DGB-Tarifgemeinschaft zementiert Tarifmisere in der Leiharbeit
Ausgerechnet am Vorabend des 1. Mai 2010 hat die DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit nach Presseberichten einen neuen Tarifvertrag mit dem Arbeitgeberverband iGZ unterzeichnet. Dieser 30. April ist damit leider ein weiterer Schlag ins Gesicht der LeiharbeiterInnen, denn mit diesem Tarifvertrag hat die DGB-Tarifgemeinschaft das gesetzlich vorgeschriebene Equal Pay erneut und ohne Not unterlaufen und stattdessen lediglich eine moderate Erhöhung des eigenen ausgelaufenen Dumping-Tarifvertrages verhandelt.
Die Befriedigung über das Ergebnis der Tarifverhandlungen strömt aus jeder Zeile der vom Leiharbeitgeber-Verband iGZ herausgegebenen Presseerklärung zum Vertragsabschluß. Den Flexibilitätsinteressen der Unternehmen und den Belangen der Zeitarbeitskräfte nach einer fairen Vergütung sei Rechnung getragen worden.
Equal Junk statt Equal Pay
Erinnern wir uns: Seit dem 1. Januar 2004 gilt für LeiharbeiterInnen ein gesetztliches Equal Pay. Das bedeutet, LeiharbeiterInnen müssen für gleiche Arbeit ebenso entlohnt werden, wie die KollegInnen der Stammbelegschaften. Es sei denn - so sieht es das Gesetz vor - eine Gewerkschaft verhandelt einen Tarifvertrag, der eine schlechtere Entlohnung vorsieht. Oder anders ausgedrückt: Es sei denn eine Gewerkschaft verhandelt Lohndumping. Das haben sowohl gelbe christliche Gewerkschaften als auch die DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit unter Federführung von ver.di und IG Metall sofort getan und damit das gesetzliche Equal Pay ausgehebelt. Der Vertrag zwischen iGZ und DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit war zwischenzeitlich ausgelaufen. Die Tariffähigkeit der christlichen Tarifgemeinschaft steht in Zweifel. Hätte der DGB keinen neuen Vertrag abgeschlossen, hätte eine realistische Aussicht auf Equal Pay für die Branche bestanden. Diese Tür ist nun für Jahre zugeschlagen worden.
Einige Details des Tarifvertrages
Bislang wurde der Tarifvertrag noch nicht veröffentlicht. Nach den bislang durchgesickerten Details, soll der Ecklohn der Entgeltgruppe 1 im Westen von derzeit EUR 7,51 auf EUR 8,19 steigen. Und auch das nicht auf einmal, sondern in vier Schritten in den nächsten Jahren. Noch schlimmer im Osten. Statt einer Anhebung der Tarife auf das Westniveau, wird die Ungleichheit weiter zementiert. Auch hier sollen die Löhne in vier Schritten steigen und zwar von derzeit EUR 6,50 auf EUR 7,50 in den Folgejahren.
Der Tarifvertrag tritt zum 1. Juli 2010 in Kraft und hat eine Laufzeit von sage und schreibe dreieinviertel Jahren! Mit anderen Worten: In einer Situation, in der damit zu rechnen ist, dass sich der Staat die gigantischen Summen, die er für eine vorläufige Rettung der Banken und des gesamten Systems hinausgeschleudert hat, von den ArbeiterInnen wiederholen wird, bindet sich die DGB-Tarifgemeinschaft über Jahre an einen Tarifvertrag, den sie bis 2013 nicht neu verhandeln kann. Dabei steigt die Inflation bereits und es ist abzusehen, dass eine inflationäre Geldentwertung, verbunden mit massiven Steuer- und Abgabenerhöhungen die Reallöhne in den nächsten Jahren weiter deutlich absinken lassen werden.
Zusätzlich verständigten sich iGZ und DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit offensichtlich auf einen Branchen-Mindestlohntarifvertrag, der nach Aufnahme in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz von der Bundesministerin für Arbeit und Soziales Ursula von der Leyen für allgemeinverbindlich erklärt werden soll. Über die darin vorgesehen Lohnhöhe gibt es noch keine Aussagen. Die DGB-Gewerkschaften haben nach eigenen Aussagen nur wenige Mitglieder in der Leiharbeit und mangels aktiver Basis damit auch kaum Durchsetzungsfähigkeit. Eine Allgemeingültigkeits-Verfügung würde dazu führen, dass eine Gewerkschaft nahezu ohne Basis ihren Tarifvertrag den ArbeiterInnen einer ganzen Branche aufzwängen kann und diese damit von den für sie vorteilhafteren gesetzlichen Bedingungen abschneidet.
Statt Kosmetik am tariflichen Armutsniveau Leiharbeit abschaffen!
Man kann nur darüber spekulieren, warum die DGB-Tarifgemeinschaft lieber ein wenig an der selbstverschuldeten Misere herumbastelt, anstelle den Beschäftigten der Leihbranche die Tür zum Equal Pay aufzuhalten, indem sie keinen weiteren Tarifvertrag abschließt. Letztlich drängt sich zwangsläufig der Eindruck auf, dass die Beschäftigten eines ganzen Sektors dafür geopfert werden, den Fuß in die Tür eines Bereiches zu bekommen, indem man eigentlich kaum vertreten ist.
Die Leiharbeit könnte abgeschafft werden. Im Falle von Equal Pay wären die Sklavenhändler ihrer Geschäftsgrundlage beraubt. Durch den neuen Tarifvertrag trägt die DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit aber genau zum Gegenteil bei. Nach der Gesetzesänderung von 2004 und den Gefälligkeits-Tarifverträgen durch die Christen und die DGB-Tarifgemeinschaft hat sich der Zeitarbeits-Sektor enorm ausgeweitet. Bei den ersten Krisenanzeichen wurden zwar viele LeiharbeiterInnen vor die Tür gesetzt, mittlerweile haben die Unternehmen allerdings erkannt, wie einfach das war und beginnen in verstärktem Umfang Stammbelegschaften gegen LeiharbeiterInnen auszutauschen. Statt den Krisengewinnlern das Handwerk zu legen, wird der neue Tarifvertrag dazu beitragen, noch mehr ArbeiterInnen in miserable Arbeits- und Lohnbedindungen zu zwingen. Kein Wunder, dass die iGZ ihre Freude nur schwer verhehlen kann!
Ein übles Geschenk ist es, das die DGB-Tarifgemeinschaft den Beschäftigten zum 1. Mai 2010 gemacht hat. Vor dem Hintergrund dieses Tarifvertrages, dürften sich zwei Forderungen aus dem zentralen DGB-Motto zum diesjährigen 1. Mai erklären. Dieses lautet: Wir gehen vor. Gute Arbeit. Gerechte Löhne. Starker Sozialstaat. Den starken Sozialstaat wird es in der Tat brauchen, um über ergänzendes Hartz IV ein Einkommen zu erzielen, mit dem es sich angesichts dieser Tariflöhne leben lässt. Und Wir gehen vor dürfte sich wohl auf die Gewerkschaftsbürokratie selbst beziehen, die mit diesem Tarifabschluss ihren Willen bewiesen hat, zur eigenen Jobsicherung beizutragen und dafür die ArbeiterInnen der Branche zu verkaufen. Gründe genug, sich künftig in noch stärkerem Maße auf Initiativen zu konzentrieren, die den Sklavenhändlern in die Suppe spucken, wie z.B. leiharbeit-abschaffen.de.
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