Über Streik, Repression und Selbstorganisation - Schüler aus Frankreich berichten
Seit Anfang dieses Jahres bekam man keine Ruhe mehr in die Schulen Frankreichs. Die SchülerInnen gingen zu Zehntausenden auf die Straße und besetzten seit März
sogar hunderte Schulgebäude. Nachdem das Parlament die Vorlage des Ministers für ein neues Schul-Rahmengesetz durchgewunken hatte, gewannen die Proteste mit der Besetzungswelle eine neue Qualität: Die offiziellen Schülerverbände zogen sich zurück, so dass die Bewegung von Schüler-Aktions-Komitees (Comités dAction
lycéene) getragen wurde. Selbstorganisiert, kämpferisch und solidarisch!
Zwei Schüler, die in Paris dabei waren, werden in den nächsten beiden Wochen in Leipzig, Dresden und München von ihren Erfahrungen erzählen ... Am 21.7. findet in München der zweite Schulstreik statt.
Inzwischen sind nun Sommerferien, und diese Flaute nutzen die Behörden für zahlreiche Strafprozesse. Die Umsetzung des Gesetzes ist aber derzeit auf Eis gelegt - so hat die Schülerbewegung der Regierung doch einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht.
Denn: Reformen sind in! Europaweit wird reformiert was das Zeug hält. Das mutige Engagement der französischen Gymnasiastinnen und Gymnasiasten, die 4 Monate lang gegen die jüngste "Bildungsreform" gekämpft haben, hat gezeigt, dass es möglich ist, sich zur Wehr zu setzen.
Unter dem Vorwand der Verbesserung des Schulsystems und der Anpassung an die moderne Gesellschaft verankert das neue Schulgesetz ein Zwei-Klassen-Erziehungssystem. Die Sprösslinge wohlhabender Familien sollen einen breiteren und differenzierteren Zugang zu Bildung und Kultur erhalten, ja sogar -je nach Leistung- Stipendien bekommen können: Kultur und kritischer Sinn für die Elite! Die Anderen sollen sich mit der Beherrschung einiger Grundfächer (Französisch, Englisch, Mathe, Physik und Grundkenntnisse der Informatik) zufrieden geben. Diese sollen ohnehin für zukünftige Malocher und Arbeitslose völlig ausreichen...
Die Gymnasiastinnen und Gymnasiasten haben schnell kapiert, dass es bei diesen Reformen schlicht um ihre Zukunft geht und haben entsprechend reagiert. Entstanden ist eine selbstorganisierte Bewegung: Aktionskomitees wurden in vielen Schulen ins Leben gerufen und haben sich im ganzen Land vernetzt. Über Demonstrationen, Blockaden und sogar Besetzungen haben sie es geschafft, diese Reformen öffentlich in Frage zu stellen und positive Forderungen zu formulieren. Trotz massiver und
in diesem Aussmaß noch nie gesehene Repression (Polizeigewalt, willkürliche Verhaftungen, usw.) haben sie über 4 Monate lang durchgehalten.
Wir haben zwei französische Gymnasiasten eingeladen, die sich in dieser Bewegung engagiert und in der wiedergegründeten Schülergewerkschaft der CNT organisiert haben, der CNT-FAL (Confédération Nationale du Travail - Formation Action Lycéen). Sie werden über die Hintergründe der Bildungsreform und über ihre lebendigen Erfahrungen erzählen, und erhoffen sich auch Infos über hiesige "Reformen" und eine fruchtbare Diskussion mit Euch.
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