Erklärung der ZSP zum Bildungsstreik in der BRD und zum Bologna-Prozess
Die polnische »Union der SyndikalistInnen« (ZSP) hat aus Anlass des Bildungsstreiks in der BRD eine Erklärung verfasst, in der sie sich mit den derzeit in mehreren eurpäischen Ländern stattfinden Aktionen im Bildungsbereich und mit dem sog. »Bologna-Prozess« auseinandersetzt.
Die »Union der SyndikalistInnen« (ZSP) unterstützt den Bildungsstreik in Deutschland, der vom 15. bis 19. Juni 2009 stattfindet. Die ZSP plant eine Info-Aktion am 19. Juni, dem 10. Jahrestag der Unterzeichnung der »Bologna-Erklärung«. Unsere Unterstützung für den Kampf gegen die Kommerzialisierung der Bildung, bedeutet nicht, dass wir den Erhalt der Bildungseinrichtungen in der jetzt existenten Form unterstützen würden. Der Bildungsstreik in Deutschland ist eine aus einer Vielzahl von Aktionen gegen die Änderungen in der Finanzierung des Bildungssystems und anderer Sektoren. Die DemonstrantInnen sind gegen Veränderungen, die Profitinteressen über die Interessen der Menschen stellen und die den Zugang zu Bildung beschränken und ihn damit noch mehr auf die bereits privilegierten Teile der Gesellschaft beschränken. Die Einführung kommerzieller Aspekte in die Bildung passt diese an die Bedürfnisse des Kapitals an, aber nicht an die Bedürfnisse der SchülerInnen und StudentInnen.
Die Proteste richten sich auch gegen die Tendenz des Staates zur Neuverteilung von öffentlichen Mitteln, die eigentlich für weite breite gesellschaftliche Bereiche gedacht sind. Diese Veränderungen werden auch negative Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen von LehrerInnen, DozentInnen, ProfessorInnen und andere Beschäftigte an Schulen und Hochschulen haben. Viele von ihnen werden sich am Rand der prekären Beschäftigung wiederfinden, einige werden ihren Job verlieren.
Wir unterstützen die Kämpfe von SchülerInnen und LehrerInnen, die nicht bereit sind, die systematischen Veränderungen mitzutragen, welche die Lücke zwischen den Reichen und den Armen noch größer machen würden. Die wachsende Barriere zwischen ihnen wird die strukturellen Ursachen der Armut ebenso vergrößern wie sie die Lebensbedingungen vieler ArbeiterInnen, einschließlich der BildungsarbeiterInnen, verschlechtern wird.
Viele dieser Veränderungen, die überall in Europa im Bildungswesen eingeführt werden, konzentrieren sich rund um die Visionen, die von den Initiatoren des Bologna-Prozesses entwickelt wurden. Obwohl wir gegen die Grundannahmen dieses Prozesses sind, glauben wir nicht, dass dieser Prozess selbst die Hauptursache für das Problem ist. Die tiefergehenden Wurzeln des Problems sind mit dem Kapitalismus und der Rolle der Bildung als Werkzeug der Erzeugung von Eliten und der Zurichtung zur Vereinzelung in Übereinstimmung mit den Werten der Klassengesellschaft verbunden.
Wir stimmen nicht mit einigen sozialdemokratischen Positionen überein, die häufig von manchen GegenerInnen der Kommerzialisierung von Bildung angeführt werden. Darunter sind Auffassungen wie die, dass "Bildung vom Staat betrieben werden sollte" oder dass "die Universität in ihrer derzeitigen Form bewahrt werden müsse". Wie in einigen anderen Lebensbereichen auch, mag es sein, dass die Bewahrung des derzeitigen Systems besser sein kann als die Zukunft, welche die Neoliberalen für uns vorbereitet haben. Das bedeutet allerdings nicht, dass wir für eine Unterstützung des Status Quo wären. Die Universität ist bereits jetzt ein Werkzeug der Elitenförderung, der Hierarchie und des Duckmäusertums. Der Zugang der Armen zu Bildung existiert häufig nur auf dem Papier. Bildungseinrichtungen sind ein Werkzeug der sozialen Indoktrination.
Für uns ist Bildung eher ein andauernder Prozess als eine Institution. Bildung muss nicht mit Diplomen verbunden sein, mit Karrieren und den Erfordernissen des Arbeitsmarktes. Unsere Vision von Bildung ist offen für alle - und zwar offen für wirklich alle und nicht nur für eine kleine Gruppe von Leuten, die sie sich leisten können und sich in ein Modell von Anpassung an Hierarchie und Noten einfügen. Das Modell von Bildung, das wir wollen, basiert in allererster Linie auf Zusammenarbeit, auf dem Teilen von Wissen in Übereinstimmung mit den libertären Prinzipien.
Wir rufen alle BefürworterInnen libertärer Bildung dazu auf, an den Protesten teilzunehmen und die Gelegenheit zu nutzen, Diskussionen über die Modell von Bildung jenseits des neoliberalen oder sozialdemokratischen Rahmens zu eröffen.
Union der SyndikalistInnen (Polen)
15. Juni 2009