Warschau: Protest der Krankenhaus-Arbeiterinnen
Am 03.07.2014 fuhren Arbeiterinnen des Krankenhauses der polnischen Stadt Belchatow in die Hauptstadt, um gegen die systematischen Probleme zu protestieren, die zu ihrer jetzigen Notlage geführt haben und deren Änderung sie nun einfordern. Die Reinigungskräfte und Stationshelferinnen haben seit zwei Monaten Proteste und Besetzungen in dem Krankenhaus organisiert, in dem mittlerweile 60 Leute entlassen wurden.
Die Aktionen in Warschau fanden vor dem Gesundheits- und dem Arbeitsministerium statt, sowie vor dem Parlament. Bei jeder Station sprachen die Arbeiterinnen mit Vertreter/innen der Regierung, von denen sie ein Eingreifen in ihren Fall forderten. Auch die ungünstigen Gesetze und Vorschriften, die zu ihrer misslichen Lage geführt haben, sollten geändert werden.
Die Frauen waren zuvor bei dem Krankenhaus direkt anstellt, aber ihre Arbeitsplätze sind ausgelagert worden. Für die meisten Arbeiter/innen in der Gesundheitsbranche bedeutet dieses Outsourcing den Beginn eines Albtraums von Unsicherheit und verschlechterten Arbeitsbedingungen.
Nach dem Gesetz müssten bei Ausgliederung von Arbeitsplätzen die Arbeiter/innen automatisch von dem neuen Dienstleistungsunternehmen übernommen werden. Dabei dürfte es zu keinen Veränderungen der Arbeitsbedingungen kommen, aber die Firmen finden oft Wege, um diese Vorgaben zu umgehen. Manchmal ignorieren sie die Vorschriften einfach, da man anscheinend in Polen kaum etwas zubefürchten hat, wenn man die Rechte der Arbeiter/innen verletzt.
Anfangs waren etwa 160 Arbeiter/innen ausgelagert und mit normalen Verträgen übernommen worden. Doch als das Krankenhaus nach ein paar Monaten den Auftrag neu ausgeschrieben hatte, wurde von der neuen Firma nur ein Teil der ehemaligen Arbeiter/innen übernommen und sogar ein paar neue eingestellt. Theoretisch hätten zwar alle Arbeiter/innen übernommen werden müssen, aber in der Realität versuchen die Unternehmen ihre Verpflichtungen zu umgehen. Sie verkleinern dadurch ihre Belegschaft und zwingen die verbleibenden Arbeitskräfte härter zu arbeiten. Dabei blauben sie, dass sich die Leute nicht dagegen wehren können und dass sie selbst für ihre Taten niemals verantwortlich gemacht werden.
In diesem Fall sind die Arbeiterinnen in eine Gesetzeslücke gefallen, da das Arbeitsamt ihre Arbeitslosmeldung nicht annimmt, weil der alte Arbeitgeber den Vertrag garnicht beendet hat. Die Firma hingegen wird das nicht tun, denn sie behauptet ja, die Arbeiter/innen nach dem Gesetz korrekt ausgelagert zu haben. Also können sie nun kein Arbeitslosengeld beantragen und sind auch nicht mehr versichert.
Seit Beginn ihrer Proteste wurde eine neue öffentliche Ausschreibung durchgeführt und das Dienstleistungsunternehmen soll schon wieder gewechselt werden. Die Gewerkschaft ZSP hat auf das Krankenhaus Druck ausgeübt, damit es die Arbeiterinnen wieder direkt einstellt. Außerdem sollten bei erneuter Vertragsvergabe alle Arbeiterinnen mitsamt der ehemaligen übernommen und zu ordentlichen Arbeitsverträgen - nicht Schrottverträgen - eingestellt werden.
Was solche Schrottverträge betrifft, so bieten Unternehmen Dienstleistungen für Krankenhäuser an, bei denen sie die Arbeiter/innen unterhalb des Mindestlohns bezahlen. Zum Beispiel verdient das Reinigungspersonal in der Stadt Olkusz nur 4 Zloty pro Stunde (weniger als 1 Euro), obwohl der Mindestlohn 10 Zloty beträgt. Daher müssen sie 250 bis 270 Stunden pro Monat für das gleiche Geld arbeiten, das sie bei einer legalen Anstellung mit Mindestlohn verdienen würden.
Die Arbeiterinnen aus Belchatow, von denen viele bereits seit Jahrzehnten in dem Krankenhaus gearbeitet haben, weigern sich aber zu solchen Bedingungen zu arbeiten, weil das eine grobe Verletzung der Rechte von Arbeiter/innen bedeutet. Die Regierung hat bei solchen Vorgängen bisher einfach weggeschaut, obwohl das offensichtlich gegen die Arbeitsgesetze verstößt. In vielen Staatsbetrieben und staatlich geförderten Unternehmen werden gnadenlos die Ausgaben auf Kosten der ärmsten Arbeiter/innen gekürzt, deren Arbeitsplätze ausgelagert und deren Löhne gesenkt.
Gegen die Vergabe ausgeschriebener Dienstleistungsverträge an solche Unternehmen, die die Rechte der Arbeiter/innen verletzen, hat die ZSP bereits mehrere Kampagnen durchgeführt. In Warschau haben mehrere öffentliche Einrichtungen ihre Verträge mit mindestens einer der übelsten Firmen wieder aufgelöst.
Jetzt sieht es so aus, als ob eine neue Firma ausgewählt wurde und das Unternehmen sich mit dem Krankenhausdirektor darauf geeinigt hat, die protestierenden Arbeiterinnen bevorzugt einzustellen. Doch diese haben noch kein konkretes Angebot erhalten. Die Frauen bestehen darauf, nicht zu noch schlechteren Bedingungen zu arbeiten, da der Mindestlohn bereits die schlechteste Bedingung für alle darstellt.
Die Arbeiterinnen trafen bei ihrem Protest in Warschau vor dem Gesundheitsministerium auch auf offizielle Vertreter/innen, die sich Zeit nahmen, um sich mit der Situation zu beschäftigen und die ihnen gegenüber wenigstens höflich und betroffen reagiert haben. Außerdem wurden schriftliche Forderungen an das Ministerium eingereicht. Die ZSP kritisiert jedoch weiterhin das Outsourcing als langfristige Strategie eines neoliberalen Umbaus der Gesundheitsversorgung, welche in Polen extrem unterfinanziert ist.
Danach gingen die Arbeiterinnen zum Arbeitsministerium, wo sie ein Eingreifen zugunsten ihrer beantragten Abeitslosengelder forderten. Es stellte sich jedoch heraus, dass man im Arbeitsministerium nicht so gut informiert war, wie im Gesundheitsministerium. Denn entgegen mehrfacher Versprechen, die einige Politiker/innen bisher gemacht haben, fühlte sich dort niemand dafür zuständig. Daher rät die ZSP allen Arbeiter/innen, niemals den Versprechen von Politiker/innen zu glauben, denn die meisten davon sind nur Lügen, damit die Leute aufhören zu protestieren. Denn dauerhafter Druck und Aktionen sind nötig, um sie dazu zu bringen überhaupt etwas im Interesse der Arbeiter/innen zu tun, anstatt den Kapitalist/innen die Taschen zu füllen.
Zum Abschluss des Aktionstages wurde eine Protestkundgebung vor dem Parlament durchgeführt, wo eine Änderung jener Gesetze gefordert wurde, welche die Arbeiterinnen in so einem Schwarzen Loch verschwinden lassen, ohne als Arbeitslose anerkannt zu sein. Ein Politiker aus Belchatow kam dazu und hat eine lange Rede gehalten, in der er den Frauen Unterstützung auf lokaler Ebene versprach. Jedoch ist sich die Gewerkschaft ZSP bewusst, dass das Hauptinteresse einiger Lokalpolitiker/innen nur darin besteht, versteckte Werbung für jene politische Clique zu machen, welche für das Krankenhaus verantwortlich ist. Die Gewerkschaft will nun einige Tage abwarten, ob etwas passiert, und plant bereits weitere Aktionen.
Erfreulicherweise kann die ZSP außerdem vermelden, dass der Direktor des Krankenhauses in Belchatow sich gezwungen sah einen der Genoss/innen wieder einzustellen. Dieser war letztes Jahr gefeuert worden, nachdem dieser Direktor falsche Anschuldigungen gegen ihn erhoben hatte. Seitdem hatte er für seine Wiedereinstellung und eine Richtigstellung gekämpft, da er davon ausging, dass er wegen seiner Gewerkschaftsaktivitäten gekündigt wurde. Vor Gericht wurde bewiesen, dass die Anschuldigungen des Direktors falsch waren. Gleichzeitig liefen auch Verfahren für Wiedereinstellung und wegen Anti-Diskriminierung. Der Direktor beschloss daher sich mit ihm zu einigen, ihn wieder einzustellen und ein Jahresgehalt als Wiedergutmachung zu zahlen.
Dies wird angesichts der ungeheur gewerkschaftsfeindlichen Ausrichtung der jüngsten Gerichtsurteile als ein gutes Ergebnis gewertet. Nach diesen Urteilen wurden die Leute meist nicht wieder eingestellt und nur einige Gewerkschaftsmitglieder haben bei ungerechtfertigter Kündigung einen einzigen Monatslohn (in Höhe des Mindestlohns bzw. 400 Euro) zugesprochen bekommen - unabhängig davon wie lange sie ohne Arbeit waren. Im Vergleich dazu kann die ZSP diesen Sieg als den besten dieses Jahres und seit langem feiern, soweit dies bekannt ist .
Die ganze Zeit über haben der Genosse und die anderen Arbeiter/innen aus dem Krankenhaus sich gegenseitig unterstützt. Doch die Lage der kämpfenden Reinigungskräfte und Stationshelferinnen ist weitaus schwieriger, denn es gibt bisher noch keinen Präzedenzfall, in dem solche ausgelagerten Arbeiter/innen wieder eingestellt wurden. Aber die Aktionen gehen weiter in der Hoffnung auf einen zweiten Sieg im Krankenhaus von Belchatow.
[Update]
englisch:
Hospital Workers Win Contracts
The women who have been fighting to return to work in Belchatow Hospital have won their jobs back! They will have work contracts through the new service provider.
We think this outcome shows that if you organize, stay in solidarity and don't give up, it is worth it. We consider this victory, which happened outside the mainstream unions, to be the most significant we know of so far this year in Poland. We thank everyone who supported this struggle.
We however note that there are still problems since the workers have not been compensated for lost time and have not been hired directly by the hospital.
The union in the hospital will continue working to improve conditions and fight for better job security.
deutsch:
Krankenhausangestellte erkämpfen Verträge
Die mit dem Belchatow Krankenhaus im Arbeitskampf befindlichen Frauen haben ihre Arbeitsplätze zurück erhalten, die Arbeitsverträge werden von einem Dienstleistungsunternehmen ausgestellt.
Wir denken, dass man an diesem Erfolg sehen kann, dass es sich lohnt sich zu organisieren, solidarisch zu sein und nicht aufzugeben. Wir halten diesen Sieg, der ohne die "großen" Gewerkschaften erreicht wurde, für den bedeutensten in diesem Jahr in ganz Polen und danken allen UnterstützerInnen.
Problematisch ist allerdings, dass die Arbeiterinnen nicht für die entgangenen Löhne kompensiert und sie nicht direkt bei dem Krankenhaus angestellt wurden.
Die Gewerkschaft wird auch in Zukunft für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen.
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