Gewerkschaftliche Kämpfe ausweiten
Tosenden Applaus gab es auf dem Abschlusspodium für die kämpfenden GenossInnen bei amazon und WEA. Unter dem Motto Gemeinsam Strategien entwickeln. Konflikte führen. Beteiligung organisieren hatten die Rosa Luxemburg Stiftung und ver.di zur Streikkonferenz in Hannover eingeladen. Drei Tage lang diskutierten und vernetzten sich über 650 Basis- und LinksgewerkschafterInnen aus dem gesamten Bundesgebiet und internationale Gäste in zahlreichen Workshops, Seminaren und Branchentreffen. Am Ende konnte eine Resolution gegen die Tarifeinheit verabschiedet werden.
Die Veranstaltung in Hannover war die zweite Auflage der Konferenz, die 2013 bereits in Stuttgart stattgefunden hatte. Nicht alle Teilnehmenden zeigten sich mit dem Titel zufrieden, ging es doch in den Seminaren häufig um alternative Arbeitskampfmethoden anstatt des klassischen Streiks. Den Auftakt am 2. Oktober bestritt ein international besetztes Podium zum Thema Streiken unter prekären Bedingungen. Auch am Samstag ließen sich die Anwesenden nicht von den parallel stattfindenden Einheitsfeierlichkeiten stören, sondern beteiligten sich zahlreich in den Seminaren. Angeboten wurden sowohl praxisorientierte Workshops zu Organizing und Öffentlichkeitsarbeit als auch branchenspezifische Vorträge. Erfreulicherweise kamen dabei häufig die Aktiven aus den Betrieben zu Wort.
Diskutiert wurde unter anderem über Solidaritätsaktionen für gewerkschaftliche Kämpfe, aktivierende Strategien gegen den Personalmangel in Krankenhäusern, aggressive Arbeitgeberstrategien oder gewerkschaftliche Gegenwehr gegen Leiharbeit und Werkverträge. Mut machten die Beispiele erfolgreich geführter Kämpfe an der Berliner Charité und die noch andauernden Auseinandersetzungen um einen Tarifvertrag beim Versandhändler amazon. In Zeiten zunehmender Prekarisierung, Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen und neoliberaler Vereinzelung wurde auch die Rolle der DGB-Gewerkschaften hinterfragt. Durchaus kritisch beurteilten viele Anwesende die Top-Down-Maßnahmen ihrer Organisationen. So war die Forderung nach mehr Beteiligung und Basisdemokratie in den Diskussionen häufig zu hören.
Auf dem abschließenden Podium sprach unter anderem Juliane Fuchs, ver.di-Sekretärin im Fachbereich Handel, zur Unterstützung der Kämpfe im Einzelhandel und der Rechtsanwalt Henner Wolter. In seinem Kurzvortrag gegen die Verrechtlichung des Streiks forderte er: Rechtsfortschritt wird nur durch Rechtsbruch erstritten! Außerdem konnte eine zuvor erarbeitete Resolution gegen die vom Gesetzgeber forcierte Tarifeinheit verabschiedet werden. Darin wird sich nicht nur für die Tarifpluralität ausgesprochen, auch hier heißt es weiterhin: Hände weg vom Streikrecht! Diese Forderungen sind im Kern für Basisgewerkschaften wie die FAU tragbar. Allerdings sprach man sich in der Resolution grundsätzlich gegen den gewerkschaftlichen Pluralismus aus. Viele GewerkschafterInnen halten weiterhin an dem Grundsatz ein Betrieb, eine Gewerkschaft fest. Eine Alternative wäre, mehrere Gewerkschaften im Betrieb zuzulassen und die radikalsten Verhandlungs-Ergebnisse tariflich geltend zu machen. So waren auf der Konferenz auch kaum Spartengewerkschaften vertreten. Am Ende versäumte man es, eine Solidaritätsadresse an die ab Montag streikenden LokführerInnen zu senden.
Dennoch gingen von der Konferenz viele positive Impulse aus, die nun auf praktischer Ebene verbreitet, erprobt und weiterentwickelt werden müssen. Zur Nachbereitung wird es wie im letzten Jahr zahlreiche Materialien geben. Zudem sind für 2015 eintägige Konferenzen zur Vernetzung im Bereich Gesundheit sowie Erziehung und Soziales geplant. Um gewerkschaftliche Kämpfe wieder verstärkt in die sozialen Bewegungen hineinzutragen, forderten KollegInnen aus Frankfurt außerdem zur Teilnahme an den Blockupy-Protesten im November auf.
Silke Bremer