Ein Antidepressivum von der Größe der Sonne
Vor einigen Jahrzehnten schrieb ein lateinamerikanischer Dichter, dass es eine Aspirin von der Größe des Mondes brauchen würde, um alle durch den Kapitalismus verusachten Schmerzen zu lindern. Liest man den jüngsten Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK), könnte man guten Gewissens behaupten, dass die Arbeitshetze nur mit einem Antidepressivum von der Größe der Sonne noch auszuhalten ist. Das Volumen der verordneten Glücklichmacher hat sich laut TK in den letzten zehn Jahren glattweg verdoppelt. Und dafür macht der Vorsitzende der Krankenkasse die Veränderungen in der Arbeitswelt mit verantwortlich.
Der TK-Vorsitzende Norbert Klusen macht die steigende Zahl der befristeten Arbeitsverhältnisse, den veränderten Rhythmus der Arbeit und den erhöhten Druck durch den Einsatz neuer Kommunikationsmittel als eine Ursache für den drastischen Anstieg des Konsums von Psychopharmaka aus. Oder anders ausgedrückt: Vielerorts lässt sich die Lohnarbeit nur noch unter Drogen ertragen. Doch nicht nur diejenigen, die in den zweifelhaften Genuss kommen, unter immer unmenschlicheren Bedingungen ausgebeutet zu werden, greifen immer häufiger zu den bunten Pillen. Noch höher ist die Verschreiberate unter den Arbeitslosen. Zum Ergebnis des Gutachtens der TK passt, dass auch das statistische Bundesamt eine Erhöhung der Ausgaben für psychische Erkrankungen um 5,3 Mrd. Euro auf 28,7 Mrd. Euro im Zeitraum von 2002 bis 2008 ermittelt hat.
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