...lässt sich eine woche krieg in zahlen zusammenfassen?
Es ist Krieg - wieder einmal. Wir dokumentieren hier eine E-Mail die wir aus Jerusalem - "der sicheren" - bekommen haben.
In dieser E-Mail werden weder die Gründe für den aktuellen Krieg analysiert, noch die beteiligten Gruppen und ihre Interessen dargestellt. Vielmehr gibt sie einen Einblick und einen Eindruck vom sozialen Leben im Kriegszustand. Fluchtbewegung, Einberufungsbescheide, Arbeitssituation aber auch aufkommende Proteste werden dargestellt.
Wir hoffen in den nächsten Tagen mehr Info's zu bekommen....
es sind bisher mehr als 1000 raketen in israel gelandet.
nach schaetzungen haben zwischen 300.000 und 500.000 israelis, darunter auch viele arabische israelis aus dem galil, ihre wohnungen im norden verlassen und sind in staedte weiter suedlich in israel geflohen, viele auch nach jerusalem, die immer noch als sicher gilt (ebenso sind im libanon rund 500.000 menschen aus ihren wohnungen geflohen, aber das wisst ihr ja aus den europaeischen medien).
wir sitzen hier in jerusalem, "der sicheren," und sind natuerlich trotzdem betroffen. unsere wg ist z.b. (miet-)zahlungsunfaehig. X. hat letzte woche das studienabschlussprojekt praesentiert und konnte wegen der vorbereitung der praesentation in der ertsen monatshaelfte nicht jobben. X. kellnert und verdient pro schicht ca 500nis, so dass X. sich fuer die zweite monatshaelfte fast jeden tag eine schicht hat geben lassen um das monatseinkommen zu verdienen. nun wird X. entweder gleich nach hause geschickt, weil das restaurant geschlossen bleibt, oder X. kommt mit 85nis (17nis mindestlohn pro stunde, das sind knapp 3eu) zurueck. in der gastro wird hier nur der mindestlohn gezahlt, der rest kommt vom tipp, da im moment keine gaeste kommen, verdient X. in fuenf stunden weniger als 15eu.
Y. bekommt das geld mit einem euro-cheque von einem europaeischen konto. da nun unklar ist, wie sich der euro-kurs angesichts des krieges entwickelt, ist niemand mehr bereit ihn anzunehmen.
wir sind natuerlich nicht die einzigen, die pleite sind, und andere trifft es viel haerter. im norden bleiben viele betriebe zu und die leute bekommen keinen lohn. der norden ist die region vor allem fuer innerisraelischen tourismus und die ganzen kleinen bed&breakfast; stehen leer, so dass dort auch kein einkommen ist. andere, grade frauen, koennen nicht zur arbeit gehen, da die kinderbetreuungseinrichtungen geschlossen bleiben, summer day camps gestrichen werden und gleichzeitig die maenner zum reserve-dienst einberufen werden. uni und technion in haifa sollen morgen wieder oeffnen, aber die angestellten in der univerwaltung (zumeist frauen) protestieren, da sie jetzt waehrend der schulferien keine betreuung fuer ihre kinder haben.
um mich herum haben freunde in den letzten tagen ihre einberufungsbefehle erhalten. maenner sind in israel bis mind. 45 jahre zum reserve-dienst verpflichtet, und mehr als 5,000 maenner sind in der letzten woche einberufen worden.
aber auch der protest gegen den krieg hat erste formen angenommen und kann in zahlen ausgedrueckt werden. in der vergangenen woche gab es, ich glaube es war montag, aber die zeit fliegt nur so, die erste anti-kriegsdemo in tel aviv, die laut teilnehmerberichten von der polizei sehr schnell gewaltsam aufgeloest wurde. die tn-zahlen werden mit rund 500 angegeben.
in haifa, das fast taeglich von raketen getroffen wird, gibt es trotz des mit 'open air'-veranstaltungen verbundenen risikos jeden tag eine kleine demo. heute (23.07.06) abend war in tel aviv die erste landesweite anti-kriegs-demo, die als
groesser bezeichnet wurde, mit ueber 2500 tn (das entspricht, hochgerechnet auf einwohnerzahlen in d'land einer demo mit rund 30000 tn).
es war ein buendnis von linken (ueberwiegend kommunistischen), arabischen und friedensgruppen. einigen berichten zufolge kam es zu zusammenstoessen mit einer gegendemo und passanten am rande, die die demonstanten als "verraeter" beschimpft und angegriffen haben. scheinbar waren aufrufe zur verweigerung
aus der demo haeufig.
die polizei hat die demo nur begleitet -- etwas, das mich sehr beruhigt, denn nach der aufloesung der ersten demo in t"a machte ich mir sorgen um den inneren zustand, rede- und meinungsfreiheit. leider habe ich, obwohl ich auch in libanesische englischsprachige blogs schaue, noch nichts gelesen von friedensdemos im libanon, und wenn nur bei uns demonstriert wird, wird das den krieg nicht stoppen.
ach ja, es gibt immer noch keinen offiziellen namen fuer den krieg und regierungs- und militaersprecherInnen koennen sich nciht einigen, ob es nun offiziell ein krieg ist oder sonstetwas. ausser den offiziellen sprechen aber eigentlich alle von "hamilchamah ba'tzafon," "der krieg im norden."
"shavua tov".
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