Anlass für die Aktion am 24.1.2013, bei der Flugblätter verteilt wurden, war die Eröffnung einer Filiale des Bio-Supermarktes denn's in Hannover-Linden. Diese Filiale ist seit langem im Stadtteil umstritten, da sie als sichtbarer Ausdruck der beginnenden Gentrifizierung wahrgenommen wird.
Jeweils um 8 und um 16 Uhr hatten sich gut ein halbes Dutzend AktivistInnen zusammen gefunden, um Flugblätter zu verteilen und gegen die Arbeitsbedingungen in der Biobranche zu protestieren. Bei eisigen Temperaturen wurden an die PassantInnen Flugblätter verteilt. In den Flyern wurde angeprangert, dass denn's die Beschäftigten unter Tarif bezahlt und mit seiner aggressiven Expansionspolitik kleinere Bio-Läden massiv unter Druck setzt. Außerdem wurde auf den Arbeitskampf der FAU-Berlin bei Teltower Rübchen hingewiesen. Dort setzten sich die GenossInnen für die Rechte einer Auszubildenden ein.
Damit es nicht zu Ausschreitungen kommt, schließlich war die Filiale bereits Ziel einer Farbattacke, kamen morgens in kurzen Abständen die FreundInnen und HelferInnen vorbei. Anscheinend war ihnen aber zu kalt, da sie nur guckten und nicht ausstiegen.
Aufgeschlossener waren dagegen die PassantInnen. Diese nahmen nicht nur die Flugblätter, etliche nahmen sich auch die Zeit für ein kurzes Gespräch. Auf Interesse stieß die Information, dass Bio noch lange nicht Fair sein muss. Schließlich erwarten viele KundInnen in einem Bio-Laden, dass hier auch auf korrekte Arbeitsbedingungen wert gelegt wird. Umso erstaunter waren viele, dass auch Bio-Discounter nach den gleichen Methoden zu funktionieren scheinen, wie andere Discounter. Ja, dass sie teilweise sogar schlechtere Arbeitsbedingungen bieten.
An die KundInnen war der Aufruf gerichtet, in den Bio-Discountern, den Bio-Läden und bei ErzeugerInnen nachzufragen, wie denn die Arbeitsbedingungen für die MitarbeiterInnen sind. Damit soll Druck aufgebaut werden. Dass dies zum Erfolg führen kann, zeigt die von der Gewerkschaft ver.di begonnene Informationskampagne zu dem Bio-Discounter Alnatura. Nach einer breiten Berichterstattung hat sich die Geschäftsleitung dazu durchgerungen, die Beschäftigten nach Tarif zu bezahlen.
Als Basisgewerkschaft mit gesamtgesellschaftlicher Perspektive fordert die FAU-Hannover nicht nur die Bezahlung von Tariflöhnen, denn dadurch verschwindet ja das kapitalistische System mit all seinen Ungerechtigkeiten nicht. Werden Tariflöhne gezahlt, sucht sich ein Unternehmen eine andere Nische, um Kosten zu sparen. Um in den längst gesättigten Märkten auf Wachstumskurs zu bleiben werden zum Beispiel Arbeitsschutzmaßnahmen reduziert, Personal abgebaut oder eine höhere Stundenzahl der einzelnen VerkäuferInnen im Schichtplan durchgesetzt und so weiter und so fort.
Das Verhalten der denns-Kette mit ihrer untertariflichen Bezahlung zeigt aber beispielhaft, wie scheiße die Marktwirtschaft, wie unser Kapitalismus gerne verniedlichend genannt wird, doch ist.
Daher bleibt die Überwindung des Kapitalismus unumgänglich. Das hält uns aber nicht davon ab, ständig Verbesserungen durchzusetzen und damit die KapitalistInnen vor uns herzutreiben.
- - -
Bisherige Berichte über die Aktion:
Hallo Linden - Onlineausgabe eines Lokales Anzeigenblatt
Neue Presse vom 25.1.2013
Ihmestadt - lokaler Blog zu Stadtteilpolitik
HAZ, Stadt-Anzeiger West, vom 31.1.2013
Lindenspiegel. Die Lindener Stadtteilzeitung. Februar 2013, Seite 4, oben links
Das bei der Aktion verteilte Flugblatt
|
|
|
Faire Arbeitsbedingungen und Tariflöhne für die Beschäftigten bei denn's!
Bio ist noch lange nicht Fair
Wenn am heutigen 24. Januar der denns-Biosupermarkt auf der Limmerstraße eröffnet, bekommen eingesessene inhaberInnengeführte Bioläden große Konkurrenz. Ein gravierender Wettbewerbsvorteil der denree-Kette als Eigentümerin der denns-Filialen gegenüber den kleinen Bioläden ist auch die untertarifliche Bezahlung der Beschäftigten. So musste Thomas Greim, Deutschlandchef der Supermarktkette, im taz-Interview einräumen, dass Dumpinglöhne mancherorts zur Geschäftsphilosophie gehörten, da das Unternehmen in der boomenden Biobranche wachsen und expandieren möchte. Da sei es eben auch nötig, schon mal hinter den Löhnen der Discounter des Lebensmitteleinzelhandels zurückzubleiben.(1) Und das, obwohl sich das Unternehmen selbst gerne als nachhaltig bezeichnet und durch faires und zeitgemäßes Handeln erfolgreich sein will.(2)
Dabei würden gerade viele Kunden und Kundinnen eines Bioladens faire Arbeitsbedingungen erwarten und zumindest eine flächendeckende tarifliche Entlohnung als selbstverständlich ansehen. Insbesondere das gute Image von sauber produzierter Ware lockt eine besondere Kundschaft an, die daher fordern sollte, dass fair nicht an der Ladentür aufhört, um tatsächlich guten Gewissens konsumieren kann. Daher bleibt denree mit seinen denns Supermärkten aufgefordert, auch die eigenen Beschäftigten mindestens nach gültigem Tarif zu entlohnen und nicht mit Jobs zu Dumpinggehältern bestehende und von KundInnen akzeptierte Einkaufsmeilen zu zerstören.
Madige Rübchen: Ein Beispiel aus Berlin(3)
Ein weiteres Beispiel für prekäre Arbeitsbedingungen in der Biobranche und den entschlossenen gewerkschaftlichen Kampf dagegen liefert derzeit die Auseinandersetzung auf einem Biohof nahe Berlin. Dort werden die überregional bekannten, biozertifizierten Teltower Rübchen vom gleichnamigen Betrieb angebaut. Eine Gartenbauauszubildende wandte sich bereits im vergangenen Jahr an die FAU Berlin, um auf die betrieblichen Missstände aufmerksam zu machen. Ihre derzeitige Ausbildungsvergütung liegt mit monatlichen 202 Euro 57 Prozent unter dem gültigen Tarifvertrag der IG Bau. Außerdem mangele es an angemessener Wissensvermittlung sowie sanitären Anlagen und beheizten Umkleide- und Aufenthaltsräumen. Die Vermutung, dass hier eine Auszubildende als billige Arbeitskraft missbraucht wird, ist nicht von der Hand zu weisen.
Nachdem der Eigentümer der Teltower Rübchen, der für die Fraktion Die Linke/Bündnisgrüne im Teltower Stadtrat sitzt, einen Gesprächstermin mit der FAU Berlin platzen ließ und sich auch weiter wenig kooperativ zeigte, startete die Basisgewerkschaft eine öffentlichkeitswirksame Kampagne. Bislang wurden auf vier Wochenmärkten in Berlin Flyer verteilt, um KundInnen und VerkäuferInnen über die unhaltbaren Zustände zu informieren. Die Mehrheit reagierte empört und äußerte: Bio geht nur fair!
Das Beispiel verdeutlicht, dass biologische Landwirtschaft und faire Arbeitsbedingungen nicht unbedingt Hand in Hand gehen. Im Gegenteil: (Angeblich) Niedrige Gewinnspannen dienen oft als Legitimation für sittenwidrige Löhne. Der Kampf der Auszubildenden gemeinsam mit der FAU Berlin zeigt aber auch, wie entschlossenes Handeln dem Status Quo etwas entgegensetzen kann. Die Solidarität der KonsumentInnen sollte dem Eigentümer ein Signal sein: Biorüben, die unter unfairen Bedingungen produziert werden, tragen den Wurm in sich. Wir fordern daher zusammen mit der FAU Berlin: Ausbildung statt Ausbeutung! Solidarität mit allen prekär Beschäftigten in der Biobranche!
Manchmal hilft schon fragen
Es darf aber nicht bei einfachen Forderungen bleiben, die nach kurzer Zeit verhallen. Kundinnen und Kunden müssen sich aktiv einmischen. Dafür, dass es sich lohnt auch als Kundin und Kunde darauf zu bestehen, dass faire Arbeitsbedingungen und angemessene Löhne auch in Deutschland die Regel bleiben, gibt es Beispiele.
Durch die von ver.di initiierte Berichterstattung darüber, dass Alnatura keine Tariflöhne zahlt,(4) geriet die Geschäftsleitung zunehmend unter Druck. Die kritischen Nachfragen von KundInnen und die anhaltende Berichterstattung erreichten, dass ein halbes Jahr später Tariflohn bezahlt wurde.(5)
Siegel, Lidl und faire Arbeitsbedingungen
Zu behaupten, dass ein Produkt ökologisch und sozial nachhaltig produziert wurde, ist einfach. Wenn der Produktionsweg nicht offen gelegt ist, sollen Siegel Sicherheit schaffen. Neben den Siegeln von Organisationen, die unabhängige Kontrollen verlangen oder selbst durchführen wie das Fairtrade-Siegel der FLO oder das Naturland-Siegel gibt es viele Siegel, die weniger bis keine Aussagekraft besitzen.
Allen Siegeln ist aber gemein, dass die Kontrolle an der Ladentür aufhört. Über die schlechten Arbeitsbedingungen bei Lidl, die im letzten Jahr den Fairtrade-Award für ihr Engagement im Verkauf von Fairtrade-Waren erhalten haben, wurde schon viel berichtet.
Faire Arbeitsbedingung, existenzsichernde Löhne und uneingeschränktes gewerkschaftliches Engagement muss von der Produktion bis zum Verkauf an die KonsumentInnen durchgehalten werden sonst bleiben Bio und Fair nur Beruhigungspillen für die vermeintliche Weltverbesserung.
Es reicht halt nicht, nur das Richtige zu konsumieren, es gilt Forderungen zu stellen und diese auch durchzusetzen:
Bio geht nur Fair!
Für Existenzsichernde Löhne und angemessene
Arbeitsbedingungen weltweit auch in Deutschland!
Organisieren statt Jammern!
- - -
(1) http://www.taz.de/!83270/
(2) http://www.dennree-biohandelshaus.de/unternehmen/expansion/nutzen_fuer_ihren_standort
(3) Weitere Infos zum Arbeitskampf beim Teltower Rübchen gibts hier:
fau.org/ortsgruppen/berlin; in der taz vom 17.12.2012 (taz.de); im neuen deutschland vom 17.12.2012 (neues-deutschland.de)
(4) http://www.taz.de/!50470/
(5) http://www.taz.de/!56346/
|
|
|
|
|
|