Relatives Recht
Berliner Praktikantin klagt vergeblich gegen ehemalige Arbeitgeberin
Schon seit einiger Zeit ist das Thema Praktika in den Medien präsent. Einer breiten Öffentlichkeit ist deshalb mittlerweile bekannt, dass viele Menschen, die offiziell als PraktikantInnen geführt werden, in Wirklichkeit reguläre Tätigkeiten verrichten, wodurch zahlreiche Betriebe viel Geld sparen und sich die PraktikantInnen einem enormen Druck ausgesetzt sehen. Oft müssen diese noch nebenbei arbeiten, um Geld zum Leben zu verdienen. Da es sich hierbei um keine Einzelfälle, sondern um ein allgemeines Phänomen handelt, wurde in diesem Zusammenhang der Begriff "Generation Praktikum" geprägt. Zwischenzeitlich schienen jedoch wieder einzelne Sonnenstrahlen den wolkenverhangenen PraktikantInnen-Himmel zu durchbrechen. Verschiedene Urteile vor Arbeitsgerichten gaben zuletzt klagenden Praktikantinnen recht und verdonnerten die jeweiligen Firmen zu hohen Nachzahlungen.
Dass diese medienwirksam aufbereiteten juristischen Erfolge wohl eher die Ausnahme bleiben werden, musste nun die 23jährige Neuköllnerin Agnes M. erfahren. Sie war ab Ende März 2008 in der Kita "Omas Garten" in Berlin-Wedding angestellt. Wie so oft galt das Label Praktikantin hier jedoch nur vordergründig: "Ich mußte regelmäßig eine Gruppe von 23 Kindern alleine betreuen und machte im Wesentlichen die gleichen Arbeiten wie festangestellte Erzieherinnen", berichtet sie. Nachdem sie sich mehrmals über diesen Zustand beschwert hatte und darum bat, so eingesetzt zu werden, wie es einem Praktikum entspricht, oder aber entsprechend bezahlt zu werden, wurde sie von der Leiterin der Kita gekündigt. Dies wollte Agnes M. nicht auf sich sitzen lassen und zog vor das Arbeitsgericht Berlin, um auf einen für Erzieherinnen üblichen Branchenlohn zu klagen. Schließlich hatte sie auch die entsprechenden Tätigkeiten auszuführen und Verantwortungen zu tragen.
Im Prozess zeigte sich jedoch, dass der Nachweis dessen nicht leicht zu erbringen ist. Es obliegt nach deutschem Arbeitsrecht den PraktikantInnen, den Beweis darüber zu erbringen, dass sie nicht ordnungsgemäß eingesetzt wurden, sondern tragende Arbeitsleistungen im Betrieb übernehmen mussten. "Unter diesen Voraussetzungen ist es besonders für unausgebildete Menschen fast unmöglich, juristisch nachzuweisen, dass ein Arbeits- und kein Lernverhältnis vorlag, wenn seitens des Betriebes keine Fehler gemacht wurden, die diesen Beweis ermöglichen. Das deutsche Arbeitsrecht benachteiligt hier ganz klar die Menschen die sowieso schon am kürzesten Hebel sitzen", meint Robert Ortmann von der Sektion Sozialwesen der Gewerkschaft Freie ArbeiterInnen Union (FAU), die der Klägerin in dieser Angelegenheit beratend zur Seite stand.
So auch in diesem Fall: Da Agnes M. nicht lückenlos nachweisen konnte, dass sie das Aufgabenprofil einer ausgebildeten Erzieherin vollständig abgedeckt habe, stünde ihr auch kein entsprechender Lohn zu, argumentierte die Richterin, Andrea Baer. Dies wäre erst der Fall, wenn die Klägerin mit allen diesbezüglichen Kompetenzen ausgestattet sei. Nach dieser Logik hätte Agnes M. nur einen angemessenen Lohn für ihre Tätigkeiten erhalten können, wenn sie auch offiziell den Rang einer Erzieherin gehabt hätte ein absurder Formalismus, kommentiert Ortmann den Ausgang des Prozesses. Letztlich bekam die Klägerin in einem Vergleich lediglich 800 Euro zugesprochen, die als Praktikumsvergütung für die letzten zwei Monate der Tätigkeit ohnehin noch ausstanden. Agnes M. zeigt sich ernüchtert und kämpferisch zugleich: Der Prozess hat mir ganz klar gezeigt, dass Praktikantinnen sich nicht darauf verlassen sollten, ihr Recht vor deutschen Arbeitsgerichten zu bekommen. Dieses bekommen wir wohl nur, wenn wir uns gewerkschaftlich organisieren und kämpfen. Der FAU ist sie zwischenzeitlich beigetreten.
Sektion Sozialwesen in der FAU Berlin
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