Interview zu den in Straßburg inhaftierten Hafenarbeitern
Die Frau, eines der acht inhaftierten Hafenarbeiter in Straßburg, wurde über die Verurteilung ihres Mannes befragt. Zum schwierigen Kontakt nach Straßburg und vor allem den finanziellen und emotionalen Folgen der ganzen Situation für die gesamte Familie.
Dein Mann ist einer von den acht Hafenarbeitern, die in Straßburg nach der Demonstration gegen die Hafenrichtlinie inhaftiert wurden?
Ja, mein Mann wurde während der Demonstration in Straßburg verhaftet. Er hat drei Monate ohne Bewährung bekommen. Alle acht werden beschuldigt Steine geworfen zu haben und jedem der acht wird noch weiteres zur Last gelegt. Mein Mann wird beschuldigt, sich gegen die Polizei gewehrt zu haben und mit Bolzen und Schrauben geworfen zu haben.
Worauf basieren die Anschuldigungen?
Die Anschuldigungen gegen die acht Hafenarbeiter basieren einzig und allein auf Aussagen der Polizei. Es wurde kein einziger Beweis vorgelegt. Ich weiß von mindestens drei Frauen und Müttern von eingesperrten Hafenarbeitern, daß sie von ihren Söhnen und Ehemännern Briefe erhalten haben, in denen sie nachdrücklich erklären, daß sie absolut unschuldig sind.
Mein Mann schreibt in seinem Brief, daß er selbst am Kopf der Demonstration lief, und daß er als einer ersten am Anfang der Demo verhaftet wurde. Er war noch keine 500 Meter weit. Die Demonstration war noch ruhig und mein Mann kann zu der Zeit sicherlich noch keine Steine oder Bolzen geworfen haben. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß mein Mann so etwas tut.
Wie reagiert dein Ehemann auf die Situation?
Er fühlt sich gegenüber mir und dem Rest der Familie ungeheuer schuldig. Die Männer haben es dort sehr schwer. Ich habe der Gewerkschaft gesagt, daß sie psychologische Hilfe benötigen. Sie haben große Probleme mit ihrem Lohnbuch*. Stell dir vor, daß sie nicht mehr im Hafen arbeiten können... Dann wird das noch ein größerer finanzieller Schlag.
Zum Glück sitzen sie zusammen. Sie sind zu zweit in einer Zelle. Aber es ist nicht das Problem der Anzahl. Außer einem, kann keiner von ihnen kann richtiges Französisch. Gestern ist eine Mutter von einem der Hafenarbeiter zu Besuch gewesen. Sie hat ein französisches Wörterbuch dagelassen.
Wie verläuft momentan der Kontakt mit deinem Ehemann?
Sehr schwierig. Anfangs hatten sie geglaubt, daß wenn sie erstmal Anwälte haben, wir in der Lage sein sollten zu telefonieren. Aber das scheint nicht zu funktionieren. Die Anwälte haben sich dafür entschuldigt. Letztendlich scheint es so zu sein, daß wenn Ausländer einsitzen, diese keinen telefonischen Kontakt haben können. Briefwechsel ist möglich, aber der wird kontrolliert.
Kannst du ihn besuchen?
Meine Papiere sind momentan noch nicht in Ordnung. Ich bin ziemlich im Streß. Ich stehe momentan mit meinen drei Kindern alleine da. Ich habe lange auf eine Antwort gewartet, ob die Papiere die Paßbilder der Kinder beinhalten müssen. Sie haben gesagt, daß die Bilder dabei sein müssen. Nachdem ich die Paßbilder habe machen lassen, habe ich zu hören bekommen, daß meine drei Kinder nicht zugelassen werden. Vergleiche das mal mit einem Fischer, der auf See ist. Die Kinder nehmen Abschied und wissen, daß er für ein paar Monate weg ist. Aber meine Kinder haben absolut keinen Abschied nehmen können und sie können ihn für drei Monate nicht sehen. Sie leiden psychologisch enorm darunter.
Wenn meine Papiere in Ordnung sind, kann ich ihn besuchen. Aber für dieses Wochenende wird das nicht mehr möglich sein, weil es im Besuchsraum keinen Platz mehr gibt. Aber ich habe einen Antrag gestellt, ihn Mittwoch nächster Woche zu besuchen.
Wie steht es mit den finanziellen Folgen?
Es sieht schlecht aus... Die meisten Frauen arbeiten nicht oder arbeiten Teilzeit. Daher ist das Einkommen des Mannes meistens das Haupteinkommen und das fällt nun weg. Aber die festen Kosten bleiben. Ich bin zur Zeit krankgeschrieben, aber wenn ich bald wieder zur Arbeit gehe, werde ich Extraausgaben für Kinderbetreuung haben, außerdem muß ich jetzt jede Woche mit meinem Sohn zum Psychologen, weil er das nicht verarbeiten kann. Das bringt weitere Kosten mit sich. Wir brauchen die Unterstützung sehr.
Hast du Kontakt zu Frauen und Müttern von anderen eingesperrten Hafenarbeitern?
Der Kontakt ist langsam zustande gekommen durch eine Mutter einer der Hafenarbeiter, die letzte Woche Hals über Kopf nach Straßburg gefahren ist und nach langen Verhandlungen hat sie zusammen mit einem Anwalt ihren Sohn besuchen können. Sie hat die Namen und Adressen der anderen durchgegeben. So sind wir miteinander in Kontakt gekommen. Wir unterstützen uns gegenseitig sehr. Ich gehe am Mittwoch mit meinem Vater zu Besuch. Es gibt noch andere, die eventuell mitkommen. Auch die Männer dort unterstützen sich viel untereinander. Sie haben eine starke Freundschaft miteinander entwickelt.
Werden weitere Schritte unternommen, um sie eventuell hierher zu bekommen?
Die Fahrt nach Straßburg dauert sechs Stunden. Es ist ein Riesending, hin und zurück zu fahren. Wir hoffen zuerst auf Strafverminderung, und dann auf eine mögliche Rückführung. Wir haben von den Anwälten gehört, daß sie heute Schritte in diesem Sinne unternommen haben. Auch das belgische Konsulat ist damit beschäftigt.
Minister Onkelinx hat vorige Woche in den Medien noch gesagt, daß sie darüber verhandeln, aber seitdem haben wir nichts mehr davon gehört.
Wir hoffen sehr auf die Bereitwilligkeit der Menschen, uns zu unterstützen, weil es wirklich ein finanzielles Desaster ist. Die Männer brauchen auch unsere Unterstützung. Wir müssen wirklich darauf dringen, daß sie nicht vergessen werden.
*Notiz: Ein Hafenarbeiter hat einen geschützten Status, um im Hafen zu arbeiten, brauchen sie ein Lohnbuch. Das Lohnbuch bekommen sie nur, wenn sie Ausbildung und Praxis absolviert haben.
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Soweit die Übersetzung. Es folgen die Kontoinformationen für das Solidaritätskonto des Dachverbands der belgischen Gewerkschaften (Gemeenschappelijk Vakbondsfront Havens van Belgie):
Konto 132504950315
IBAN BE83-132-5049503-15
BIC BNAGBEBB
Betreff: SOLIDARITEIT STRAATSBURG
Für weitere Informationen: Willi.Fock@freenet.de