Von der Leyen gegen Ferkel

Das Familienministerium unter der christlichen Fundamentalistin Ursula von der Leyen will ein antireligiöses Kinderbuch verbieten. Die perfide Begründung ist, dass das Buch antisemitisch sei.

Das Buch „Wo bitte geht’s zu Gott? fragte das kleine Ferkel – Ein Buch für alle, die sich nichts vormachen lassen“ beschreibt auf 40 bebilderten Seiten die Suche eines Ferkels und eines Igels nach Gott.

Der Autor Michael Schmidt-Salomon und der Zeichner Helge Nyncke behandeln die Weltreligionen Judentum, Christentum und Islam in der Reihenfolge ihrer Entstehung. Ferkel und Igel stoßen zuerst auf einen Rabbi in seiner Synagoge, danach auf einen Bischof in seiner Kirche und zum Schluss auf einen Mufti in seiner Moschee. Dabei erläutern die Prediger markante Merkmale ihrer jeweiligen Religionen. Dies wirkt so abschreckend auf die beiden Hauptfiguren, dass sie zum Schluss kommen, dass sie ohne Religion besser dran seien.

Dass die Aussage des Buchs der Familienministerin nicht gefällt, liegt auf der Hand. Ihre Begründung für den Indizierungsantrag ist jedoch fadenscheinig. Nach dem Jugendschutzgesetz können Bücher für Minderjährige verboten werden, „wenn sie unsittlich sind, verrohend wirken, zu Gewalttätigkeit, Verbrechen oder Rassenhass anreizen.“

Da nichts davon in dem Buch gegeben ist, hat das Ministerium den abenteuerlichen Weg gewählt, einen antisemitischen Rassenhass-Vorwurf zu konstruieren: „Der Rabbi wird auf Seite 15 als wütender Mann mit entgleisten Gesichtszügen und den stereotypen Merkmalen eines streng orthodoxen Juden in negativer Weise dargestellt.“ Ein absurder Vorwurf, weil das Buch gleichermaßen gegen alle drei religiösen Ausformungen sowie deren Vertreter zielt. Weder der Bischof noch der Mufti werden sympathischer dargestellt. Alle drei Prediger werden mit den typischen Insignien ihrer Religionen gezeigt – der Bischof in seiner Robe, der Mufti mit Turban und der Rabbi mit Schläfenlocken.

Der Verbotsantrag wurde am 29. Januar einer breiten Öffentlichkeit bekannt und es gab (abgesehen von einem gewaltigen Anstieg der Verkaufszahlen) bereits einiges an Reaktionen in den Medien. Die ZEIT vergleicht am 5. 2., wie oft der Rabbi wütend dreinschaut (drei von vier mal) und wie oft der Bischof (nur zwei von vier mal), vermag aber daraus keinen Antisemitismus abzuleiten. Die ZEIT hält das Buch für antijudaistisch, antiklerikal und antiislamistisch, aber eben nicht für antisemitisch.
Auch der Generalsekretär des Zentralrats der Juden findet das Buch nicht antisemitisch, sondern nur antitheistisch.

Die NZZ hält das Buch zwar für platt, „aber eine Indizierung wäre albern und bewiese allenfalls einmal mehr, dass fast jede Dummheit von einer grösseren überboten werden kann.“

Für die SZ ist das Kinderbuch so schlecht, dass sie ein Verbot "aus ästhetischen Gründen begrüßen" würde. Die Begründung des Verbotsantrags findet aber auch die Süddeutsche erstaunlich.

Die SZ und die NZZ vermissen eine differenziertere Auseinandersetzung mit dem Thema Religion und halten die Gleichsetzung von Gläubigen und Fundamentalisten für unangemessen. Außer acht lassen die Zeitungen dabei, dass Fundamentalismus ein fester Bestandteil aller Weltreligionen ist und nicht nur eine Randerscheinung. Ob jemand tiefgläubig oder ein verblendeter Fanatiker ist, ist nur eine Frage der Perspektive oder der theologischen Interpretation. Dass die Autoren in ihrem Kinderbuch die oberflächlich Gläubigen nicht berücksichtigen, tut dem Buch gut. Es bringt Religionskritik ohne Umschweife und für Kinder einfach nachvollziehbar auf den Punkt. Bedenklicher ist, dass die meisten Kinder häufiger mit religiösen Kinderbüchern konfrontiert werden als mit emanzipatorischen.

Die Themenfelder Agnostik, Atheismus und Aufklärung liefern jedenfalls genug Stoff für noch mehr pädagogisch wertvolle Kinderbücher.

Wer sich an einer Unterschriftenaktion gegen den Zensurversuch beteiligen möchte, kann das hier tun:
www.ferkelbuch.de