Ein historischer Wendepunkt
Die Tage vor dem Internationalen Frauentag 2014 erlebten, von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, einen spontanen Streik von Werkverträglern auf der Meyer-Werft in Papenburg. Lediglich die lokal als Ems-Zeitung erscheinende Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) berichtete ausführlicher über das Streikgeschehen und der NDR brachte einen kurzen Lokalbericht in der Sendung Hallo Niedersachsen.
Dabei ist dieser Streik tatsächlich ein historisches Ereignis und kann auch einen Wendepunkt wie 1973 darstellen: Die 150 bis 200 streikenden Werkverträgler haben binnen zwei Tagen und einem achtstündigen Verhandlungsmarathon gegenüber dem Arbeitszeithändler Dirks Group aus Emden durchgesetzt, dass sie auf Wunsch deutsche Arbeitsverträge erhalten und dass sie nicht mehr über ein Arbeitszeitkonto ihre Überstunden ausgleichen, sondern diese monatlich ausgezahlt bekommen. Deutsche Arbeitsverträge bedeuten auch z.B. Krankenversicherung und Krankengeld. Bislang erhielten die erkrankten Arbeiter offenbar keine Lohnfortzahlung und mussten bei Arztbesuchen in Vorleistung gehen.
Unter dem Titel Ein historischer Wendepunkt wurde in der Direkten Aktion 217 (Mai/Juni 2013) zum 40. Jubiläum an die Welle von wilden Streiks in Deutschland im Jahr 1973 erinnert. In der damaligen Streikwelle stachen vor allem der Kölner Ford-Streik wegen seiner Größe und der Neusser Pierburg-Streik heraus, letzterer vor allem, weil er als fast reiner Frauen- und Migrantinnenstreik erfolgreich war und die damalige Leichtlohngruppe II wegstreikte.
41 Jahre später sind die Arbeitsbedingungen für MigrantInnen durchaus nicht überall besser geworden. Zwar gibt es keine Leichtlohngruppen mehr, dafür aber Leiharbeit und Werkverträge. Anfang Juli 2013 geriet die Papenburger Meyer-Werft diesbezüglich in die Schlagzeilen: Zusammengepferchte rumänische und bulgarische Werkvertrags-Arbeiter erlebten einen Brand, bei dem zwei Arbeiter zu Tode kamen. Gewerkschaft, niedersächsische Regierung und Meyer-Werft reagierten mit einer Sozialcharta, die die Wohnbedingungen der Werkverträgler durchaus verbesserte. Außerdem wurde in diesem Rahmen festgestellt, dass die osteuropäischen Arbeiter (Arbeiterinnen wohl eher selten) in Deutschland verbotene Doppel- und Dreifachschichten fuhren.
Der Haken: Diese Mehrarbeit war durchaus im Interesse der Werkverträgler, denn die rumänischen und bulgarischen Arbeiter motiviert hauptsächlich das Interesse, ihre Familien in Osteuropa zu finanzieren. Am 6. Und 7. März 2014 fiel ihnen jedoch eine andere Möglichkeit ein, dies zu tun.
Die Tage vor dem Internationalen Frauentag 2014 erlebten, von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt, einen spontanen Streik von Werkverträglern auf der Meyer-Werft in Papenburg. Lediglich die lokal als Ems-Zeitung erscheinende Neue Osnabrücker Zeitung (NOZ) berichtete ausführlicher über das Streikgeschehen und der NDR brachte einen kurzen Lokalbericht in der Sendung Hallo Niedersachsen.
Dabei ist dieser Streik tatsächlich ein historisches Ereignis und kann auch einen Wendepunkt wie 1973 darstellen: Die 150 bis 200 streikenden Werkverträgler haben binnen zwei Tagen und einem achtstündigen Verhandlungsmarathon gegenüber dem Arbeitszeithändler Dirks Group aus Emden durchgesetzt, dass sie auf Wunsch deutsche Arbeitsverträge erhalten und dass sie nicht mehr über ein Arbeitszeitkonto ihre Überstunden ausgleichen, sondern diese monatlich ausgezahlt bekommen. Deutsche Arbeitsverträge bedeuten auch z.B. Krankenversicherung und Krankengeld. Bislang erhielten die erkrankten Arbeiter offenbar keine Lohnfortzahlung und mussten bei Arztbesuchen in Vorleistung gehen.
Papenburg 2014 ist damit ein Erfolg wie Pierburg 1973. Der NOZ-Journalist Stefan Prinz kommentiert zu Recht unter dem Titel Ein Sturm zieht auf:
Jahrelang galten osteuropäische Werkvertragsarbeiter in der Industrie als ebenso still wie anspruchslos. Selbst unter härtesten Arbeitsbedingungen regte sich bisher nie öffentlich hörbarer Protest. Wenn Einzelne doch mal aufbegehrten, drohte ihnen der Subunternehmer oft wirkungsvoll mit der sofortigen Abschiebung ins Heimatland. Das Bild vom schwachen Werkvertragsarbeiter ist seit gestern überholt: Mit dem Streik der Rumänen und Bulgaren auf der Meyer Werft hat sich etwas Wesentliches verändern. Die Osteuropäer haben erkannt, dass sie im fremden Land Macht haben, wenn sie sich zusammenschließen. Es ist ihnen mit einer friedlichen, zweitägigen Arbeitsniederlegung gelungen, Forderungen durchzusetzen. Es wird spannend, ob das nur der Anfang war. Oder ob möglicherweise Streiks mit weiteren Forderungen zur Gleichstellung folgen. Dann hätten viele deutsche Betriebe ein Problem.
Noch haben wir hier einen einzelnen Streik, der für sich schon eine bewundernswerte Neuerung ist. Mit etwas Glück aber wird Papenburg auch zum Fanal und könnte eine Streikwelle auslösen, die sich mit 1973 messen kann. Das passiert aber nicht von alleine. Entscheidend ist jetzt, die Erfahrung eines siegreichen Arbeiterkampfs von den Prekärsten zu weiterzutragen. Hoffen wir, dass das Beispiel Schule macht.
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