Und plötzlich Antifaschismus
Ein Artikel der griechischen Genossin F.K., erschienen in der Oktoberausgabe 2013 der monatlich erscheinenden Zeitung Drási (Untertitel: Kämpferische Zeitung für die Emanzipation der Arbeiter und Arbeiterinnen)
Nach zwei Jahren staatlicher Propaganda und Medienhetze, nach Kilometern von Analysen über die Extreme, nach ständigen Pogromen gegen MigrantInnen, hunderter rassistischer Angriffe und der Einknastung Tausender Flüchtlinge in Internierungslagern, nach Folterungen von AntifaschistInnen im Polizeihauptquartier Athens (GADA) und den Angriffen auf besetzte Häuser und selbstverwaltete Zentren, nach umfassender Verfolgung und der Kriminalisierung ungezählter Genossen und Genossinnen, geschah zu guter Letzt das, worauf wir alle mit Spannung gewartet haben. Der Staat enthüllte sein Anti-Nazi-Gesicht. Und verströmt den Gestank von Faschismus.
Wir wissen nicht ob der Mord an Pavlos Fýssas der eine war, der das Fass zum Überlaufen brachte und Samarás und das rechtsradikale Gesindel das ihn umgibt dazu nötigte die Zügel gegenüber den Nazibanden straffer anzuziehen. Wir wissen auch nicht und es ist auch zu früh Genaues zu sagen wohin die nun aufgenommene unbarmherzige Jagd des Staates auf Extremisten führen wird und wo sie endet. Wir können es uns allerdings vorstellen.
Wir wissen, dass die Gesellschaft in der wir aufgewachsen sind sich nie große Mühe gegeben hat ihre rassistischen Gefühle zu verstecken. Dass sie nie gezögert hat migrantische Arbeiter und Arbeiterinnen auf den Feldern und in den Fabriken auszubeuten und zu quälen. Oder Migrantinnen in Toiletten zu vergewaltigen und auch noch stolz darauf zu sein. Wir erinnern uns an ihr Gebrüll in den Fernsehdiskussionen wenn der Albaner bei den Schülerparaden zum Nationalfeiertag am 28. Oktober als Schulbester die griechische Nationalfahne tragen sollte. Und daran, dass sie keine Sekunde zögerte am wilden Fest der Olympischen Spiele teilzunehmen und zuzusehen wie auf den Baustellen der Spiele über Jahrzehnte erkämpfte Errungenschaften der Arbeiterbewegung und Menschenleben geopfert wurden.
Wir, die wir im Griechenland des Fortschritts aufgewachsen sind, sahen wie Bosse und Kapital Menschenleben im Namen des Profits zertraten. Wir sahen eine ganz und gar ermattete Gesellschaft, der das in ihrer überwiegenden Mehrheit egal war, wenn sie es nicht sogar unterstützte. Wir sahen wie unsere Lohnarbeit immer schlechter bezahlt wurde um nach drei Jahren der Krise beim Stand von heute anzukommen, für ein paar Brotkrumen zu arbeiten und monatelang nicht bezahlt zu werden. Wir sahen und zwar klar und deutlich in den letzten Jahren wie Nationalismus und Nazismus promotet wurden, manchmal als Lösung und manchmal als Extrem, mal als Feind und mal als unverhoffter Verbündeter.
Wir sehen heute wie der patriotische und ethnozentristische Sprachgebrauch im Namen des Anti-Nazi-Kampfes reproduziert wird, da Nationalismus nichts Schlechtes ist, während sie uns mit dem Geschwafel über den verfassungsmäßigen Bogen (gemeint ist der überspannende Bogen aller auf dem Boden der Verfassung stehenden Parteien; d. Übersetzer) und demokratische Allianzen die Ohren zudröhnen.
Wir können beobachten wie Staat und Kapital sich ihr Alibi zusammenbasteln, um zum noch härteren Angriff überzugehen, um die Angst immer stärker zu verfestigen und das Voranschreiten des Autoritarismus zu erleichtern.
Wir sehen all das und geben uns keiner trügerischen Hoffnung hin. Wir erwarten nichts von frevelhaften Allianzen und großmäuligen Ankündigungen. Wir wissen sehr gut, dass Staat und Kapital ihren Angriff auf uns verstärken und ihre guten faschistischen Freunde nicht verraten werden. Sie werden immer nützlich für sie sein.
Wir wissen auch, dass wir noch ganz am Anfang des Weges stehen und noch jede Menge zu tun haben. Wir werden trotzdem nicht aufgeben, denn das Dilemma heißt nicht Spardiktat oder kein Spardiktat, nicht wirtschaftliche Rezession oder Aufschwung, sondern Leben oder Tod.
Und unser Leben, so wie wir es leben wollen, wird auf den Straßen erschaffen. In den sozialen Kämpfen und den Arbeitskämpfen. Dort bekämpfen wir den Faschismus und dort verteidigen wir unser Leben.
Übersetzung: Ralf Dreis