Hauptseminar Streik

Gewerkschaftspolitik als Studienfach

Der Studiengang „Labour Policies and Globalisation" („Arbeitspolitik und Globalisierung") startet seinen zweiten Durchgang. Der relativ junge und nach eigener Selbstdarstellung weltweit bisher „einzigartige Aufbaustudiengang" (Selbstdarstellung) wird in Kooperation von der Universität Kassel und der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin angeboten. Im ersten Durchgang partizipierten 25 Studierende an diesem auf erst einmal drei Jahre angelegten Pilotprojekt.

In zwei Semestern werden die Studierenden, die vorher ein sozialwissenschaftliches Studium absolviert haben, in die Geheimnisse der internationalen, sozialdemokratischen Gewerkschaftspolitik eingeweiht. Der Studiengang zielt nach eigener Selbstdarstellung darauf ab, Gewerkschaftsmitglieder aus den sog. Entwicklungsländern für den Dialog mit den internationalen Finanzorganisationen und mit anderen Akteuren, die für die soziale Dimension der Globalisierung [sic!] wichtig sind - wie die Welthandelsorganisation und multinationale Unternehmen - zu qualifizieren. Diesem Anspruch entsprechend sind Exkursionen und Gespräche mit Vertretern der internationalen Finanzwelt (z.B. Europäische Zentral Bank) und der Gewerkschaftsführung fester Bestandteil des Studiums. Das Gespräch mit der gewerkschaftlichen Basis wird dagegen ausgeklammert.
Das Studium ist durchgehend in englischer Sprache und weist einen hohen Anteil von Studierenden aus dem nicht-deutschsprachigen Ausland auf - vor allem aus Entwicklungs- und Transformationsländern. Als Adressaten dieses Studienganges benennt die Selbstdarstellung diese vorrangig: „students who have experiences with Labour and social movements, and who are willing to assist organisations in these fields to engage more effectively in social dialogue, public debate, and policy implementation." Im Klartext geht es um die Heranzüchtung neuerer Funktionäre für höhere Gewerkschaftsebenen, die durch eine zart-sozialdemokratische Uniausbildung laufen und anschließend als Kontaktpersonen für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zur Verfügung stehen.
Aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten fürs Studium in Deutschland ist dieser Studiengang nur einer privilegierten Minderheit von Studierenden aus den sog. Entwicklungsländern überhaupt möglich. Die erste Hürde ist die sprachliche Barriere und der vorzuweisende Studienabschluß. Wer diese Hürden genommen hat, kann vielleicht auf ein Stipendium einer sozialdemokratisch ausgerichteten Stiftung hoffen, was wiederum an gewisse Bedingungen - nicht zuletzt der parteipolitischen Ausrichtung der StipendiatInnen - geknüpft ist. Im ersten Durchgang wurden alleine von der DGB-nahen BöcklerStiftung 9 der 25 Studierenden - darunter 4 Studierende aus Deutschland - mit einem Stipendium unterstützt.
Inwieweit eine solche privilegierte Minderheit sich mit den Interessen und Kämpfen der gewerkschaftlich-organisierten ArbeiterInnen identifizieren kann und wird, ist die eine Frage einer systemimmanenten Analyse des Studienganges. Eine andere Frage lautet, inwieweit sich die erworbenen Kenntnisse, die sich an einem westeuropäischen Wertesystem und Erfahrungshorizont orientieren, überhaupt auf die entsprechenden Länder übertragen lassen.
Finanzielle und ideelle Unterstützung erhält dieser Studiengang bereits von der International Labor Organisation (ILO), der SPDangehörenden Friedrich-Ebert-Stiftung und der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung sowie vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit. Diese Akteure stellen zum großen Teil die ReferentInnen und bestimmmen indirekt damit auch die Ausrichtung dieses Studienganges, der auf Initiative der ILO hin eingerichtet wurde und von der Sozialdemokratie wohlwollend als fortschrittlicher und entwicklungspolitisch sinnvoller Beitrag für die Stärkung von ArbeitnehmerInnenrecht der Öffentlichkeit verkauft wird.
Selbst wenn davon ausgegangen wird, daß die AbsolventInnen sich aktiv in der Gewerkschaftspolitik ihrer jeweiligen Herkunftsländer einbringen, taucht die Frage auf, ob es sich um einen positiven Einfluß handelt. Der DGB hat sich in den vergangenen Jahren durch ein kompromißlerisches, wenig kämpferisches Verhalten für die Rechte und Interessen der ArbeitnehmerInnen ausgezeichnet. Er ist somit eher ein Negativbeispiel für ein kämpferisches Gewerkschaftsmodell als ein positives Vorbild für den Aufbau von Gewerkschaften. Dem entspricht auch sein hierarchischer, sich von der Basis abgewandter Aufbau. Eine Transformation jenes Modells auf die Situation in Entwicklungs- und Schwellenländern erscheint daher vorrangig für die Wirtschaft von Interesse zu sein. Eine auf (Klassen-)Kompromiß eingeschworene Gewerkschaftsführung wird nur mit wenig Druck versuchen, die Rechte der ArbeitnehmerInnen durchzusetzen, während sie gleichzeitig eine Alibifunktion für die herrschenden Interessen einnimmt. Eine wenig kämpferische, im negativen Falle gar Arbeitskämpfe verhindernde Gewerkschaft vermittelt nach außen das Bild einer offenen, partizipatorischen Staatsform, der offiziellen Voraussetzung für die Gewährung von Krediten und Entwicklungshilfe. Gleichzeitig wird mit der Unterstützung des Aufbaus einer solchen Form von Gewerkschaften alternativen, basisorientierten, selbstorganisierten Initiativen das Wasser abgegraben. Zu hoffen bleibt daher, daß sich die globalisierungs-kritische Bewegung nicht von dieser sozialdemokratischen Augenwischerei täuschen und vor einen sozialdemokratischen Karren spannen

CR