»Agenturschluss« - Die gemeinsame Abgabe der ALG II Anträge
Frankfurt/M: Dem Aufruf zur gemeinsamen Abgabe der ALG II Anträge waren nicht nur Betroffene und ihre FreundInnen gefolgt, auch sieben Mannschaftswagen der Bereitschaftspolizei standen in einer Seitenstraße beim Arbeitsamt.
Köln: Über Zwanzig Arbeitslose sickerten ins Amt, zähneknirschend geduldet vom amtseigenen Werkschutz, der als Verstärkung Polizei und Zivile im Hintergrund hatte. Vielleicht hatte eine Aktions-Ankündigung der taz-köln ein wenig zu drastisch geklungen, vielleicht machte die Herren ein schlechtes Gewissen nervös, das nach Strafe durch Knecht Ruprecht rief.
Tübingen: Heute haben rund ein dutzend Personen vor dem Tübinger Arbeitsamt Zeitungen und Flugblätter zu Sozialabbau und Hartz4 verteilt.
Bericht Frankfurt/M: Zwei dutzend Menschen waren zu der Aktion vor dem Amt, daß mit "Aktionsschluss" Plakaten dekoriert war, erschienen und verteilten Flugblätter, DA-Sondernummern oder diskutierten mit vielen "Kunden" der Arbeitsagentur.
Während über Megafon mehrmals Redebeiträge zu "Agenturschluss", 1 Euro Jobs und ein Aufruf zur Sabotage von Hartz IV an die Beschäftigten der Anstalt gehalten wurden, gab es Tee und "Arbeitsplätzchen" für die arbeitslosen KollegInnen, die ihre Anträge abgegeben hatten. Diejenigen, die noch in den endlosen Schlangen in den Behördenfluren warteten, konnten sich die Zeit vertreiben, viele Fenster waren geöffnet worden, um die Reden zu hören. Soweit wir es in Gesprächen mitbekommen haben, waren die Rückmeldungen der arbeitslosen KollegInnen ausnahmslos positiv.
Anders beim Sicherheitsdienst der Anstalt, die zum Schluß der Aktion wütend mehrere unserer Plakate zerrissen.
Über die Resonanz bei den Beschäftigten läßt sich wenig sagen, einige männliche Angestellte äußerten sich ablehnend, mehrere weibliche Beschäftigte winkten uns zu. Aber diese Frage läßt sich ja auch später klären, wir kommen am 3.1. ja wieder vorbei!
Bericht Köln: Jedenfalls gaben wir unsere Anträge gemeinsam ab, liefen anschließend in kleinen Gruppen durch die Flure des Hochhauses und reichten den Beschäftigen Aufrufe zum Streik in ihre Büros.
Unser strategisches Ziel war es, gemeinsam in das Amt zu kommen. Das schien zunächst nicht so einfach, da grimmig drein schauende Security am Eingang aufgezogen und nur ein Zugang geöffnet war. Spezielle Abgabeschalter waren im Eingangsbereich eingerichtet, mit denen man uns abfangen wollte. Andererseits lieferten wir keinen Grund für eine Ungleichbehandlung, was auch der "Teamleiter Infrastruktur", ein Herr Wittkampf, einsehen musste. Dies war keine Demo sonderen eben eine Antragsabgabe mit Beiständen. Von unserem Recht auf freie Meinungsäußerung machten wir außerdem durch Flugblätter und DA-Sondernummern Gebrauch.
So sickerte unser Trüppchen ins Amt - wie hunderte andere Arbeitslose auch. Hieß es früher immer, man bräuchte einen persönlichen Termin für die Abgabe der Anträge, so stellte man uns heute eine Wartezeit von ca. einer Stunde in Aussicht. Die Zwischenzeit nutzen wir, fuhren Aufzug und verteilten Streikaufrufe an die Angestellten - mit einem zähneknirschenden und irgendwie unvorbereiteten Herrn Wittkampf im Schlepptau. Offensichtlich hatte er ein anderes Szenario erwartet. Arbeitsamts-Chef Welters war nicht in seinem Büro über den Dächern von Köln (15. Etage), dafür seine Sekretärin. Die Reaktion der Beschäftigten war überwiegend freundlich bis überrascht, hatte man sie doch auf einen wütenden Mob vorbereitet und nun kamen freundliche engagierte Leute mit einem nachvollziehbar formulierten Anliegen: Solidarität.
Vor einem Monat - bei der "Schätzung geldwerter Gegenstände" - waren wir zehn, heute waren wir zwanzig, am 3. Januar um 9.00 Uhr wollen wir - in Zusammenarbeit mit anderen Gruppen - über hundert werden und gucken was im Amt so alles möglich ist. Ach ja: Sekt getrunken haben wir auch. ALG II für alle - Prost!
Bericht Tübingen: Die AktivistInnen waren von den Tübinger Montagsdemos und der Ortsgruppe Tübingen der FAU-IAAa. Ein Transparent mit der Aufschrift "gegen Zwangsarbeit und Niedriglohn! Nicht jammern organisieren. FAU-IAA", welches bei ähnlichen Aktionen dieses Jahr schon öfters zum Einsatz kam, wurde angebracht. Die Reaktionen der betroffenen Menschen, waren fast durchweg positiv. Das ganze dauerte von 09.30 - 12.00 Uhr.
Redebeitrag zu 1-Eurojobs am 6.12.04
Noch nie war Arbeit so billig! --- Hartz IV machts möglich!
Mit der Einführung von ALG II ab Januar 2005, können Langzeitarbeitslose künftig zu sogenannten 1-Euro Jobs gezwungen werden.
Jeder fünfte Langzeitarbeitslose soll laut Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement davon betroffen sein.
Verharmlosend ist im Hartz IV - Gesetz von "Arbeitsgelgenheiten" die Rede.
Dieser Ausdruck ist in höchstem Maße schönfärberisch.
Er kann jedoch nicht darüber hinweg täuschen, um was es sich wirklich handelt:
1-Euro Jobs sind Beschäftigungsverhältnisse, die denen in der Sklaverei ähneln.
Was früher die Peitsche war, ist nun die Androhung von Sperrzeiten, sobald sich jemand weigert eine "Arbeitsgelegenheit" anzunehmen.
Wer eine derartige Zwangsarbeitsgelegenheit ablehnt, bekommt je Verweigerung eine Kürzung des Arbeitslosengeld II um 30%.
Jugendlichen unter 25 Jahren wird die Unterstützung komplett gestrichen - nur noch der Mietzuschuss soll dann (direkt an den Vermieter) überwiesen und Lebensmittelgutscheine können gewährt werden.
Durch die Notwendigkeit zur Existenzsicherung genötigt, finden sich Arbeitslose künftig in Jobs wieder, in denen sie kaum rechtliche Möglichkeiten haben, sich gegen miese Behandlung zur Wehr zu setzen.
Geltendes Arbeitsrecht? - Fehlanzeige!
Hartz IV beschreibt ausdrücklich, dass es sich bei den 1-Euro-Jobs um keine Arbeitsverhältnisse im Sinne des Arbeitsrechts handelt.
Alle Betroffenen sind lediglich durch den Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz abgesichert.
Alle anderen Arbeitsgesetze haben keine Gültigkeit.
Die Konsequenz aus diesem Fallstrick:
Wer krank wird bekommt nicht einmal mehr den Hungerlohn von 1-2 Euro weiter bezahlt, denn das Entgeldfortzahlungsgesetz gehört nicht zum Arbeitsschutz.
Im Falle eine Unfalls, ist zwar eine medizinische Versorgung gewährleistet, eine Unfallrente jedoch nicht.
Warum? -- Empfänger von ALG II arbeiten im juristischen Sinne gar nicht, deshalb sind sie von der betrieblichen Unfallversicherung ausgeschlossen.
Dass die allgemeinen Arbeitsschutzvorschriften offiziell noch gelten ist mehr als eine Farce. Wer sich beschwert und auf die Einhaltung des Arbeitsschutzes pocht kann sofort gekündigt werden, denn auch das Kündigungsschutzgesetz hat keine Gültigkeit.
Entsprechend dieser Logik von Entrechtung ist die Gründung von Betriebs- oder Personalräten Menschen die einer Arbeitsgelgenheit nachgehen natürlich ebenfalls untersagt.
Erwirbt man mit einem 1-Euro Job Anspruch auf Arbeitslosengeld? - Nein, ebenfalls Fehlanzeige.
Und so lautet die bittere Prognose: Einmal Zwangsjobber immer Zwangsjobber.
Ein Sprichwort sagt sinngemäß, "wo viel Schatten ist, ist auch viel Sonne".
Und die Sonne muß man auch in diesem Fall nicht lange suchen.
Nutznießer der 1-Euro Jobs gibt es in Hülle und Fülle:
Caritas, Arbeiterwohlfahrt, Paritätischer Wohlfahrtsverband , das Deutsche Rote Kreuz und die Diakonie haben sich als willige Unterstützer und Profiteure dieses Sozialraubs entpuppt.
War man sich bis vor kurzem in deren Reihen noch einig, zumindest den Zwang zu jeder Arbeit bei jedem Lohn eindeutig abzulehnen, wollen diese Sozialverbände den Arbeitszwang nun nutzen, um billige Arbeitskräfte zu beschäftigen.
Sie biedern sich an, den von der Bundesagentur für Arbeit angestrebten Niedrigstlohnsektor mit 600.000 solcher "Arbeitsgelegenheiten" zu organisieren.
Immerhin hat die Bundesregierung für die Verwaltungs- und Lohnkosten 6,3 Milliarden Euro bereitgestellt.
Allein in Frankfurt haben die Vereine bereits 1800 derartige Stellen beim Arbeitsamt beantragt.
Gemeinsam mit Clement preisen die Verbände Zwangsarbeit "zum Gemeinwohl" als Geste des Entgegenkommens: Eine attraktive Möglichkeit, die 345 Euro Arbeistlosengeld II aufzubessern.
Herzlichen Dank - vom Zwangscharakter, dem Fehlen von Qualifizierungsmöglichkeiten, und der Auswirkung auf den restlichen Arbeitsmarkt wird dabei nur ungern gesprochen.
Arbeitslose, die sich an jedem Ort, zu jedem Preis verkaufen müssen, werden knallhart gegen die Beschäftigten ausgespielt:
der Zwang, jeden noch so miesen Job annehmen zu müssen, schafft ein Heer von flexiblen Zwangs-Jobbern im Niedrigstlohnbereich und beschert den noch Beschäftigten drastische Lohnsenkungen bzw. Massenentlassungen.
Das Malerhandwerk beispielsweise fürchtet zurecht, dass ein Großteil der Aufträge künftig von ungelernten 1 Euro Jobbern erledigt wird. In der Altenpflege werden gelernte PflegerInnen auf einen minimalen Kernbereich beschränkt. Der Rest wird durch moderne Sklaven ersetzt.
Einmal mehr wird deutlich: der soziale Angriff rund um Hartz IV gilt allen - sowohl Erwerbslosen, als auch Beschäftigten.
Soziale Gerechtigkeit und das persönliche Selbsbestimmungsgrecht werden offenbar auch bei Caritas & Co. ganz neu definiert. Von diesen Plänen sollten sich die Sozialverbände schleunigst wieder verabschieden! Wir würden das Lippenbekenntnis von Caritas-Geschäftsführer Georg Cremer gerne ernst nehmen:
"Wer zu uns kommt, tut dies freiwillig. Wir werden keine Zwangszuweisung durch Fallmanager der Arbeitsverwaltung akzeptieren. Bei uns handelt es sich um einen Dienst am Menschen, da muss eine eigenständige Motivation vorhanden sein. Damit eignen sich unsere Arbeitsgelegenheiten auch nicht für den im Gesetz vorgesehenen Sanktionsmechanismus. (Rheinischer Merkur 18.8.04)"
Wer sich allerdings öffentlichkeitswirksam gegen die im ALG II -Gesetz festgeschriebene Zwangsarbeit ausspricht, muss sich auch tatsächlich als Kooperationspartner der Bundesregierung für die Schaffung und Verwaltung von Arbeitsgelegenheiten zurückziehen. Wir fordern hier eine klare Absage der Sozialverbände an die Bundesregierung. Dazu gilt es den Druck zu erhöhen. Wir rufen daher zu Aktionen gegen die oben genannten Verbände auf.
* Weg mit der staatlich verordneten Zwangsarbeit!
* Wir wollen keine Beruhigungspillen, in Form von kleinen Nachbesserungen sondern die sofortige Rücknahme der gesamten Sozialräuberpackung Agenda 2010, inklusive Gesundheits-, Renten"reform" und Hartz-Gesetze
* Vertraut nicht auf alte oder neue Parteien, sondern organisiert euch selbst, ohne Chef's und Bosse
FAU-IAA Frankfurt