Lieferdienst Flink feuert Fahrer nach Arbeitsunfall – der klagt jetzt mit seiner Gewerkschaft

Pressemitteilung der FAU Dresden

„Die Gewerkschaft FAU in Dresden zwingt den Lieferdienst Flink mit einer Kündigungsschutzklage vor Gericht.“ Ein Mitglied der kämpferischen Gewerkschaft wurde kürzlich ohne Begründung fristlos gekündigt. Weitere Dresdner Fahrer*innen berichten von massiven Arbeitsrechts-Verletzungen bei dem Lieferdienst – und wehren sich. Die Verhandlung am Arbeitsgericht Dresden findet am Freitag, 25.11. um 13:40 Uhr statt. Schon am 18.11. um 15 Uhr kann sich die Öffentlichkeit bei einer Protest-Kundgebung an der Flink-Filiale Prager Straße informieren.

Johannes Kristensen von der Freien Arbeiter*innen Union (FAU) erklärt, was die Gewerkschaft vor Gericht für den entlassenen Fahrer erstreiten will: “Die fristlose Kündigung unseres gut eingearbeiteten und längst entfristeten Kollegen war menschlich respektlos und unrechtmäßig. Anstatt Gründe zu nennen hat das Unternehmen den Kontakt nach dessen Arbeitsunfall einfach abgebrochen. Eine angemessene Abfindung und die Aushändigung aller Lohnabrechnungen, die dem Kollegen nie zugänglich gemacht wurden, sind nun das Mindeste. Darüber hinaus erwarten wir die Begleichung offener Urlaubsansprüche, ggf. offener Lohnzahlungen, sowie ein ordentliches Arbeitszeugnis.”

Hintergründe
Das erst 2020 gegründete Unternehmen Flink ist aktuell der größte Drittanbieter-Lieferservice in Europa. Das Prinzip: Fahrradkurier*innen liefern, laut Werbung binnen 10 Minuten, Artikel des täglichen Gebrauchs direkt an Verbraucher*innen. In Dresden gibt es mehrere Filialen bzw. Lager von Flink, genannt “Hubs”. Mitarbeiter*innen berichten von massiven Missständen: Ihnen werden Teile ihres Lohns oder ihres Urlaubs vorenthalten. Sie haben teils keinen Zugang zu den digitalen Arbeitszeiterfassungs-Diensten, was die Überprüfung der Lohnzahlungen zusätzlich erschwert. Sie berichten außerdem von unzureichendem Arbeitsschutz und Ignoranz gegenüber Verfügbarkeiten bei der Schichtvergabe. Als große Belastung und Gefährdung werden die Fahrten im rücksichtslosen Berufsverkehr, bei Extremwetter und oft mit viel zu schweren Rucksäcken beschrieben. Intransparente Zuständigkeiten führten zu mangelnder Ansprechbarkeit bei drängenden Fragen, aushangspflichtige Arbeitschutzgesetze wurden nicht ins Englische übersetzt.

Johannes Kristensen, der selbst bis vor kurzem bei Flink gearbeitet hat, kritisiert: “Vertraglich vereinbarte Stundenzahlen werden oft nicht eingehalten, so dass ein Lohnklau in riesigem Ausmaß stattfindet. Menschen, die auf regelmäßiges Einkommen angewiesen sind, bekamen plötzlich nur noch ein Bruchteil ihres Gehalts ausgezahlt oder wurden komplett formlos rausgeschmissen.” Wie häufig in der Gig-Economy wird das Betriebsrisiko auf die Mitarbeiter*innen ausgelagert.
K
ristensens Eindruck: “Flink geht häufig erstmal komplett rücksichtslos oder illegal vor und tut dann so, als ob das normal wäre. Leider kommen sie auch oft damit durch, denn viele Kolleg*innen haben Angst, etwas zu sagen”. Dabei zieht das Unternehmen Flink auch Nutzen aus dem Rassismus unserer Gesellschaft: Das Unternehmen beschäftigt viele Migrant*innen und nutzt deren Abhängigkeiten und spezifische Verletzlichkeiten aus. Oft kennen sie das deutsche Arbeitsrecht nicht, Sprachbarrieren führen zu Unsicherheiten, oder ihr Aufenthaltstitel hängt an dem Job.

Das Vorgehen gegen diese spezifische Kündigung möchte der Gewerkschafter in einem breiteren Kontext verstanden wissen: “Wir klagen hier nur für eine Person, aber wir wollen auch alle Rider*innen unterstützen, die solchen miesen Arbeitsbedingungen ausgesetzt sind. Flink ist dabei nur ein Beispiel für viele ähnliche Unternehmen, deren Geschäftsmodell nur läuft, solange die Arbeiter*innen sich nicht wehren.”
Das allerdings ändert sich zunehmend. Im letzten Jahr brachten Fahrer*innen mit wilden Streiks das Liefer-Unternehmen “Gorillas” ins Schwitzen und in die Schlagzeilen. Unternehmen wie auch Lieferando versuchen verzweifelt, die Gründung von Betriebsräten zu unterbinden und gewerkschaftliche Organisierung zu zerschlagen. Nun regt sich auch in Dresden Widerstand von Beschäftigen in der Lieferbranche.


Protest
Liefer-Fahrer*innen und andere Gewerkschaftsmitglieder protestieren am kommenden Freitag, den 18.11. zwischen 15 und 17 Uhr an der Flink-Filiale Prager Straße.
Am
25.11., dem Tag der Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht Dresden, findet ab 13 Uhr eine Kundgebung an der Hans-Oster-Straße 4 statt.
Wer Solidarität mit dem gekündigten Kollegen z
eigen oder ins Gespräch kommen will, ist herzlich zu beiden Veranstaltungen eingeladen.


Mehr Informationen
finden Sie auf der Website der FAU Dresden:


Quelle: Pressemitteilung der FAU Dtresden, 14.11.2022