Lustig ist das Studentenleben?

Eine häufige Kritik an den Hochschulstreiks meint, die streikenden StudentInnen würden sich nur um ihre eigenen schnöden Hochschulinteressen kümmern und sie wollten Elite sein. Eine Verschlechterung der Studienbedingungen zum Anlass zu nehmen zu streiken, ist ja erst mal nicht zu kritisieren. Hier unterscheiden sich die StudentInnen nicht von den Leverkusener Busfahrern, die ja auch nicht gegen die Kürzung des Arbeitslosengeldes streiken.

... ein Kommentar aus der aktuellen Wildcat darüber, was in den jüngsten Studi-Protesten - zu Unrecht - unbeachtet blieb.

Eine häufige Kritik an den Hochschulstreiks meint, die streikenden StudentInnen würden sich nur um ihre eigenen schnöden Hochschulinteressen kümmern und sie wollten Elite sein. Eine Verschlechterung der Studienbedingungen zum Anlass zu nehmen zu streiken, ist ja erst mal nicht zu kritisieren. Hier unterscheiden sich die StudentInnen nicht von den Leverkusener Busfahrern, die ja auch nicht gegen die Kürzung des Arbeitslosengeldes streiken.

Der Vorwurf des elitären geht völlig an der Realität vieler StudentInnen und derjenigen, die nach dem Studium arbeiten, vorbei. Für die meisten ist das Studium eine Berufsausbildung, von der sie sich einen besseren Job versprechen. Aber gerade für Hochschulabgänger haben sich die Berufsaussichten verschlechtert. Wie viele schlagen sich als Selbstständige in prekären Arbeitsverhältnissen mehr schlecht als recht durchs Leben – z.B. mit Honorarverträgen im sozialen Bereich oder hangeln sich als selbstständige KulturarbeiterIn von Auftrag zu Auftrag? Die Ingenieure bei uns im Betrieb verdienen zwar mehr als Facharbeiter, sie sind aber weit davon entfernt, Elite zu sein. Viele StudentInnen haben sich nicht aktiv am Streik beteiligt, weil sie es sich finanziell nicht leisten konnten – ein Problem, das auch viele der Streikenden hatten. In der Uni Lüneburg wurde der Streik u.a. deswegen abgebrochen, als er gerade effektiv wurde. Studenten, die sich an der Streikbewegung 1999 beteiligt hatten, waren diesmal nicht dabei, weil sie arbeiten mussten.


Eine Schwäche der Streikbewegung war es, diese Seite studentischer Existenz nicht thematisiert zu haben. Das hätte eine Auseinandersetzung mit prekären Arbeitsverhältnissen bedeutet. Ohne studentische Minijobs würde z.B. hier in Lüneburg die Kneipen- und Bioladenwirtschaft zusammenbrechen. Hier wären Begegnungen mit anderen ArbeiterInnen in prekären Arbeitsverhältnissen möglich gewesen. Die Verschärfungen der Hochschulreform wirken sich auf arbeitende StudentInnen noch extremer aus, weil sie weniger Zeit zum Studium haben.


Man kann sagen, die StudentInnen haben sich zu schnell auf die Parolen der (alt!) linken Geisteswissenschaftler und studentischen Politiker eingelassen, die die »Freiheit der Wissenschaften« und »gesellschaftliche Verantwortung der Intelligenz« in den Mittelpunkt stellten. Auch für die linken Hochschulpolitiker hat »soziale Bewegung« mehr mit Gewerkschaften oder Attac zu tun als mit realen Lebensverhältnissen. In Lüneburg galt es als Erfolg, dass der DGB zu einer Demo gegen Sozialabbau und Hochschulreform aufrief – allerdings nicht in den Betrieben.


Die Proteste der StudentInnen gehen auf Sparflamme weiter. Wenn die konkreten Lebensverhältnisse aber weiterhin ausgeklammert bleiben, werden sie zu einer Sache von Politikern auf beiden Seiten – nichts mit sozialer Bewegung.




Bereits in der Frühjahrsausgabe betrachtete Wildcat die jüngsten StudentInnenproteste.