Zur Situation in Katalonien: Statement der CNT Barcelona zu den jüngsten repressiven Ereignissen

Übersetztes Statement unser Schwestergewerkschaft CNT zu den aktuellen Ereignissen in Katalonien.

Hier geben wir das Statement der CNT Barcelona vom 19.10.2019 zu den jüngsten Ereignissen in Katalonien wieder:

Der Urteilsspruch über den sogenannten. „Procés“ (der Unabhängigkeitsprozess in Katalonien) brachte unverhältnismäßige Freiheitsstrafen für 12 katalanische Politiker mit sich. Dieses Urteil bedeutet einen eindeutigen Rückschritt in der Rechtsprechung zu Freiheitsrechten, denn es kann in Zukunft gegen soziale Proteste jeder Art angewandt werden. In diesem Sinne können wir die soziale Antwort auf den Straßen in Katalonien verstehen.

Von Seiten der CNT Barcelona möchten wir unsere Position zu den aktuell stattfindenden Repressionen kundgeben. Mehrere Verletzte, darunter ein junger Mann der ein Auge verloren hat, ein anderer einen Hoden, etc. Bei solch einer Situation bleibt uns als CNT nur, uns gegen die Repression auszusprechen. Die CNT ist nie auf der Seite des Henkers

Als klassenbewusste Organisation sprechen wir uns weder für den spanischen Staat noch für das Projekt des katalanischen Staats aus. Denn jeder Staat hat, im Rahmen seines Gewaltmonopols und als Instrument der Oligarchie, das Ziel den Reichtum zu kontrollieren und auszuschöpfen, den die arbeitende Klasse für den Wohlstand einiger Wenige erarbeitet hat. In diesen Fall wurde die katalanische Oligarchie Opfer der Repression einer liberalen Demokratie, dessen unentbehrlicher Teil sie selbst jahrzehntelang war. Wir können die Folter in den katalanischen Gefängnissen, die systematische Korruption und die Repression gegen unsere eigene Organisation und gegen viele andere Kollektive und Personen nicht vergessen. Es ist ein eindeutiger Fall von Heuchlerei und Zynismus: Wir wurden Zeugen wie der Präsident Quim Torra die katalanische Bevölkerung zu Demonstration aufgerufen hat, um sie anschließend der polizeilichen Repression aussetzen zu lassen. Der Innenminister Miquel Buch verteidigte die Handlungen der katalanischen Polizei, den „Mossos“, und verurteilt die Gewalt der Demonstranten. Oriol Jundqueras besteht weiterhin darauf, dass der Konflikt mit den Wahlurnen gelöst werden kann, ohne Frage.

Wir wenden uns an die arbeitende Klasse Kataloniens, die auf die Straße geht, um zu beweisen, dass es nicht die Politiker, nicht jene mit den ranzigen und blutigen Flaggen, und erst recht nicht jene mit den neuen und vielversprechenden Emblemen sind, die uns zu einen freieren und gerechteren Gesellschaft führen werden. Diese Menschen werden es nicht sein und sie hatten es auch nie vor, denn letztendlich haben sie immer ihre eigenen Interessen vertreten. Weder bisher noch in Zukunft zögern sie, die Bevölkerung zu nutzen, um sich selbst zu schützen. Dabei setzen sie auf Illusionen und Gefühle und steuern mit Begriffen der Kultur und Sprache auf die Teilung, Polarisierung und Nationalismus der Bevölkerung. Dieser gewollte Nationalismus ist wie jeder andere, abstrakt und kann nichts darüber hinaus definieren, als das, was jede/r für sich selbst als die Zukunft sieht.

Des Weiteren drücken wir unsere Uneinigkeit mit dem Verhalten der Unabhängigkeit‑Gewerkschaften aus. Sie unterstützen das nationalistische Projekt mit politischen Streiks und nehmen damit einem Arbeitskampfmittel den Sinn und Inhalt. Der Streik ist ein Werkzeug der arbeitenden Klasse, um sich dem Kapital entgegenzustellen, nicht um patriotische Ziele durchzusetzen.

Wir grenzen uns von den politischen Parteien ab, von diesen „gewerkschaftlichen“ Organisationen sowie vom Nationalismus. Unser einziger Kampf ist jener für die Interessen der arbeitenden Klasse: Der Klassenkampf. Das ist der einzige Weg. In diesem Sinne sind unsere Ziele eindeutig:

Wir stellen uns gegen die letzte Arbeitsreform (2012), nach welcher Kündigungen einfacher ausgesprochen werden können, die Zeitarbeitsfirmen in den Rang einer Arbeitsvermittlung gestellt wurden und so die Umgehung von Tarifverträgen ermöglicht wurde. Zusammengefasst wurden die Arbeitsbedingungen stärker präkarisiert.

Gegen das sogenannte Maulkorb-Gesetz (2015), welches auf die sozialen Proteste hin erging und zum Ziel hat diese mittels Sanktionen zum Schweigen zu bringen – Strafgeldern bis zu 600.000 € –, der Verfolgung von Versammlungen und Demonstrationen, etc.

Diese Gesetze und viele andere folgen einer repressiven und neoliberalen Strategie gegen die arbeitende Klasse, an der auch die katalanische Regierung beteiligt war. Wir stellen uns auch gegen typisch katalanische Gesetzte wie das Gesetz Aragonès, durchgesetzt vom jetzigen Vizepräsidenten, Pere Aragonès, der damit droht weitergehende Privatisierungen im Öffentlichen Dienst, im Bildungsbereich sowie im sozialen und Gesundheitsbereich umzusetzen.

Dies sind die Grundlagen, um einen echten sozialen Wandel erreichen zu können, der darüber hinaus geht, was uns seit zwei Jahren von Seiten der Parteien versprochen wird. Als CNT setzen wir darauf, dass sich die arbeitende Klasse in den Betrieben und in den Vierteln organisiert, mittels basisdemokratischer Organisationen. Es bedarf zudem einer kohärenten Strategie, von der Bildung von Betriebsgruppen für die Verbesserung von Arbeitsbedingungen bis zu Nachbarschafts‑Vereinigungen, um der Spekulation in den Städten entgegenzuwirken.

Dieses Jahr jähren sich 100 Jahre des bekannten Streiks der „Cannadiense“, nachdem der 8‑Stunden-Tag erkämpft wurde. Heute wird dieser Streik von Seiten der Unabhängigkeitsbewegung genutzt, um zu zeigen wie kämpferisch die katalanische Bevölkerung schon immer war. Dabei war es nicht das katalanische Volk, sondern die arbeitenden Klasse, die diese große Heldentat vollbracht haben. Diese bestand auch aus Einwanderer, aus anderen Teilen der Iberischen Halsinsel, waren jedoch größtenteils staatenlos und internationalistisch. Es kränkt uns zutiefst wie der Kampf der Genossinnen und Genossen ausgenutzt wird. Ohne Zweifel hätten sie sich dagegen erhoben, dass ihrem Kampf ein „identitärer“ Charakter aufgezwungen wird.

Sie hatten damals keine Zweifel; sie waren arbeitende Klasse, organisiert in der CNT.

Hilfreiche Links (auf Spanisch und Englisch):

Das Statement der CNT Barcelona:

https://www.cnt.es/noticias/cnt-barcelona-ante-los-ultimos-acontecimientos-represivos/

Das Statement der CNT Katalonien und Balearische Inseln vom 14.10.2019:

https://www.icl-cit.org/statement-from-cnt-catalonia-regarding-the-current-situation-in-catalonia/