Berlin: FAU-Block auf 1. Mai-Gewerkschaftsdemo

Unter dem Motto "Endlich in die Offensive" beteiligten sich ca. 200 Menschen am anarchosyndikalistischen Block der FAU Berlin auf der traditionellen Gewerkschaftsdemo.

Damit setzen wir ein - wenn auch kleines - Zeichen, daß auch in Deutschland Gewerkschaft mehr bedeuten kann als lahme Rituale und Lippenbekenntnisse.

Ein Signal, das nicht jedem gefällt: während des gesamten Verlaufs der Demonstration wurde unser Block von einem Spalier der Polizei flankiert. Zum wiederholten Male der Versuch, unsere Gewerkschaft zu diskreditieren und unser Recht, als Gewerkschaft zu arbeiten, zu beschneiden - aber wen wundert´s.

[Anlage: Flugblatt zum 1. Mai der FAU Berlin]

Endlich in die Offensive gehen!
Statt "Bündnis für Arbeit": revolutionäre Gewerkschaften überall!

Wenn die Gewerkschaften notwendig sind für den Guerillakrieg zwischen
Kapital und Arbeit, so sind sie noch weit wichtiger als organisierte Kraft
zur Beseitigung des Systems der Lohnarbeit und Kapitalherrschaft selbst.
I. Kongress der Internationalen Arbeiterassoziation, Genf 1866

Ende des Stillhaltens
Nach Jahren des Verzichts haben die Lohnabhängigen in diesem Land in den
letzten Monaten eine Welle von Streiks wie schon lange nicht mehr in Gang
gesetzt. Es war nur allzu deutlich: egal wie viel wir verzichten, egal wie
hoch die Profite der Unternehmen, entlassen wird so oder so. Höchste Zeit
also, gegenüber dem Kapital endlich wieder in die Offensive zu gehen.
Leider spiegeln die bisherigen Ergebnisse der Arbeiterkämpfe kaum die
massenhafte Beteiligung, die berechtigte Wut und den (noch) hohen
gewerkschaftlichen Organisierungsgrad der Streikenden wider. Doch die
Beschwichtigungen verlieren an Wirkung.

Lohnsenkungsspirale
"Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in
Europa gibt", erklärte Kanzler Schröder vor dem "World Economic Forum" in
Davos am 28. Januar 2005. Damit sprach er aus, was nach europäischen
Regierungsvereinbarungen mittels der diversen Hartz-Gesetze durchzusetzen
war. Inzwischen wollen die Kapitalisten ohne Subventionen nichts mehr
unternehmen - bis hin zu "Eingliederungszuschüssen" (Lohnzuschuss bei
Einstellung von Langzeitarbeitslosen) und der Finanzierung von
"Beschäftigungsgesellschaften" bei "Betriebsänderungen" (also
Betriebs(teil)schließungen) aus der Arbeitslosenversicherung sowie
"Regiegeld" für die Ein-Euro-Job-Träger. Kombilohn ist längst Realität.
Kostenlose Ein-Euro-JobberInnen und PraktikantInnen ersetzen weithin
Lohnarbeitsverhältnisse. Zugleich zahlt die Arbeitslosenkasse für jeden,
der in ALG II übergeht, einen "Aussteuerungsbetrag" von ca. 10.000 Euro an
die Bundeskasse. Allein 2005 wurden sozialversicherungspflichtige
Arbeitsverhältnisse um 400.000 Stellen abgebaut, Abfindungen bei
Betriebsschließungen werden hoch besteuert. So werden also die
Sozialkassen und Löhne geplündert.

Anreizung zum Klassenkampf
Die Bundesregierung gestand im Dezember zynisch ein, "durch die pointierte
Darstellung von ausgewählten Fällen" im August mit der höhnischen Kampagne
des Clement-Ministeriums erfolgreich "die Aufmerksamkeit der
Öffentlichkeit" auf angebliche Abzocke im Sozialstaat gelenkt zu haben.
Vermehrten sich die Faulenzer seit 1970 in der BRD von 100.000 auf 5
Millionen? Oder werden immer mehr Menschen wegen Produktivitätssteigerung
und "Gewinnplanung" für die kapitalistische Rechnung überflüssig? Kann die
Profitwirtschaft unsere Bedarfsdeckung nicht mehr leisten? Ist die Aufgabe
hinfällig, wie einst in der Sozialhilfe "den Leistungsberechtigten die
Führung eines Lebens zu ermöglichen, das der Würde des Menschen
entspricht"?
Während die "Nationale Armutskonferenz" es für nötig hält, den
ALG-II-Regelsatz um mindestens 20% zu erhöhen, fällt "unserem" Parlament
über Nacht ein, den Bedarf der 18-25jährigen um 20% zu senken. Rechte der
Volljährigkeit, Freizügigkeit, (Aus-)Bildung, Berufswahl werden
abgeschafft. - Solche Parlamente sind jüngst mit bis zu 54% abgewählt
worden (so viele Menschen haben in Sachsen-Anhalt ihre Stimme behalten).

Wir kriegen nur wofür wir kämpfen
Ob Arbeitskampfrecht oder Lohnstandards - sie sind uns nie geschenkt
worden. Wenn wir keine Kräfte entwickeln, sie zu verteidigen, werden wir
sie verlieren. Tarifverträge haben höchstens bestätigt, was je wilde
Streiks errungen haben (z.B. die sogenannte Steinkühler-Pause).
Arbeitsgesetze abzuwehren wird zum politischen Streik - in diesem Land
(noch) verboten wie auch Solidaritätsstreiks und Streiks zur Erhaltung
eines Betriebs. Doch schon ein kaiserlicher Kanzler Bismarck hatte 1881
eingesehen, dass "die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im
Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen" zu finden ist,
und suchte das System auch mit Hilfe einer kontrollierten
Sozialversicherung zu stabilisieren.

Solidarität ist keine Einbahnstraße
Wer gegen Zumutungen gegenüber Erwerbslosen - wie zuvor gegenüber
Migranten - gleichgültig bleibt, findet sie bald als entrechtete
Lohndrücker neben sich - z.B. als Ein-Euro-Jobber, die jüngst in Osnabrück
und Hamburg sogar zum Streikbruch genötigt wurden. Wer nur "den Standort"
sichern will, kann keine Solidarität der Arbeitenden in ausländischen
Betriebsteilen internationaler Konzerne erwarten.

Zu Tisch bei (herrschenden) Gönnern - oder Selbstbestimmung?
"Arbeitervertreter" mühen sich um Anerkennung durch die Unternehmer und
Politiker - und versprechen die Kontrolle über die Vertretenen. Nach
unserem Verständnis ist jedwede Stellvertreterpolitik zurückzuweisen,
müssen die Betroffenen selbst entscheiden und ihre Kräfte einsetzen,
können ihre Situationskenntnis nicht an "Experten" abtreten.

Was will die FAU
Die Freie ArbeiterInnen Union hat eine Gesellschaftsform zum Ziel, in der
ausschließlich die selbstorganisierten Produzierenden über ihre Arbeits-
und Lebensbedingungen entscheiden. Zentralistische Organisationsformen,
wie z. B. bei Parteien, lehnen wir ab.
In der FAU organisieren sich Menschen unabhängig
von Vertragsverhältnissen zur Verteidigung, Verbesserung oder auch
Überwindung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen - ob also selbständig
produzierend, lohnabhängig, in Ausbildung oder erwerbslos. Dies bildet
eine bundesweit organisierte Föderation von Basisgewerkschaften in der
Tradition des revolutionären Syndikalismus. Statt Vollmachten an bezahlte
FunktionärInnen zu vergeben, entscheiden ausschließlich die Betroffenen
über ihre Belange. Um Kämpfe auch international führen zu können, ist die
FAU der anarchosyndikalistischen Internationale, der Internationalen
ArbeiterInnen Assoziation (IAA) angeschlossen. Alle Menschen, die in
diesem Sinne mit uns zusammenarbeiten wollen, sind uns willkommen.

weiterer Demobericht:

ein weiterer Demobericht aus Potsdam ist zu sehen unter ortgruppen/potsdam