliche Hierarchien und Ungleichheiten nicht beseitigt, aber immerhin ein Stück weit im subjektiven Empfinden erträglicher gestaltet.
Das Entscheidende ist aber:
1.) dieser die Einführung ein neuen Steuer kein Allheilmittel ist, sondern bloße Kompensation.
2) er setzt voraus, dass man die politische Macht hat, also den klassischen Weg der parlamentarischen "Demokratie" beschreitet.
3) und das ist der eigentliche Punkt: Steuererhöhungen oder Sondersteuern für Reiche lassen sich heute nicht mehr durchsetzen, weil unter den aktuellen Bedingungen die Möglichkeiten, die Einkommen und vermögen dem nationalen Fiskus zu entziehen, nahezu unendlich sind. Damit trifft man allenfalls hohe Lohneinkommen, aber die großen Kapitaleinkommen können in einer globalisierten Wirtschaft ganz leicht und legal hin und hergeschoben werden. Eine solche "Umverteilung" würde das Reichtumsgefälle nur noch erhöhen.
Das Problem: Forderungen nach Steuern für Reiche sind verlogene, populistische Demagogie. Sie hören sich radikal und volksnah an und man kann sie umso lauter fordern, je genauer man weiß, dass sie sowieso nicht durchsetzbar sind und selbst wenn sie es wären, nichts bewirken würden. Insofern sind sie Ablenkungsmanöver, aber insofern geschickte, als sie bei einem realen und berechtigten Ungerechtigkeitsempfinden ansetzen: Wenn die Steuerlast nur noch auf den Lohnempfängern liegt, während die großen Kapitalvermögen sich entziehen und nur noch parasitär die Vorteile der gesellschaftlichen Infrastruktur in Anspruch, ohne etwas dazu beitragen, so ist das natürlich ungerecht. Nur lässt sich dieser Sachverhalt durch Steuern gerade nicht beheben. Statt zu wirklichen gesellschaftlichen Kämpfen aufzurufen, an den Arbeitsplätzen, bspw. für radikale Arbeitszeitverkürzungen oder reale Lohnerhöhungen in Höhe der zunehmenden Produktivität, oder zum Aufbau selbstorganisierter, staatsferner Strukturen, werden Energien für Latschdemos, Unterschriftenlisten, pseudosymbolische Aktionen oder pseudoradikale Rhetorik vergeudet. Die Menschen sind unzufrieden, in der Gesellschaft gärt es, also sind die vermeintlichen Anwälte des kleines Mannes (DGB, SPD, Grüne, Linkspartei usw.) aufzugerufen, diese Unzufriedenheit in für Staat und Kapital ungefährliche Pseudoproteste umzulenken und verpuffen zu lassen.

Freie ArbeiterInnen Union Bielefeld

Diskksussion am
Montag, 24.09.2012, 19.30Uhr
in der Bürger_innen_wache (Siegfriedplatz),
Rolandstr. 16, Bielefeld, Raum 102