Lebrija: 90 Prozent Beteiligung am ersten Generalstreik gegen die Krise
Mindestens 90 Prozent der Beschäftigten sind im andalusischen Lebrija einem Aufruf zum Generalstreik seitens der anarcho-syndikalistischen Gewerkschaft CNT und eines BürgerInnen-Komitees gefolgt. Kaum ein Geschäft in der 26.000 EinwohnerInnen zählenden Stadt in der Nähe Sevillas hatte geöffnet. Der konkrete Anlass für den Generalstreik ist die Vetternwirtschaft der regierenden Linkskoalition aus PSOE und IU sowie der mit diesen verbändelten Gewerkschaften UGT und CC.OO bei der Vergabe von Jobs aus staatlichen und kommunalen Hilfsprogrammen. Die Gruppen, die den Generalstreik organisiert haben, haben für diesen allerdings auch ausdrücklich mit dem Hinweis mobilsiert, er sei der erste Generalstreik gegen die Krise.
Lebrija - Eine Stadt steht still
Die einzigen Geschäfte, die in Lebrija am 18. Februar 2009, dem Tag des Generalstreiks, geöffnet hatten, waren eine Tankstelle, zwei Kneipen und acht Gemüsestände auf dem Marktplatz. Ansonsten glich der Ort einer Geisterstadt. Die Belegschaften der Supermärkte Día, Lidl, Eroski und die ArbeiterInnen in den Bäckereien befolgten den Streikaufruf zu hundert Prozent. Ebenso die Beschäftigten auf den Baustellen, in den Dienstleistungsfirmen und Versorgungsbestrieben sowie die fast aller Kneipen und Restaurants. Als einziger Supermarkt hatte Mercadona zunächst geöffnet, schloss dann aber die Pforten, als ein Demonstrationszug von 1.500 EinwohnerInnen sich näherte. Die CNT liegt seit längerer Zeit mit der Supermarkt-Kette in mehreren Städten im Konflikt.
Das Streikkomitee gab gegen Mittag bekannt, dass rund 90% der Bevölkerung der 26.000 EinwohnerInnen zählenden Stadt mit einem unverkennbaren Ja auf den Streikaufruf reagiert habe. Dieser Erfolg, mit dem in diesem Umfang niemand auch nur in den kühnsten Träumen gerechnet hat, ist ein Schlag ins Gesicht der Stadtregierung aus rechten Sozialdemokraten (PSOE) und der linkssozialdemokratischen Izquierda Unida (IU). Beide hatten zusammen mit ihren verbündeten Gewerkschaften UGT und CC.OO. in den Tagen vor dem Streik erklärt, kein Mensch interessiere sich für den Generalstreik und fast alle Leute wollten stattdessen ihren gewohnten Tätigkeiten nachgehen. Zu dieser Einstellung passt sehr gut, dass vor einigen Tagen veröffentlicht wurde, dass UGT und CC.OO. von der andalusischen Provinzregierung in den Jahren 2004 bis Februar 2009 insgesamt 265 Millionen Euro an Subventionen erhalten haben. In welchem Ausmaß die Kumpanei aus Unternehmer- und Einzelhandelsverbänden, Stadtregierung und Gewerkschaften in Lebrija betrieben wurde, schildert der Einschub im Anschluss an diesen Artikel.
Die Hintergründe des Generalstreiks
In Lebrija sind noch viel mehr Leute von der Arbeitslosigkeit betroffen, als im restlichen Spanien. Dabei ist schon im Landesdurchschnitt in Folge der Krise die Arbeitslosenquote auf 14 % hochgeschnellt. Spanien hat damit die derzeit höchste formale Arbeitsrate der EU. Viele Menschen in den Gegend um die Stadt arbeiten als Tagelöhner auf dem Großgrundbesitz der reichen Familien und sind im Winter traditionell arbeitslos und auf kommunale Unterstützung angewiesen. Aus der Erfahrung der letzten Jahre fürchten viele Arbeitslose deshalb, dass auch dieses Mal wieder staatliche Hilfsgelder aus den Anti-Krisen-Programmen im Zuge der Vetternwirtschaft vornehmlich an Mitglieder der Gewerkschaften UGT und CC.OO. vergeben werden, die mit den Rathausparteien verbandelt sind.
Die Arbeitslosen fordern deshalb, dass ein vor einigen Wochen gegründetes BürgerInnen-Komitee, das hauptsächlich aus Arbeitslosen besteht, zusammen mit der Gewerkschaft CNT die Arbeitsbörsen überwacht, die von der UGT und CC.OO. dominiert werden.
Dem Generalstreik vorausgegangen waren mehrere Demonstrationen der CNT und des BürgerInnen-Komitees, die vor einigen Wochen mit hundert Leuten begannen und Anfang Februar schließlich in einer Demonstration mit über 2.500 TeilnehmerInnen ihren ersten Höhepunkt fanden. Angesichts der kompromisslosen Haltung der herrschenden Vetternwirtschaft, forderten immer mehr EinwohnerInnen von Lebrija einen zunächst eintägigen Generalstreik, um endlich einen Zustand von Transparenz bei der Vergabe von Jobs aus öffentlichen Hilfsprogrammen herzustellen. Weitere Forderungen beinhalten eine Umverteilung von Arbeitszeiten in den kommunalen Bechäftigungsverhältnissen und ein Ende von Überstunden. Stattdessen sollen neue Jobs geschaffen werden.
Zum Generalstreik wurde von CNT und BürgerInnen-Komittee ganz ausdrücklich auch als erstem Generalstreik gegen die Krise mobilisiert. Das ist nicht nur für Spanien etwas Gänzlich Neues und ein Beispiel, das hoffentlich Schule machen wird.
Die große Koalition der Abwiegler
Die Lokalzeitung «El periodico de Lebrija» machte in seiner Ausgabe vom 17. Februar mit der Schlagzeile auf Das NEIN zum Streik vereint die Arbeiter, die Unternehmer und die Stadtverwaltung. Gut die Hälfte der Ausgabe war dann bezahlten und unbezahlten Anzeigen mit Aufrufen gegen den Streik durch alles gewidmet, was in der Geschäftswelt der Stadt Rang und Namen hat. In trauter Einigkeit mit dem Unternehmerverband, dem Verband der Ladenbesitzer etc. riefen die Gewerkschaften UGT (sozialdemokratisch)´und CC.OO. (kommunistisch) ihre Mitglieder und den Rest der Bevölkerung auf, am Streiktag brav und unbeirrt ihren Geschäften nachzugehen. Viel Wirkung hatte diese große Koalition der Abwiegler jedoch nicht, die Bevölkerung stimmte kurzerhand mit den Füßen gegen die Kaziquen ab.
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