Persönliche Assistenz ist ein soziales Recht und kein Wirtschaftsfaktor!
Stellungnahme der Betriebsgruppe bei "ambulante dienste e.V." der FAU Berlin
Irgendwann im November stehen in Berlin wieder die Verhandlungen über die Finanzierung der persönlichen Assistenz an. Bei diesen Verhandlungen geht es um nichts geringeres als das Budget, das unter anderem auch die ambulanten dienste e.V. in den nächsten Jahren zur Verfügung haben werden und damit auch um unsere Gehälter. Allerdings ist uns weder der Zeitpunkt bekannt, noch, wer das Budget genau aushandeln wird.
Schon bei den letzten Verhandlungen hatte die Geschäftsführung der ambulanten dienste nicht wirklich verhandelt, stattdessen wurde sich mit verschiedenen anderen Trägern zusammengetan, von denen dann ein Vertreter nebenbei für ad mit verhandelte. Um die Assistenz bloß nicht zu teuer erscheinen zu lassen, wurde nicht offensiv agiert, sondern lieber der Kopf in den Sand gesteckt und versucht, mit dem Geld das man bekam irgendwie aus zukommen.
Die Konsequenzen davon sind bekannt. Der Betrieb hat finanzielle Schwierigkeiten, welche durch drastische Lohnkürzungen für alle ab Januar 2008 neu eingestellten AssistentInnen auf die unterste Ebene bei den ambulanten diensten abgewälzt wurde. Die Löhne werden seit Jahren nicht an die Inflation
angepasst, es gibt nur noch befristete Verträge und der Arbeitsdruck wird erhöht. Unsere harte und anspruchsvolle Arbeit wird immer schlechter vergütet, funktionieren sollen die AssistentInnen aber trotzdem wie bisher. Die Konsequenzen dieser Politik spüren aber auch die AssistenznehmerInnen. Die dramatische Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durch Dumpinglöhne, erhöhten Arbeitsdruck, befristete Verträge, gestrichene Gehaltszuschläge haben dazu geführt, dass viele AssistentInnen sich nach anderen Jobs umsehen und der Assistenz möglichst schnell wieder den Rücken kehren. Diese Fluktuation schadet der Qualität der Assistenz, in der eine Kontinuität in eingespielten Teams nötig ist, damit die Arbeit möglichst reibungslos von statten gehen kann. Zudem wird es immer schwieriger, überhaupt noch
Leute zu finden, die zu den momentanen Bedingungen arbeiten, was sich wiederum in erhöhter Arbeitsbelastung und Dienstplanlücken ausdrückt.
Während der Protesten gegen die Lohnkürzungen im Sommer 2008 verwiesen die Geschäftsführerin Uta Wehde und die AssistenznehmerInnen-Vertretung stets darauf, dass sie ja gerne höhere Löhne zahlen würden, dass aber das Geld nicht reichen würde und der Betrieb sein Überleben garantieren müsse, damit die persönliche Assistenz weiter geleistet werden kann. Dieses Jahr gibt es nun die Gelegenheit, über das Budget für die nächsten Jahre zu verhandeln und mehr heraus zu holen, wie beim letzten Mal. Genaues wird uns vonseiten der Geschäftsführung aber nicht mitgeteilt. Die Erfahrungen der letzten Jahre lassen nichts gutes erahnen. In Anbetracht der finanziellen Lage des Landes Berlin ist davon auszugehen, dass vonseiten der Stadt keine Geschenke angeboten werden, und wenn die Geschäftsführung
ihre Strategie nicht überraschend ändert, dürften in gar nicht so ferner Zukunft wieder Lohnkürzungen zu erwarten sein. Doch noch sind die Verhandlungen nicht gelaufen und noch können wir eingreifen und die Geschäftsführung zu Verhandlungen drängen, die den Namen auch verdienen. Ansonsten, werden wir wieder diejenigen sein, die mit Lohnkürzungen für die defensive Strategie der Geschäftsführung bezahlen.
Die Geschäftsführung versucht mit ihrem Versteckspiel, die persönliche Assistenz nicht unwirtschaftlich erscheinen zu lassen, um ihren Weiterbestand zu gewährleisten und zu verhindern, dass die AssistenznehmerInnen aus Kostengründen von der Politik wieder in die Heime gezwungen werden. Wenn diese Richtung beibehalten wird, werden sich die Löhne und Arbeitsbedingungen immer weiter verschlechtern, und ihre Konsequenzen so auf die AssistentInnen abgewälzt. Stattdessen muss klar gesagt werden: Persönliche Assistenz ist ein soziales Recht und kein Wirtschaftsfaktor!
Es wäre bitter nötig, die gesellschaftliche Relevanz der persönlichen Assistenz zu betonen und eine angemessene finanzielle Basis dafür zu fordern. Assistenz muss geleistet werden, um ein selbstbestimmtes Leben und möglichst große Teilhabe zu gewährleisten, und das muss offensiv
kommuniziert und eingefordert werden! Assistenz kann und darf es nicht zum Null- oder Dumpingtarif geben. Die nötigen Mittel muss eine Gesellschaft bereit stellen. Es ist fatal, wenn sogar die Geschäftsführung eines Assistenzdienstes die Assistenz abwertet, indem sie sie nur als
Kostenfaktor wahrnimmt und nicht als gesellschaftliche Verpflichtung, die selbstverständlich finanziert werden muss. Die Mittel zur Finanzierung der Assistenz müssen bereit gestellt werden, und diejenigen, die diese Mittel verhandeln müssen sich dafür offensiv einsetzen und nicht in einen Wettbewerb der Kostensenkung treten, der eine weitere Abwertung unserer Arbeit zur Folge hat.
Den nur innerhalb der Logik der Wirtschaftlichkeit, kann der Widerspruch zwischen den Interessen von AssistentInnen und AssistenznehmerInnen entstehen und nur dort können beide Gruppen - zum beiderseitigen Nachteil - gegeneinander ausgespielt werden. Ein gemeinsamer Einsatz für das Recht auf Assistenz und für eine bessere Finanzierung derselbigen kann ein Ausweg aus diesem Dilemma auf zeigen. Anstatt die Spaltung noch zu befördern und die AssistentInnen in noch prekärere Arbeitsbedingungen zu drängen, sollten wir zusammen für eine faire Bezahlung unter der Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten kämpfen. Die zunehmende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen in der Assistenz dürfte sonst auch zur Folge haben, dass immer weniger Leute diese Tätigkeit überhaupt ausüben wollen, die Fluktuation rapide ansteigt und die Qualität der Assistenz weiter sinkt. Diese Entwicklung ist schon jetzt erkennbar.
Wir rufen hiermit alle an der Assistenz beteiligten auf, AssistentInnen ebenso wie AssistenznehmerInnen, mit uns Druck auf die Geschäftsführung der ambulanten dienste e.V. und die zuständige Senatsverwaltung aufzubauen, damit die Assistenz weiter gewährleistet und fair vergütet wird.
Lassen wir uns nicht gegeneinander ausspielen!
Lasst uns zusammen weitere Kürzungen verhindern!
Betriebsgruppe "ambulante dienste" der FAU Berlin