CNH-ArbeiterInnen in Aktion in Berlin und Turin
Ein persönlicher Bericht um die Ereignisse rund um den ersten Mai in Berlin und Turin, über die Radikalisierung der Streikenden und die vorerstige gerichtliche Niederlage von CNH.
Die Kollegen werden langsam richtig sauer. Denn über 260 Beschäftigte des Case New Holland (CNH) - Werkes (ehemals Orenstein und Koppel) in Berlin-Spandau stehen seit 73 Tagen im Streik.
In letzter Zeit gab es so gut wie keine Presse für die Streikenden. Andrea Nahles wollte sich ja einsetzen, was
offensichtlich nichts bewirkt hat. Nun finden einige Kolleg_Innen, dass es egal ist ob die Presse gut oder schlecht ist. "Mit positiven Nachrichten hat noch keiner was erreicht." oder "Nicht nur die Polizei, nein, auch Reporter sagen dass es unheimlich friedlich ist". Es wurde gar gemunkelt, dass einige Beiträge nicht gebracht wurden, weil "kein Blut geflossen ist" und "Wir müssen uns ja nicht mit der fröhlichen Öffentlichkeit, sondern mit der Firmenleitung auseinandersetzen!"
Bei vielen ist die Einsicht gekommen, dass es mit Nettigkeit nicht mehr weiter geht. Was sonst so los ist in der Belegschaft werdet Ihr noch erfahren. Die Bosse kriegen das ja jeden Tag mit.
Kolleg_Innen, die früher gegeneinander ausgepielt wurden, sind nun die besten Busenfreunde. Ich persönlich, anfangs skeptisch beäugt, werde von den Kolleg_Innen immer freundlich behandelt und überall miteinbezogen und das obwohl sie wissen wer ich bin und was ich mache - oder vielleicht gerade deshalb? Die meisten sehen mich wohl als Autonomen oder Hausbesetzer. Auf jeden Fall als "Radikalen". Meistens nennen sie mich natürlich bei meinem Namen oder sagen über mich ich sei ein Genosse oder Aktivist.
Was nun "intern" dort los ist geht niemandes "außerhalb" der Belegschaft oder Gewerkschaft an. Wenn sich Genoss_Innen oder Kolleg_Innen wirklich dafür interessieren sollen sie doch "Streikhelfer/In" machen. Außerdem gibt es eine Petze.
Gerichtlich haben die sogenannten "Arbeitgeber" erstmal verloren! Es wurde festgestellt, dass der Sozialplan nicht rechtens war und wenn ihn die Gewerkschaft nicht abgelehnt hätte, so hätte es das Gericht getan, so à la seine eigenen Arbeiter_Innen zu verarschen ist nicht nett.
Mittlerweile versuchen die Bosse, die Bagger und vor allem die Grader über die Schienen abzutransportieren, da heute ein paar Hemmschuhe angeliefert werden sollten. Aber wie das nunmnal so
ist in der Arbeiter_Innen-Bewegung zeigt sich von allen Seiten Solidarität. Die Bosse glauben ernsthaft, dass sie mit ihren Fotoapparaten jemandes erschrecken. Alle lachen immer nur noch darüber.
Bei den Zwischenhändlern sind nun die Bagger knapp und Grader gibt es schon gar nicht mehr. Nun tut der Streik richtig weh.
In den letzten Tagen des April kam ein Doppeldecker BVG-Bus mit dem Gesamtpersonalrat der BVG vorbeigefahren. Der Vorsitzende, ein ehemaliger O&Kler;, sagte "bleibt stark" und hoffte, dass sie weiterhin die notwendige Aufmerksamkeit bekämen für ihren Streik.
Mittlerweile unterstützt der Landesparteitag der SPD die Streikenden bei möglichen Blockaden: "Vor diesem Hintergrund weist der Parteitag das Ansinnen der FIAT-Konzernleitung zurück, Vermögenswerte vom Grundstück zu schaffen und unterstützt die KollegInnen ausdrücklich in ihrem Bemühen, durch Blockaden den Abtransport zu verhindern."
Das Betriebsgelände befindet sich ja im Besitz der Stadt und FIAT ist bis 2008 daran gebunden. Ein vorzeitiges Aussteigen von CNH aus seinen Vertragsverpflichtungen sähe eigentlich Konventionstrafen vor.
Der Betriebsratsvorsitzende hatte auch in der Lutherkirche sich im Gesprächsgottesdienst mit dem Pastor unterhalten, dieser meinte es solle eine Kinder- und Jugenddemo geben um mal zu zeigen, wer von den Schließungen betroffen ist.
Außerdem wurde einer der Bosse 60. Warum geht der nicht einfach in Ruhestand?
In der Walpurgisnacht veranstalteten Berliner Autonome (u.a. die Berliner Anti Nato-Gruppe [BANG] und die Sternburgbrigade) ein Walpurgisnachtkonzert auf dem Boxhagener Platz in Berlin-Friedrichshain, auf dem u.a. Tiefenrausch auftraten. Auf dem Konzert wurde der Streik der Spandauer CNHler erwähnt und zur Solidarität mit ihm aufgerufen.
Auch war in den meisten Flugblättern diverser Gruppen zum ersten Mai der Streik bei CNH erwähnt.
Auf dem gewerkschaftlichen ersten Mai in Berlin um 10 Uhr morgens lief als erstes der Verdi-Block und dann der "O&K; Block" mit den CNH-Streikern und zwei Gradern. Dahinter lief die anarcho-syndikalistische "Freie ArbeiterInnen Union (FAU)".
Da ich im anarcho-syndikalistischen Block mitlief, grüßten mich die Kolleg_Innen und unterhielten sich mit mir oder riefen mir einfach nur meinen Namen zu. Das fand ich nett. Auf der Demo liefen ja die Polizisten um den FAU-Block Spalier. Auch das merkten so einige Kollegen. "Dich kenne ich ja, ich weiß dass du o.k. bist" sagte einer und wandte sich gegen die Polizei.
Weder am ersten Mai noch heute haben mich die Kolleg_Innen deshalb anders behandelt, eher im Gegenteil. Einige fragten mich was ich noch so am ersten Mai gemacht habe. Ich erzählte es ihnen.
Aber viel wichtiger war, dass die IG-Metall einen Bus nach Turin organisiert hatte. Die KollegInnen von O&K; zeigten in Turin Flagge. 60.000 Menschen demonstrierten in der FIAT-Hauptstadt.
Der Kampf der O&Kler; bei CNH wurde in allen Turiner Reden erwähnt. Eine O&K-Fahne; hing auf der Bühne. Die KollegInnen hatten ein Transparent auf Italienisch:"Vogliamo rimanere a Berlino e per questo che stiamo lottando!" ("Wir wollen in Berlin bleiben und dafür kämpfen wir!") und den Symbolen von IG-Metall, CNH und O&K.;
"Das war ein Riesenerfolg in Turin. So viel Aufmerksamkeit und Zustimmung für unseren Kampf hatten wir im Vorfeld nicht erwartet...das Interesse an unserem Streik war so groß, dass unsere Flugblätter bei weitem nicht ausgereicht haben um der Neugierde der ItalienerInnen nachzukommen" berichtete eine Anwesende (Zitat aus der CNH-Streikzeitung Nr. 44). Selbst die Medien hätten Schlange gestanden um Informationen aus erster Hand zu erhalten.
Alle fünf Gewerkschaften, die bei FIAT ArbeiterInnen organisieren, sagten volle Unterstützung zu und wollen dafür sorgen, dass keine Streikbrecher aus Italien nach Deutschland kommen. Vier der Gewerkschaften sicherten es im Solidaritätsschreiben zu. Die Demoteilnahme am 1. Mai schlug in der italienischen Presse ein. Es war ihnen sogar so wichtig, dass sie sogar die Berliner Maidemo mit den O&Klern; im Italienischen Fernsehen zeigten! So etwas nennt die CNH-Streikzeitung "Internationale Solidarität konkret!"
Mittlerweile gibt es ein sehr gutes Feedback aus Italien, wozu ich hier erstmal nix schreibe.
Am 2. Mai gab es mehrere Besuche:
Klaus Ernst, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Schweinfurt, Vorstand der WASG und MdB der Linkspartei und Gerd Bodin (Betriebsratsvorsitzender der Linkspartei) überbrachten die Grüße des Parteitages in Halle persönlich im Streik-Container, also ne Stange Geld vorbei.
Der Betriebsausschuss von Alcatel war auch da.
Am 3.Mai kam auch der Conver TEAM Betriebsrat vorbei und heute stellt sich der Arbeits- und Sozialminister, aus der SPD, Franz Müntefering um 17 Uhr den Fragen der Kolleg_Innen.
Was hier auf jeden Fall reingehört ist, dass vor dem Haupttor des Werkes auf dem Boden mit Kreide geschrieben stand (nicht von mir geschrieben): "Sich fügen heisst lügen! Erich Mühsam" und in der aktuellen Ausgabe der CNH-Streikzeitung ist das gesamte "Lied der Kommunarden" zur Pariser Kommune 1871 von Bertold Brecht (1934) abgebildet.