Demonstration gegen Überwachung in Berlin
Weit über 10.000 Menschen demonstrierten am 22. September gegen Überwachung in Berlin. Auch die FAU nahm teil und das IT-Syndikat verteilte Flyer an interessierte IT-Beschäftigte [Der Flyer wird später hier noch verlinkt werden].
Am Brandenburger Tor begann die größte Demonstration zum Thema seit dem Volkszählungsboykott vor über 20 Jahren. Schon zu Beginn teilte sich die Demonstration in einen sehr großen Block, der sich prinzipiell gegen Überwachung aussprach, der kleinere Teil der Demonstration kritiserte in erster Linie die Vorratsdatenspeicherung.
Umgekehrt war das Verhältnis der Redebeiträge von den Tribünen an den Kundgebungsorten. In den meisten Reden dort wurden nur spezielle Ausformungen staatlicher Überwachung kritisiert. Grundlegendere Kritik ließ sich vorwiegend über mehrere Lautsprecherwagen im großen, antikapitalistischen Demonstrationszug vernehmen.
Die Zweiteilung der Demonstration führte zu einigen Konflikten und überschattete an vielen Stellen die Inhalte. Bereits bei der Vorbereitung grenzten sich Teile des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung von systemkritischen Gruppen ab.
Während sich der Demonstrationszug nach der Auftaktkundgebung formierte, eskalierte die Situation, weil Hunderte von der Polizei an der Teilnahme gehindert wurden. Sie waren nicht bereit, sich den willkürlichen Personenkontrollen zu unterziehen.
Wegen der Größe des Zuges bekam der vorderste Lautsprecherwagen von ver.di nichts davon mit und schickte sich an, loszufahren. Der Verfasser informierte die Fahrerin und forderte sie auf solange zu warten, bis alle, die möchten, an der Demonstration teilnehmen dürfen. Die Beifahrerin behauptete zunächst, dass das nicht stimme und niemand eingekesselt wäre. Als ein Polizist bestätigte, dass mehrere hundert Personen festgehalten würden, fuhr sie trotzdem los, um den Zeitplan einzuhalten. Padeluun vom foebud e. V. (Big-Brother Award), der Initiator und Moderator dieser Demonstration, distanzierte sich ebenfalls von den Festgehaltenen, indem er in Verkennung der Tatsachen betonte, dass dies eine bürgerliche Demonstration sei.
Die Demoleitung distanzierte sich fortwährend räumlich und inhaltlich vom von ihr so bezeichneten "Schwarzen Block". Nicht zuletzt das schien die Berliner Polizei als Lizenz zum Prügeln zu verstehen. Die Eskalation führte neben einigen Verletzten und Festnahmen zu einem vorzeitigen Abbruch des Großteils der Demo.
Zur Abschlusskundgebung am Brandenburger Tor kam nur noch ein kleiner Teil der Demo. Die Redebeiträge dort waren teilweise erschreckend reaktionär. Ein Tiefpunkt war die Forderung nach mehr Polizei statt mehr Überwachung. Enttäuscht hat auch padeluuns Redebeitrag, in dem er sich beim "Schwarzen Block" fürs vorzeitige Ausscheiden und bei der Polizei für ihre gute Arbeit bedankte.
Eine Anmerkung zum foebud e. V. sei mir noch gestattet:
Viele Jahre lang hat der foebud e. V. von der solidarischen Unterstützung der überwachungskritischen Szene profitiert. Nun, da er auch von Parteien und Landesdatenschutzbeauftragten wahrgenommen wird, ist der Verein offenbar vorwiegend an kurzfristigen Teilerfolgen interessiert, die sich propagandistisch gut verwerten lassen. So sehr ich padeluun und Rena Tangens den Erfolg nach vielen Jahren zäher Arbeit und frustrierenden Herumkrebsens gönne, so bedauerlich finde ich es, dass ihnen an einer Bekämpfung der Ursachen für den Überwachungswahn offenbar nicht mehr gelegen ist. Die Folge ihres Kniefalls vor dem bürgerlich-liberalen Spektrum, das noch nie grundsätzliche Verbesserungen durchsetzen konnte, ist ihnen hoffentlich auf der Demo durch die Solidarität der Mehrheit der TeilnehmerInnen mit dem von padeluun so genannten "Schwarzen Block" bewusst geworden.
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