Schicht im Spätkauf
Vergangene Woche endete der Arbeitskampf im Friedrichshainer Spätkauf Mumbai Corner mit einer Einigung. Demnach zieht der Ladeninhaber alle anwaltlichen und juristischen Schritte gegen den betroffenen Kollegen und Dritte zurück, händigt dem Kollegen einen Arbeitsnachweis aus und zahlt ihm eine Abfindung von mehreren tausend Euro.
(Foto: Kundgebung am 16. Dez. 2011 vor dem Laden, der extra geschlossen wurde.)
Einigung nach viel Streit
Der Kollege hatte mehrere Jahre in dem Spätkauf gearbeitet und nach dem Zerwürfnis mit seinem Chef rückwirkend Lohn eingefordert. Schließlich hatte er dort auf Mini-Job-Basis (120 Euro monatlich) bis zu 60 Stunden in der Woche gearbeitet. Zusammen mit seiner Gewerkschaft FAU Berlin hatte sich der Kollege entschieden, den Fall juristisch klären zu lassen und mit öffentlichem Druck zu begleiten. Der Ladeninhaber reagierte ungehalten und ging anwaltlich und juristisch gegen den Kollegen vor. Auch die Internet-Portale Trend-Infopartisan und Labournet wurden dabei verwickelt. Gegen Trend versuchte der Ladeninhaber gar eine Einstweilige Verfügung wegen eines Berichts zu erwirken.
Dass die Internet-Portale nicht zurückgewichen sind und der Ladeninhaber vor Gericht gegen Trend scheiterte, dürfte dem Inhaber nochmals deutlich gemacht haben, dass seine Position nicht haltbar ist. In der Zwischenzeit hatte die FAU Berlin, unterstützt von StadtteilbewohnerInnen und der Stadtteilgruppe InterKomms, aber auch der ASJ Berlin, Druck auf den Ladeninhaber aufgebaut. Mit zahlreichen Informationsveranstaltungen, zwei Kundgebungen und der Verbreitung von Informationen im Kiez wurde umfassend über den Fall informiert. Dieser wurde zu einem kleinen Politikum, so dass Ladenbesitzer vor Gericht über Umsatzeinbußen von 50 Prozent klagte.
Mitte Dezember, nachdem der Ladeninhaber weiter unter Druck geraten war, u.a. wegen der juristischen Niederlage gegen Trend, gab dieser letztlich seine Verweigerungshaltung auf, so dass sich eine Einigung abzeichnete. Diese konnte letztlich am Tag des Gerichtstermins erreicht werden, zur Zufriedenstellung des Kollegen. Ein Richterspruch war nicht notwendig. Jetzt ist auf die Einhaltung zu achten.
Ein kleines Resümee
Die FAU Berlin zieht eine positive Bilanz. Der Lohnkampf ist ein anschauliches Beispiel dafür, wie widrig, aber auch wie wichtig es ist, sich in prekären Ökonomien gegen die eigene Ausbeutung zu wehren. Die Gründe, warum sich dort kaum jemand (erfolgreich) wehrt, wurden im Laufe des Konflikts mehrfach benannt. Dabei gibt es durchaus Möglichkeiten, zu seinem Recht zu kommen, unter anderem auf juristischem Wege. Mit einer Gewerkschaft im Rücken ist dieser Weg nicht nur leichter zu gehen, diese kann auch öffentlichen Druck und Solidarität herstellen. Auch die Rolle linker Medien, die dazu beitragen können, die Gegenseite zumindest zu beunruhigen, darf nicht unterschätzt werden.
Dabei sind die Möglichkeiten, wie in solch individualisierten Konflikten in prekären Klitschen agiert werden kann, gewiss nicht ausgeschöpft worden. Im Vordergrund stand bei diesem Fall, von dem Kollegen Schaden abzuwehren und eine für ihn akzeptable Lösung zu erzielen. Darüber hinaus sollte der Fall aus seiner Isolierung geholt und in den breiteren Zusammenhang gestellt werden. Er sollte nachhaltige Spuren hinterlassen und etwa zu ähnlichem Widerstand animieren. Ob dies gelungen ist, wird sich noch zeigen. Auf den Erfahrungen des Lohnkampfes lässt sich zumindest aufbauen, um zukünftig in ähnlichen Fällen effektiver zu Lösungen zu kommen und die Organisierungsansätze, etwa im Stadtteil, weiterzuentwickeln.
Die Möglichkeiten der Kämpfe in solch prekären Bereichen scheinen oft begrenzt. Vereinzelung und Einschüchterung überwiegen. Wer sich wehrt, hat allein nur geringe Druckpotentiale: ein Streik läuft schlichtweg ins Leere. Zudem stehen auch die Ladeninhaber häufig finanziell mit dem Rücken an der Wand und dürften nicht gerade verhandlungsbereit sein. Sich hier des Instruments der Gerichte zu bedienen, dürfte vorerst kaum zu vermeiden sein, wenn eine einigermaßen schnelle und sichere Lösung her soll. Doch es zeichnet sich allmählich ab, wie auch gewerkschaftlich in diesen höchst prekären und individualisierten Fällen Druck erzeugt werden kann.
Diese Ansätze sind zweifellos mühselig und mobilisierungsintensiv. Sie setzen aber in Bereichen an, die gewerkschaftlich verloren gegeben wurden und wo die Löhne ins Bodenlose fallen. Hier gilt es, als klassenkämpferische Gewerkschaft die Mühen nicht zu scheuen. Eine breitere Organisierung eröffnet dabei die Möglichkeit, nicht immer improvisieren zu müssen und die anzuwendenden Taktiken in solchen Konflikten weiterentwickeln zu können. Ein solcher Raum von (erfolgreichen) Erfahrungen kann letztlich auch dafür sorgen, dass Betroffene eher den Konflikt wagen.
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