Tschechien: Enorme Aufmerksamkeit für wilde Streiks bei Hyundai und Dymos

Rund 20 Arbeiter verließen am Dienstag, den 1. Dezember 2009 während ihrer Schicht die Schweißerei im Hyundai Motor Manufacturing Czech (HMMC) Werk in Nošovice bei Frýdek-Místek (Tschechische Republik). Am nächsten Tag gab es in der Montagehalle des gleichen Betriebes einen einstündigen wilden Streik. Am 3. Dezember organisierten Arbeiter bei Dymos, einem Subunternehmer von Hyundai ebenfalls eine einstündige Arbeitsniederlegung. Am 7. Dezember erklärte die Gewerkschaft bei Hyundai einen „Streiknotstand“ (Eine symbolische Maßnahme im Vorfeld eines Streiks, um das Management zu warnen, dass ein richtiger Streik ausgerufen wird, wenn es nicht zu Verhandlungen kommt ). Die «Priama Akcia» (slowakische Sektion der IAA) berichtete erstmals am 3. Dezember auf ihrer Website über diese Streiks. Der nachfolgende Artikel versucht zusammenzufassen, was tatsächlich geschehen ist, welche positiven und negativen Ergebnisse bislang absehbar sind und wie andere ArbeiterInnen helfen können.

„Gestern kam meine Frau nach Hause, schloss sich in einem Zimmer ein und weinte. Als ich nach ihr schaute und fragte, was passiert sei, erzählte sie mir Stückchen für Stückchen, was dort vor sich geht und was sie auszuhalten haben. Sie hatte das sieben Monate lang heldenhaft in sich hineingefressen; ich kann nicht verstehen, wie so etwas in unserem Land möglich ist. Wenn ich die Stellungnahmen von Petr Vaňek (dem Sprecher von HMMC) lese, fühle ich mich als müsse ich gleich kotzen. Schikane, Demütigungen, Drohungen, das ist es, worauf die Herren Rakovský und Vaňek hinarbeiten.“ (Kommentar eines Lesers auf der Website der Zeitung sedmicka.cz

Wilder Streik bei Hyundai am 2. Dezember

Rund 400 Arbeiter erhoben sich gegen die zwangsweisen Überstunden, willkürliche Zuschläge und Schikanen während der Arbeit. Vorausgegangen waren seit den Morgenstunden Diskussionen unter den Arbeitern, die Produktion anzuhalten. Als die Überstunden der Schicht beginnen sollten, wurde eines der Bänder in der Halle angehalten und wenige Minuten schlossen sich die anderen an. Die Arbeiter versammelten sich in der Werkskantine. Das Management forderte sie auf, einen Vertreter zu bestimmen, der für sie verhandeln sollte, was die Arbeiter ablehnten. Sie forderten stattdessen, dass das Management zu ihnen kommen solle und vor allen sprechen solle. Jemand aus dem koreanischen Management kam zusammen mit dem Schichtleiter um sich die Forderungen der Arbeiter anzuhören. Nach einstündigen Verhandlungen stimmten die Belegschaft zu, die Schicht fortzusetzen und an den Folgetagen weiter zu verhandeln. Es wurde versprochen, dass die Überstunden am Donnerstag gestrichen würden und die Stunde, die sie gestreikt hatten, bezahlt würde.

Wilder Streik bei Dymos am 3. Dezember und die Reaktionen des Managements

Am Mittwoch, den 3. Dezember gab es auch einen rund einstündigen wilden Streik einer Schicht von ca. 100 Arbeitern bei Dymos in Nošovice (siehe Foto), einem Subkontraktor von Hyundai mit ebenfalls koreanischem Management. Zu den Gründen gehörten die Überstunden, Überanstrengung und miese Arbeitsbedingungen. Das Hyundai-Management verhält sich bislang defensiv und versucht die Sache in den Massenmedien herunterzuspielen. Das Management von Dymos hingegen reagierte sehr schnell. Laut einer im Netz erschienenen Mitteilung, teilte das Management am 4. Dezember der Frühschicht, die am Tag zuvor gestreikt hatte, mit, dass die Arbeiter alle Zulagen verlieren würden und dass es ein Einfrieren der Löhne geben würde.

„Streiknotstand“ seit dem 7. Dezember – Die Gewerkschaften versuchen die Kontrolle über die weitere Entwicklung zu übernehmen

Der Streik bei Hyundai wurde ohne offizielle Einbeziehung der Gewerkschaft (und des Betriebsrates) organisiert, so dass die Gewerkschaft keiner illegalen Aktion beschuldigt werden konnte. Im Diskussionsforum der Arbeiter im Netz gab es einige Beiträge, die zum schnellen Eintritt in die Gewerkschaft aufriefen, um mehr Stärke zu erreichen. Die Gewerkschaft hat am Montag, den 7. Dezember, den „Streiknotstand“ ausgerufen.

Eine mögliche Lösung wurde von einem Gewerkschaftsvertreter im Mitgliederforum der Gewerkschaft skizziert. Er schreibt, dass die Beschäftigten, die sich am Streik beteiligen würden, nicht bestraft würden und drängt, jetzt müssten sich „...alle Beschäftigten von Aktionen ähnlich denen am Mittwoch distanzieren!!! Ihr könnt nur hinterher streiken, falls es keine Übereinkunft und keinen Kompromiss mit dem Management geben sollte!!! Nicht eher!!! Das wäre illegal und die Verhandlungen würden scheitern!!! Und noch eine technische Info: es gibt 500 Kronen (ca. EUR 19,- ) in bar anstelle einer Weihnachspackung Schokolade für alle Gewerkschaftsmitglieder, die ihre November-Beiträge bezahlt haben!! :-)“

Bisherige positive Ergebnisse

1.) Die Selbstorganisierung der Aktion. Die Mobilisierung der Arbeiter und ihre eigenständige Aktion könnten anderen ArbeiterInnen, nicht nur in Tschechien, Mut machen.

2.) Die Informationskanäle. Die Arbeiter hatten lange bevor sie streikten ein öffentliches Online-Forum eingerichtet. Dieses Forum wurde zusammen mit Kommentaren auf Websites der Medien ein Platz, wo sie Informationen austauschen und der Öffentlichkeit ihre Situation und die aktuellen Ereignisse erklären. Wir glauben, dass die Arbeiter dadurch einen riesigen Schritt nach vorne gemacht haben und dass es ihnen gelungen ist, jedem der Zugang zum Netz hat und die Artikel verfolgt, ihre Situation zu erklären.

3.) Die Unterstützung aus anderen Betrieben. Viele Online-Postings von ArbeiterInnen anderer Betriebe, unterstützt die Streikenden. Sie tauschen ihre eigenen Erfahrungen mit schlechten Arbeitsbedingungen, unbezahlten Überstunden, Überstunden, die aus den elektronischen Zeitabrechnungen verschwunden sind usw. aus.

4.) Die Unterstützung von außerhalb und Beispiele anderer Aktionen. Es wurden auch Streiks in anderen Ländern erwähnt (Frankreich, Korea...). Und es gibt Solidaritätserklärungen von Arbeitern aus dem Ausland, z.B. aus der Slowakei, Polen, Frankreich im dem Diskussionsforum der Arbeiter.

5.)Die Berichterstattung in den Medien. Die Massenmedien informierten mehr oder weniger neutral über das Problem. Jedenfalls gab es keine Artikel, die sich direkt gegen die Arbeiter gerichtet hätten. Hunderte von LeserInnen nutzten die Gelegenheit, auf den Websites der Medien zu diskutieren.

Diese Liste kann man vielleicht noch ergänzen, aber es ist noch zu früh für eine Bewertung des ganzen Konflikts.

Einige Überlegungen zu zukünftigen Entwicklungen

Hyundai. Der „Streiknotstand“ bedeutet, dass die Gewerkschaft die Kontrolle über die Aktionen übernehmen wird. Niemand weiß, was dieser Schritt bringen wird. Die Verhandlungen über einen neuen Tarifvertrag werden im Januar 2010 beginnen und die Gewerkschaften werden den kämpferischen Geist unter den Arbeiter ausnutzen wollen. Die Erfahrung tschechischer Skoda-Arbeiter in einem ähnlichen Fall im Jahr 2007, ist allerdings nicht sehr positiv (siehe hier). Wenn die Gewerkschaft mit ihrem Versuch Erfolg hat, die Arbeiter zu überzeugen, keine unabhängigen Aktionen durchzuführen, wird die Kontrolle der Gewerkschaft über ein Abkommen gestärkt.

Die Gewerkschaft bei Hyundai vertritt ca. 350 von 2000 ArbeiterInnen und nach Angaben ihres Kassierers Štefan Janík gibt es einen großen Zuwachs von Beitrittsinteressenten. Die Forderungen der Gewerkschaft beziehen sich hauptsächlich auf Überstunden und den Druck auf die Arbeiter von Seiten des Managements. Das liegt vermutlich daran, dass sie davon ausgehen, dass andere Probleme in den ab Januar beginnenden Tarifverhandlungen behandelt werden. Wir können nur raten, ob die Formulierung der Forderungen mit der Meinung der Arbeiter übereinstimmt. Es ist jetzt wichtig, dass die Kontrolle über die aufgestellten Forderungen und die Entscheidung über die Annahme von Vereinbarungen, in den Händen der Arbeiter und nicht in denen der Gewerkschaft bleibt. Das heißt, sie sollte aus den Diskussionen von Arbeitervollversammlungen in den Fabrikhallen entstehen (ohne die Anwesenheit von Vertretern des Managements). Der Druck auf das Management wäre so ein doppelter: Sie sähen sich nicht nur einer Anzahl Gewerkschafter gegenüber, sondern den kompletten Produktions-Sektionen, die ihre Macht durchsetzen und Entscheidungen treffen. Es ist möglich, dass jetzt, wo der „Streiknotstand“ ausgerufen ist, diese Macht verloren gehen wird. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie die Arbeiter ihre eigene Macht mit derjenigen der Gewerkschaft aufwiegen.

Was die Annahme von Vereinbarungen angeht, sollte das Vorgehen unserer Meinung nach ähnlich sein: Jede Entscheidung sollte durch Massenversammlungen diskutiert und angenommen werden. Es sollten Arbeiterdelegierte gewählt werden, die dem Management die Forderungen berichten. Unter keinen Umständen sollte ein Ergebnis akzeptiert werden, das nicht von der Arbeitervollversammlung abgesegnet ist.

Wir denken auch, dass die Arbeiter anfangen sollten ein Streikkomitee zu gründen. Üblicherweise nehmen an so etwas nur Gewerkschaftsvertreter teil, aber wir denken, dass es autonom sein sollte – im Geist der anfänglichen unabhängigen Aktionen. Jeder Arbeiter sollte die Möglichkeit haben, Mitglied des Streikkomitees zu sein. Das und nicht die Gewerkschaftsmitgliedschaft sollte zählen.

Dymos. Die Arbeiter bei Dymos stehen einem größeren Problem gegenüber. Über sie gibt es kaum Informationen. Wir wissen nicht, wie sie auf die Ankündigung der Streichung der Zulagen und des Einfrierens der Löhne reagiert haben. Wir wissen nicht einmal, ob es Kontakte zwischen den Arbeitern bei Hyundai und Dymos gibt. Die Forderungen der Gewerkschaft erwähnen Dymos nicht. Wenn die Hyundai Arbeiter für sie einstünden, wäre es sicherlich ein großes Zeichen von Solidarität und zukünftiger Stärke.

Solidarität!

Was können all diejenigen tun, die nicht bei Hyundai oder Dymos arbeiten, außer viel Stärke und einen erfolgreichen Ausgang zu wünschen? Hier sind einige kleine Vorschläge:

– Drückt eure symbolische Unterstützung im Diskussionsforum der Arbeiter oder an anderen Stellen in den Medien aus.

– Bittet Arbeiter in Subunternehmen ihre Solidarität individuell oder als Gruppe auszudrücken. Einige tschechische Firmen findet ihr hier

- Informiert FreundInnen und Bekannte zu Hause und im Ausland über diese Kämpfe, besonders die, die in der Automobilindustrie arbeiten.

- Wenn bei euch gerade gestreikt wurde oder sich ein Streik abzeichnet, könntet ihr die Erfahrungen, die Vor- und Nachteile mit anderen diskutieren und was ihr anders machen würdet, wenn ihr erneut in so einer Situation wärt.

Priama akcia
Slowakische Sektion der Internationalen Arbeiter Assoziation

www.priamaakcia.sk



Forum der ArbeiterInnen bei Hyundai und Quellen:

Online-Forum der ArbeiterInnen bei Hyundai:
http://www.hyundai.phorum.cz/

Quellen:
http://www.sedmicka.cz/frydek-mistek/clanek?id=89232
http://www.sedmicka.cz/frydek-mistek/comments?articleId=89232&duscussionId;=28999
http://www.sedmicka.cz/frydek-mistek/comments?articleId=74803&duscussionId;=27287
http://www.ceskenoviny.cz/tema/zpravy/odbory-v-hyundai-nemaji-tak-silnou-pozici-jako-ve-skode-auto/411039&id;_seznam=1279
http://odboryhmmc.cz/diskuse_sql.php
http://www.sedmicka.cz/frydek-mistek/clanek?id=85351