Der Angriff der Politik auf die falschen Kinder
Vor einigen Wochen wurde bekannt, dass die Bundesregierung das Elterngeld für die BezieherInnen von Hartz-IV ersatzlos streichen will. Jetzt sickerte durch, dass auch ArbeiterInnen, die für einen Lohn schuften müssen, der nicht zum Leben reicht und die deshalb ergänzendes Hartz-IV beantragt haben, weniger Elterngeld erhalten sollen. Ebenso soll es nach dem Willen der Bundesregierung den sog. "MinijobberInnen" gehen. Begründet wird das mit der Sanierung des Bundeshaushaltes. Doch ein Artikel in der «Süddeutschen Zeitung» legt nahe, dass es der Regierung noch um etwas ganz anderes geht. Ihre Maßnahmen scheinen darauf zu zielen, den Nachwuchs der "gefährlichen Klassen" einzuschränken.
Insgesamt rund 600 Millionen Euro jährlich will der Bund mit der Streichung bzw. der Kürzung des Elterngeldes einsparen. Drei Viertel davon sollen die "armen Klassen" tragen. Lediglich ein Viertel der Einsparungen würde durch Kürzungen bei BezieherInnen von Elterngeld erzeugt, die zuvor ein ansatzweise reguläres Einkommen hatten. Dort soll von 67 auf 65 Prozent des letzten Nettoeinkommens gekürzt werden.
Doch wer nur über diese ungleiche Lastenverteilung spräche, würde die sozial- und gesellschaftspolitische Dimension der Sparmaßnahme übersehen. Dem Bericht der «Süddeutschen Zeitung» zufolge, wird die Streichung aus dem Referentenentwurf von Familienministerin Kristina Schröder damit begründet, dass es für erwerbsfähige Hartz-IV- Bezieher stärkere Anreize geben müsse, eine Arbeit aufzunehmen. Mit anderen Worten, das faule Gelumpe soll keine Kinder bekommen, sondern stattdessen in mies bezahlte Jobs beim Sklavenhändler oder als MinijobberIn gedrängt werden. Wo sie dann nach dem Entwurf ebenfalls keinen Anspruch auf Kindergeld hätten.
Natürlich weiß auch die Politik, dass es für die meisten Armen noch nicht einmal zu Hungerlöhnen irgendwelche neuen Jobs gäbe. Aber darum geht es auch gar nicht. Die vorgesehenen Streichungen sind die in politische Entscheidungen gegossenen Konsequenzen einer widerwärtigen politischen Debatte, die im Winter von einigen sozialeugenischen "Philosophen" und ihrem politischen Anhang vom Zaun gebrochen wurde. Demnach wäre das Problem in der BRD nicht, dass zu wenige Kinder geboren würden, sondern dass die "falschen Leute" diese Kinder bekommen würden. Anstelle dass die intellektuelle Elite des Landes und die "Leistungsträger" den Nachwuchs bekämen, seien es die Armen, die Kinder wie Karnickel würfen. Für diese Brut sei dann schon vorprogrammiert, dass sie ihr Leben vermutlich ebenfalls als EmpfängerInnen von Sozialtransfers fristen würden.
Diese Debatte ist nicht neu. Sie ist die weitgehende Wiederholung einer bürgerlichen "Sozial"-Lehre aus der zweiten Häfte des 19. Jahrhunderts und den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Auch damals machte sich die Bourgeoisie Sorgen darum, dass die "gefährlichen Klassen" zuviel Nachwuchs in die Welt setzen und dass daraus etwas entsteht, das sich nicht mehr ausbeuten und kontrollieren lässt. Ganz ähnlich sind die Überlegungen mit denen u.a. Sloterdijk, Heinsohn und Sarrazin im Winter und Frühjahr forderten, dass dem Pöbel die Lust auf den Nachwuchs ausgetrieben werden soll. Den gleichen Geist atmet der Referentenentwurf des Familienministeriums. Da sage noch einmal jemand, "Philosophen" hätten keinen Einfluss auf die Gesellschaft.