Der Telekom-Streik und seine Folgen
Der fast sechswöchige Streik bei der Telekom endete mit einer herben Niederlage und einem für die Beschäftigten unverschämten Verhandlungsergebnis. Ver.di hat dabei alles getan, um die Notwendigkeit einer gewerkschaftlichen Alternative vielen offen vor Augen zu führen. Wir können die Wut und Verzweiflung der Streikenden gut verstehen. Wieder einmal mündete die Streikbereitschaft und der Streikwille der Beschäftigten in einer Vereinbarung, die das Papier auf dem es fixiert wurde nicht wert ist. Und Papier wurde reichlich bedruckt...
Auf einer Streikversammlung einen Tag nach Verkündung der Einigung im Münchner Hofbräuhaus, kam es dort zu tumultartigen Szenen und die hauptamtlichen FunktionärInnen kniffen bzw. schickten die StreikleiterInnen auf das Podium, um den 800 versammelten Streikenden den Abschluss schmackhaft zu machen. Dabei gab der bayerische Verhandlungsführer, Erich Leitner zu, dass er das 70seitige Verhandlungsergebnis gar nicht komplett durchgelesen, geschweige denn verstanden hätte, bevor er seine Unterschrift darunter setzte! Die Zumutungen für die Telekom-Beschäftigten werden bis heute von der ver.di teilweise nicht offen ausgesprochen. Und Zumutungen gibt es nach diesem Abschluss viele:
- Vier Stunden längere Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich
- Samstag wird Regelarbeitstag
- Senkung der Gehälter um 6,5 %, die die ersten 18 Monate durch Sonderzahlungen - angeblich - ausgeglichen werden sollen
- Bis Ende 2008 Friedenspflicht
- Bis April 2008 Sonderregelungen zur Beseitigung der Streikauswirkungen, also Mehrarbeit
- In fünf Jahren keinerlei Job-Garantie mehr für die ausgelagerten MitarbeiterInnen, spätestens dann wird wohl die ausgelagerte Firma T-Service mitsamt den 50 000 Beschäftigten verkauft oder gleich still gelegt.
Kein Wunder, dass die Telekom-Führung über diesen Abschluss hoch erfreut ist. Schließlich bedeutet dieser, dass die Telekom auf Kosten der Beschäftigten 500 bis 900 Millionen Euro einspart. Wie kann es zu solch einem verheerenden Verhandlungsergebnis kommen?
Da ist zunächst der Verhandlungsführer von ver.di zu nennen. Lothar Schröder sitzt nicht umsonst im Telekom-Aufsichtsrat, wo er den Plan der Geschäftsleitung, nämlich "mehr Arbeit für weniger Lohn", abgenickt hat. Aber auch die restlichen Gewerkschaftsbosse haben peinlichst darauf geachtet, dass ihnen der Streik nicht aus dem Ruder läuft. Es wurden von ihnen beispielsweise keine anderen Fachbereiche der ver.di und erst recht keine anderen DGB-Gewerkschaften mit einbezogen. Der Streik - in dem ein gehöriges Potential steckte - wurde stattdessen nur mit halber Kraft gefahren, um möglichst dem Konzern nicht weh zu tun und jederzeit die Kontrolle über ihn zu behalten. Dies bedeutete, dass von ver.di öffentliche und weitergehende Aktionen tunlichst vermieden wurden. Diese Streikführung hat zum wiederholten Male gezeigt, dass die DGB-Gewerkschaften ihr legalistisches und sozialfriedliches Denken einfach nicht durchbrechen können. Egal wie stark der Druck von oben ist, die ver.di setzt in Ruhe ihren Kurs der Klassenzusammenarbeit fort.
Wurde früher wenigstens für Arbeitszeitverkürzungen gekämpft, so schlucken die DGB-Gewerkschaften inzwischen sogar Arbeitszeitlängerungen ohne(!) Lohnausgleich. Wir ArbeiterInnen und kleinen Angestellten lassen uns auch von der "Gewerkschaftslinken" nicht mehr länger hinhalten. Die Unterwanderung des DGB klappt ja nun schon seit über 100 Jahren nicht!
Das Problem ist ein strukturelles und somit ein grundsätzliches. Sozialdemokratische Einheitsgewerkschaften sind nicht reformierbar, sondern vielmehr Garanten für das Funktionieren einer kapitalistischen Gesellschaft. Uns ArbeiterInnen helfen deshalb nur selbstorganisierte Kampforganisationen. Wenn eine klassenkämpferische Basisgewerkschaft mit am Verhandlungstisch gesessen wäre, dann hätte sich die ver.di nie getraut, solch einem Ergebnis zuzustimmen. Wieder werden die engagiertesten und kämpferischsten KollegInnen ihr Mitgliedsbuch abgeben. Aber auch dies ist von ver.di genau so gewollt. Damit wird nur Druck aus dem Kessel der Unzufriedenheit abgelassen. Gibt es jedoch eine klassenkämpferische Konkurrenz, dann hagelt es nach so einem Abschluss nicht Austritte sondern Übertritte. So nutzt uns ArbeiterInnen die bloße Existenz einer kämpferischen Basisgewerkschaft mehr, als alle "eroberten" Funktionärsposten im DGB durch linke/radikale GewerkschafterInnen. Dies bestätigen auch die Erfahrungen in einigen europäischen Ländern, in denen es konkrete gewerkschaftliche Alternativen gibt.
Inzwischen wurde der Streik abgebrochen, um die Streikenden wieder an ihre Arbeitsplätze zu zwingen und den Schwung abzubremsen. Schließlich braucht die ver.di in der Urabstimmung noch ein "passendes" Ergebnis. Was bleibt, ist eine beunruhigende Niederlage, die schon bald auf andere Betriebe und Branchen übergreifen wird. Der Klassenkampf von oben zeigt mittlerweile erschreckende Ausmaße,trotdem nimmt der DGB diesen Kampf nicht an. Deswegen brauchen wir abhängig Beschäftigten mehr denn je basisdemokratische und klassenkämpferische Richtungsgewerkschaften.
(Roman, Allgemeines Syndikat München)