Polens »mieseste Arbeitgeber« in der Defensive
Die ZSP hielt zum dritten Mal hintereinander den jährlichen Wettstreit Miesester Boss des Jahres ab. Hunderte ArbeiterInnen schrieben über Ausbeutung, Benachteiligung und schlechte Arbeitsverhältnisse. Die Entscheidungsfindung fiel uns sehr schwer. Nach akribischen Nachforschungen und reiflicher Überlegung, wurde der Preis verliehen und die eingereichten Informationen der ArbeiterInnen an die Medien weitergegeben. Daneben haben wir die grundsätzliche Auffassung verlauten lassen: Alle Bosse sind schlecht und gehören kritisiert!
Dieses Jahr reagierten zwei der drei miesesten Arbeitgeber öffentlich auf unseren Wettbewerb, indem sie die Zeugnisse der ArbeiterInnen leugneten. Außerdem drohte einer damit gegen uns gerichtlich vorzugehen. Als Antwort schreiben uns immer mehr Beschäftigte seines Unternehmens und unterstützen uns mit Zeugnisse und Beweise gegen ihren Boss.
EMPIK ist die größte Buchhandelskette in Polen. Letztes Jahr schrieben uns sehr viele Beschäftigte aus diesem Unternehmen, aber EMPIK wurden nicht für den Preis nominiert, da es so viele andere miese Bosse gab. Dieses Jahr schrieben uns wieder sehr viele aus diesem Unternehmen und zeigten uns damit, dass sich nichts geändert hat. EMPIK ist ein großer Arbeitgeber, der die typischen Probleme erzeugt, deshalb haben wir die Buchhandelskette für den dritten Platz ausgewählt. Zu den Problemen gehören erzwungene Überstunden, zuschlagslose Nachtarbeit, notorischer Zahlungsverzug, ausstehende Löhne, unterschiedliche Gehälter für den gleichen Job, geringere Entlohnung als in anderen Unternehmen dieser Branche und Verletzungen der Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen. Außerdem berichteten ArbeiterInnen, wie man ihnen Boni kürzte und sie deshalb weniger verdienten. Aus verschiedenen Niederlassungen der Buchhandelskette erreichten uns immer wieder die gleichen Meldungen von mit Büchern überfüllten Räumen, die über den ArbeiterInnen zusammenbrechen, wenn sie ein bestimmtes Buch zum Verkauf herausnehmen müssen.
Die PR Abteilung von EMPIK nahm sich unserer Nominierung an, nachdem die Neuigkeiten in den Medien verbreitet worden war. Sie streiten alles ab und behaupten sie seien ein guter Boss, obwohl eine Menge ArbeiterInnen etwas anderes sagen. Sie schickten einen Brief an die ZSP, in dem sie uns androhten uns zu verklagen, wenn wir nicht sofort alle Informationen über sie aus dem Internet nehmen. Nachdem wir diesen Brief ebenso veröffentlichten, kontaktierten uns immer mehr ehemalige und aktuell Beschäftigte und boten uns an, vor Gericht über die Arbeitsverhältnisse Zeugnis abzulegen. Schätzungsweise wird EMPIK eher die Ausgaben für ihre PR Abteilung erhöhen, als die Arbeitsverhältnisse zu verbessern. Daher ist es notwendig, dass sich die ArbeiterInnen organisieren. Der Aufbau einer Gewerkschaft in diesem Unternehmen ist nicht leicht, sagt ein Genosse, da viele Studierende dort arbeiten, die froh sind wenn sie den Laden endlich verlassen können.
Ein weiteres Unternehmen, das sich öffentlich äußerte, ist OBI, eine Baumarktkette, die gezielt GewerkschafterInnen drangsaliert (engl.: union-busting). Einer unserer Genossen arbeitete bei OBI und trat einer neu gegründeten Gewerkschaft bei, erst die zweite in diesem Unternehmen. Die erste Gewerkschaft, die bei OBI-Warschau im Jahr 2001 aktiv geworden war, war ebenso Angriffen ausgesetzt. Leider lieferten sich die meisten ArbeiterInnen einer offiziellen Gewerkschaften aus, obwohl die ZSP präsent gewesen ist. Inzwischen arbeitet die Hälfte nicht mehr bei OBI, entweder lief ihr Vertrag aus oder ihnen wurden gleich gekündigt. Da nur noch weniger als zehn Leute übrig sind, existiert die Gewerkschaft bei OBI rechtlich nicht mehr. Doch das macht nicht viel, da die offiziellen Gewerkschaften, den Verkauf der ArbeiterInnen schon abgeschlossen haben. Bereits die erste entlassene Person hatten sie von einem Deal mit den Bossen überzeugt, anstatt auf dessen Wiedereinstellung zu pochen. Als die ZSP und die FAU eine Solidaritäts-Kampagne organisierten, unterschrieben die Gewerkschaftsbürokraten gemeinsam mit den Arbeitgebern eine Erklärung, in der sie die Proteste verurteilten. Und als ArbeiterInnen, darunter unser Genosse, entlassen wurden, taten sie nichts, außer vielleicht beruhigt durchzuatmen und den Rest der ArbeiterInnen davon zu überzeugen, dass sie stillhalten sollen. Zum Schluss zogen sie alle Forderungen zurück. Wir von der ZSP denken, dass solche Gewerkschaften auf den Friedhof gehören.
Das Unternehmen wurden zum einen wegen der schlechten Arbeitsverhältnisse und zum anderen wegen des massiven union-bustings für den zweiten Platz unseres Wettbewerbes nominiert. OBI drohte uns mit keiner Klage, wahrscheinlich weil sie sich vorstellen können, dass die ganzen entlassenen GewerkschafterInnen ziemlich sauer sind.
Zu den weiteren Arbeitgebern, die in die engere Auswahl kamen, gehörten drei Fabriken, ein Nachtclub und ein Krankenhaus. Unter den geschilderten Problemen fanden sich Sprechverbote für die ArbeiterInnen, Entlassungen für ungenehmigte Toilettenbesuche, Entlassungen wegen sozialer Beziehungen unter den ArbeiterInnen, Arbeit bei 40° Celsius ohne Lüftung, Unternehmen die Sicherheitsvorschriften ignorieren, unterlassene Hilfeleistung bei Unfällen, illegale Arbeitsverträge (in einer Fabrik hatten nur 10 von 100 Arbeitern einen regulären Arbeitsvertrag), stundenlange Arbeit ohne Pausen, Schichtarbeit ohne die entsprechenden Ruhepausen zwischen den verschiedenen Schichten, Unterschreitungen des Mindestgehalts, Falschabrechnung bei Kunden ohne dass die ArbeiterInnen von dem Geld etwas sehen, Mobbing und Entlassungen von geschützten Gewerkschaftsmitgliedern.
Die ZSP verteilt Informationen und hängt Poster über dieser Probleme an Arbeitsplätzen auf, um die Menschen wegen ihrer Arbeitsrechte zu informieren und sie zum Kampf und zur Organisation zu ermutigen.
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