Urteil: Einstellung von 1-Euro-JobberInnen ist mitbestimmungspflichtig

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat mit zwei Entscheidungen vom 21.03.2007 (Az 6 P 4.06 und Az 6 P 8.06) das Recht von Personalräten bei der Besetzung von sogenannten 1-Euro-Jobs festgestellt und der bisher unterschiedlichen Rechtsprechung in den Vorinstanzen ein Ende gesetzt. Es soll sichergestellt werden, dass durch die Tätigkeit von 1-Euro-JobberInnen keine regulären Beschäftigungsmöglichkeiten verdrängt werden. Dieses Urteil ist auch für die laufenden Auseinandersetzungen bei der Werkstatt Frankfurt von Interesse.

In den beiden Fällen ging es sich um die Städte Mainz und Wetzlar, in denen die jeweiligen Personalräte ein Mitbestimmungsrecht bei der Einstellung der 1-Euro-JobberInnen beansprucht hatten.

Bisher war den staatlichen 1-Euro-ZwangsarbeiterInnen nach § 16 Abs. 3 SGB II (Arbeitsgelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten) der Status von "Beschäftigten" verweigert- und damit die Mitbestimmungsrechte von Personal- und Betriebsräten außer Kraft gesetzt worden.

Obwohl sich das Urteil auf Personalräte bezieht, kann davon ausgegangen werden, dass es auch die Mitbestimmungsrechte von Betriebsräten betrifft. Mit den neuen Urteilen kann sich daher auch kein PR oder BR mehr herausreden, sie hätten keinen Einfluss auf die Einstellung von 1-Euro-JobberInnen und könnten daher auch nichts gegen die staatliche 1-Euro-Zwangsarbeit unternehmen.


Die Urteile im Wortlaut

Mitbestimmung des Personalrats bei „Ein-Euro-Jobs"

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in zwei heute verkündeten Entscheidungen, die sich auf die Städte Mainz und Wetzlar beziehen, das Recht der kommunalen Personalräte zur Mitbestimmung bei der Besetzung sog. „Ein-Euro-Jobs“ durch die Kommune festgestellt.

Nach § 16 Abs. 3 des Sozialgesetzbuchs Zweites Buch sollen für Dauerarbeitslose Gelegenheiten für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten geschaffen werden. Den Personen, die solche Arbeiten verrichten, wird zusätzlich zum Arbeitslosengeld II eine angemessene Entschädigung für Mehraufwendungen gezahlt. In den vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Streitfällen kamen Arbeitslose bei Stadtverwaltungen in folgenden Funktionen zum Einsatz: Betreuung des Informationsschalters im Stadthaus, Aktualisierung und Umorganisation des Bauaktenarchivs, gärtnerische Pflegearbeiten in den öffentlichen Grünanlagen, Unterstützungsarbeiten in Kindertagesstätten und Jugendzentren sowie bei örtlichen Erhebungen und Geschwindigkeitsmessungen. Die Einsatzdauer betrug sechs Monate, die Mehraufwandsentschädigung bis zu 1,30 Euro/Stunde, die wöchentliche Beschäftigungszeit zwanzig bzw. dreißig Stunden.

In beiden Fällen machte der Personalrat der Stadt ein Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen geltend. Der Oberbürgermeister als Leiter der Verwaltung trat dem jeweils mit der Begründung entgegen, dass keine Einstellungen im Sinne des Mitbestimmungstatbestands vorlägen. Unter dem personalvertretungsrechtlichen Begriff der Einstellung wird allgemein die Eingliederung in die Dienststelle durch Aufnahme einer weisungsabhängigen Tätigkeit verstanden; ein Arbeitsverhältnis muss nicht notwendig begründet werden. Die Frage, ob der Einsatz von „Ein-Euro-Kräften" als mitbestimmungspflichtige Einstellung zu werten ist, wird in der Rechtsprechung und im Schrifttum unterschiedlich beantwortet. Auch in den beiden vorliegenden Fällen sind die Vorinstanzen zu entgegengesetzten Ergebnissen gelangt.

Der 6. Senat des Bundesverwaltungsgerichts gab den Personalräten recht und bestätigte das von ihnen in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht. Die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen unterliegen bei der Verrichtung von im öffentlichen Interesse liegenden zusätzlichen Arbeiten wie Arbeitnehmer der Weisungsbefugnis des Dienststellenleiters. Dieser ist bei der Auswahl des Personenkreises nicht an die Entscheidung der für die Leistung von Arbeitslosengeld II zuständigen Arbeitsgemeinschaft (Arge) gebunden. Deswegen hat der Personalrat im Interesse der regulären Beschäftigten der Stadt zu prüfen, ob der betreffende Hilfebedürftige für die fragliche Tätigkeit geeignet ist und ob die ausgewählten Einsatzbereiche das Merkmal der Zusätzlichkeit erfüllen. Mit diesem Erfordernis soll sichergestellt werden, dass durch die Tätigkeit erwerbsfähiger Hilfebedürftiger reguläre Beschäftigungsmöglichkeiten nicht verdrängt werden.

BVerwG 6 P 4.06 – Urteil vom 21. März 2007
BVerwG 6 P 8.06 – Beschluss vom 21. März 2007

Weitere Informationen

BVerwG 6 P 4.06, BVerwG 6 P 8.06