GastronautInnen aller Tresen vereinigt euch!
Lohnklau in malerischer Kulisse
Freiburg und die Region ist bekannt für den Schwarzwald und den damit zusammenhängenden Tourismus. In malerischen Berglandschaften gibt es aber viele schlechte Arbeitsbedingungen, gerade in der Tourismusbranche. So auch am Fuße des Feldbergs.
In einem Hotel wurde wohl auf die Unwissenheit über das Arbeitsrecht einer migrantischen Arbeitskraft spekuliert, ihre Sprachbarrieren und die Abgeschiedenheit des Arbeitsplatzes. Hier konnte die FAU Freiburg die ausstehenden Löhne eintreiben.
Das ist eine von vielen Auseinandersetzungen, die wir in den letzten Jahren in der Freiburger Gastronomie geführt haben. Mit diesem Text wollen wir in fünf Beispielen zeigen, was wir dabei gemacht haben und auf welche Grenzen wir gestoßen sind.
Kein Studium Keine Versicherung
Während des Studiums scheint so ein Minijob eine gute Sache. Du bekommst brutto wie netto das gleiche, da du anderweitig versichert bist. Doch was tun, wenn das Studium zu Ende ist und du dann keine Krankenversicherung mehr hast, die Vergünstigungen des Studentendaseins wegfallen und 9/Std. brutto in netto auf einmal erheblich weniger sind, wenn davon noch eine Versicherung bezahlt werden soll. Dann kommt die Tragweite von Löhnen unter 15/Std. und das Minijobdesaster erst zutage. Wohngeld und Minijob funktionieren wegen der extrem hohen Mieten in Freiburg so gut wie nie bzw. die Frage der Versicherung ist nicht gelöst. Das Aufstocken beim Jobcenter ist eine Möglichkeit, die aber viele scheuen. Die Abschreckung des Hartz IV Regimes funktioniert. Eine weitere Möglichkeit ist, zu versuchen, die Chefs dazu zu bringen, dich sozialversicherungspflichtig knapp über der Minijobgrenze anzustellen. Damit ist wenigstens die Versicherung bezahlt. Dies und das Durchsetzen der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall war hier ein Vorgehen, das auf äußerst prekärem Niveau eine kleine Verschnaufpause brachte.
Lohnklau und Bitte, die Arbeitsmittel selber mitzubringen
Bei einem Pizza und Co.-Lieferdienst ist es normal, dass die AusfahrerInnen dies mit ihrem eigenen Auto machen sollen. Dafür gab es eine minimale Pauschale, die nicht mal ganz das Benzin abgedeckt haben, geschweige denn die Anschaffung, Abnutzung und eventuell auftretende Unfallschäden. Darüber hinaus war der Chef ständig sehr kreativ, Stunden bei der Lohnabrechnung zu vergessen und die Löhne dann auszuzahlen, wenn es ihm gerade passte. Dort konnten wir erreichen, dass es mehr Geld fürs Auto gibt und die ausstehenden Löhne gezahlt wurden.
Hier wie bei allen in diesem Gewerbe sei empfohlen: Schreibt euch eure Arbeitszeiten selber auf, lasst sie vom Chef unterschreiben, dann lässt es sich auch sehr einfach eintreiben.
Pizzeria wenn rassistische Gesetze Kämpfe erschweren
In einer Pizzeria wurde zwar die gesetzliche Einführung des Mindestlohns dazu genutzt, die Preise zu erhöhen nicht jedoch die Löhne. Diese blieben weit unter dem Mindestlohn. So wie weiter unterirdische Löhne gezahlt wurden, war auch nie klar, wer warum wieviel bekommt. Schichten wurden nicht bezahlt, Geld kam zu spät oder unregelmäßig, auf dem Papier wurden zwar Mindestlöhne gezahlt, real aber nicht. Die Löhne unterschieden sich deutlich von KollegIn zu KollegIn, die Trinkgeldverteilung: undurchsichtig es gab sehr viele Spaltungslinien im Betrieb.
So nutzte der Chef die rassistischen Gesetze aus. So waren viele der KollegInnen nicht nur wegen der Miete und Co. auf das Geld angewiesen, sondern auch um ihren Aufenthaltsstatus, der daran gekoppelt ist, nicht zu verlieren. Sie müssen für den Aufenthaltstitel ohne Sozialleistungen ihren Unterhalt für sich und die Familie selbst bestreiten, und das bei Löhnen weit unter dem Mindestlohn sie arbeiten sehr sehr viele Stunden.
Wir haben Betriebsversammlungen gemacht und mit den ArbeiterInnen diskutiert. Nach einem mehrere Monate andauernden Prozess stand das Ergebnis: Das Risiko war den KollegInnen zu hoch, geltendes Recht durchzusetzen und Wirklichkeit werden zu lassen. Sie hatten Angst, dadurch ihren Aufenthaltstitel zu verlieren. Rassismus in Gesetzen erschwert Kämpfe und drückt, wie hier im Betrieb, die Löhne für Alle.
Besuch doch mal deinen Chef
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Anfang 2017 kam ein FAUler mit einer Person ins Gespräch. Dabei stellte sich heraus, dass der Person Lohn vorenthalten wurde. Der Chef schien die Unwissenheit der Person auszunutzen und vertröstete sie immer wieder und zahlte den Lohn nicht. Wir machen öfters die Erfahrung, dass Unwissenheit gerade bei Menschen mit Migrationshintergrund ausgenutzt wird. Im Gespräch kam weiter zutage, dass beim vorherigen Job ebenso ein Teil des Lohnes nicht gezahlt wurde.
Kurzum, beim direkten Besuch des Chefs der fastfood-Kette durch GenossInnen der FAU ging dieser, nach einem Telefonat mit seinem Anwalt, zum Bankautomaten und zahlte die fehlende Kohle sofort aus. So kann schnelle direkte Hilfe auch aussehen. Und so konnte, ohne ein Gericht zu bestellen, direkt bei der nicht gerade kleinen fastfood-Kette der Lohn eingetrieben werden.
Lohnspiegel-Kampagne
Die Niedriglohnschwelle liegt bundesweit bei 10 Euro/Stunde und selbst die wird bei immerhin 21 Prozent aller ArbeitnehmerInnen unterschritten. In Freiburg zahlt die Gastronomie nur knapp über dem Mindesthohn (siehe unten). Selbst bei Lidl nicht gerade für gute Arbeitsbedingungen bekannt gibt es einen firmeninternen Mindestlohn von 12 Euro/Stunde.
Bei den exorbitanten Mieten in Freiburg ist das Freiburger Lohnniveau mehr Hohn als Lohn. Um eine Rente über dem Existenzminimum zu bekommen, müssten mindestens 12,63 Euro/Stunde bei einer Vollzeitstelle verdient werden. Der mittlere Bruttostundenlohn in der gesamten Wirtschaft lag 2016 bei 16,60 Euro. Davon sind die Beschäftigten in der Gastronomie bei ihren Teilzeitstellen und Löhnen noch weit entfernt.
Nach unserer Erhebung in 2018 zahlen fast ein Viertel der Freiburger Gastronomie lediglich den Mindestlohn oder darunter. 40 Prozent zahlen um die 9/Std. Der Rest lediglich um die 10/Std.
Daher schlagen wir vor: Machs wie bei Lidl, 12 /Std. Minimum!
Unter https://freiburg.fau.org/lohnspiegel-gastro könnt ihr uns über die Zustände in der Freiburger Gastronomie berichten und informieren. Die Ergebnisse werden, wenn wir genügend Infos gesammelt haben, auch dort veröffentlicht. Dadurch können wir in Lohnverhandlungen zukünftig mehr Druck aufbauen.
Wir kriegen nur, wofür wir kämpfen
GastronautInnen aller Tresen vereinigt euch!