10.000 Menschen auf der Demo gegen Sozialraub, Agenda 2010 und Hartz IV in Nürnberg
Rund 10.000 Menschen waren nach Nürnberg gekommen, um bei der Demonstration zur Zentrale der "Bundesagentur für Arbeit" ihren Widerstand gegen Sozialraub, Agenda 2010 und Hartz IV auf die Straße zu tragen. Die FAU war mit einem eigenen Lautsprecherwagen präsent. Dem lautstarken und lebendigen schwarz-roten Block, den mehrere Gruppen der FAU organisiert hatten, schlossen sich ca. 300 Leute an. In mehreren Redebeiträgen wurde zur Agenturschluß-Aktion und zur Verzögerung sowie kollektiven Abgabe der ALGII-Anträge aufgerufen. Die nachfolgend dokumentierte Presseerklärung des Nürnberger Sozialforums gibt einen detaillierten Überblick über die Demonstration. Fotos des "schwarz-roten Blocks" hier.
Presseerklärung des Sozialforum Nürnberg
Knapp 10.000 Menschen demonstrierten heute gegen Sozialraub, Agenda 2010 und Hartz IV in Nürnberg
Unter der Parole "Gemeinsam gegen Sozialraub, Agenda 2010 und Hartz IV! Eine andere Welt ist möglich und nötig!" demonstrierten am heutigen Samstag knapp 10.000 Menschen zur Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Sie setzten sich gemeinsam mit dem Sozialforum Nürnberg als Veranstalter für Alternativen zur herrschenden Politik ein.
"Wir lehnen die weltweite Standortkonkurrenz und rassistische Ausgrenzungspolitik ab. Wir streben eine Wirtschaftsordnung an, die sich nach den Bedürfnissen der Menschen richtet und unser Leben nicht dem Profitstreben unterwirft. Wir leisten Widerstand und setzen uns für eine Welt ein, in der Ausbeutung und Unterdrückung der Vergangenheit angehören!
Die vom Sozialforum Nürnberg veranstaltete Aktion hat ihr politisches Ziel erreicht, die Basisinitiativen und von Sozialraub und Lohnsenkung Betroffenen sichtbar zu Wort kommen zu lassen. Mit knapp 10.000 Teilnehmer/innen sind die Erwartungen der Veranstalter deutlich übertroffen worden, die angesichts der seit Monaten andauernden Protesten mit einer gewissen Ermüdung gerechnet hatten.
Besonders erfreulich ist die Tatsache, dass sich zahlreiche politisch nicht gebundene Menschen der Demonstration angeschlossen haben. Wie schon bei der spontanen Bewegung der Montagsdemonstration oder dem eigenständigen Streik der Opellaner in Bochum, hat sich auch heute erneut gezeigt, dass heute viele Menschen bereit sind, sich aktiv an Protesten zu beteiligen.
Erreichte Ziele
Die heutige Demonstration belegt eindrucksvoll, dass das im Politbetrieb hierzulande noch wenig praktizierte Konzept eines "social forums" als "offenem Raum" funktioniert, in dem sich Betroffene und Aktivist/innen aus unterschiedlichsten Bereichen treffen, vernetzen und gemeinsam zu wirkungsvollen Aktionen kommen. Unser Basisansatz ist ein Experiment, das bewusst mit der weitverbreiteten Stellvertreterpolitik bricht. Bei uns rufen keine Funktionäre zu symbolischen Protesten auf, sondern politische Aktivist/innen wie politisch nicht organisierte Betroffene werden gemeinsam aktiv.
Sowohl die Redner/innen wie auch Demonstrant/innen haben durch Transparente und Parolen klar gemacht, dass wir alle betroffen sind. Nur gemeinsam, solidarisch und kollektiv können wir wirksame Gegenwehr entwickeln. Die Demonstration war ein wichtiger Schritt bei der Entwicklung eines Bewusstseins, das die Spaltung in Betroffenengruppen überwindet. Wir haben unsere gemeinsamen Interessen auf die Tagesordnung gesetzt, die im Widerspruch zu den Interessen der herrschenden Eliten aus Politik und Wirtschaft stehen.
Die Demonstration war bunt zusammengesetzt, aber inhaltlich klar ausgerichtet. Erfreulich ist die zahlreiche Beteiligung von Migrant/innen und Flüchtlingen, die besonders von prekären ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und Sozialraub betroffen sind. Heute demonstrierten Erwerbslose und Beschäftigte gemeinsam gegen Agenda 2010. Angesichts des sonst eher bezugslosen Nebeneinanders von (gewerkschaftlicher) Arbeiterbewegung und sozialer Bewegung z.B. der Arbeitslosen haben wir hier einen wichtigen Durchbruch zu einer gemeinsamen Gegenwehr aller Betroffen geschaffen.
Ablauf
Die schikanösen Kontrollen, insbesondere der anreisenden Busse, im Vorfeld seitens der Polizei sollten wohl potentielle Teilnehmer/innen einschüchtern und abschrecken. Auch wenn dies nicht gelungen ist, verzögerte sich der Beginn der Demonstration dadurch um eine Dreiviertelstunde.
Dank des besonnen und disziplinierten Verhaltens der Demonstrant/innen konnte die Demonstration wie vorgesehen zu Ende gebracht werden, auch als das USK (Unterstützungskommando) kurz vor der Bundesagentur in erkennbar provokativer Absicht die Demospitze bedrängte.
Insgesamt hat sich unsere Einschätzung bestätigt, dass die von Stadt und Polizei im Vorfeld vorgetragenen Gründe für eine "Sicherheitszone" einzig und allein der Stimmungsmache gegen den berechtigten Protest gedient haben.
Reden
Die Redner/innen haben die ganze Bandbreite der Basisinitiativen und Betroffenen abgedeckt. Elisabeth Ramthun stellte die Arbeit und das neuartige Konzept des Sozialforums Nürnberg vor. Eine Vielzahl von Themen und Bereichen wurde angesprochen: von "der sozialen Revolution als notwendige Alternative zum unvernünftigen Wirtschaftssystem des Kapitalismus" (Markus Schwarz, Organisierte Autonomie), "Alternativen zur neoliberalen Globalisierung" (Kurt Haymann, Attac Deutschland) über die "die aktuelle Situation bei Opel Bochum" (Wilfried Moryson, Vertrauensmannin Werk 2) bis hin zu Sebastian Giseler (Schüler/innenbündnis Nürnberg), der aufzeigt, dass Privatisierung und Kürzungen bei der Bildung Bestandteil des generellen Angriffs auf unsere Lebensverhältnisse sind.
Ausführlich sind die Betroffenen zu Wort gekommen, die sich in Basisinitiativen selbst organisieren. Frank Jäger (Bundesarbeitsgemeinschaft Sozialhilfeinitiativen, BagShi) zeigt aus Sicht der Betroffen, was Armut durch Agenda 2010 für Millionen bedeutet. Orhan Akman (ver.di München) schilderte die Lage der Arbeitsmigrant/innen und betont insbesondere die Notwendigkeit international solidarischer Gegenwehr. Constance Etchu (Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und Migrant/innen) sprach über die ungeheuerliche Ausbeutung von Flüchtlingen und in die Illegalität gezwungen.
Ausblick
Die heutige Aktion hat der Bewegung gegen Agenda 2010 eine Perspektive aufgezeigt. Jenseits weiterer konkreter Aktionen, wie Agenturschluss am 3. Januar 2005 und den Protesten gegen die NATO-Sicherheitskonferenz in München im 11./12. Februar 2005 wird es zukünftig darum gehen, die Selbstorganisation der Betroffenen zum Beispiel in Basisinitiativen in Betrieben, von Erwerbslosen, in Schulen und Unis, als Netzwerke von illegalisierten Flüchtlingen voran zu treiben. Die Bildung und Vernetzung solche Basisansätze, u.a. über Sozialforen, wird die Grundlage sein, auf der zukünftig der Protest und der zu entwickelnde Widerstand unüberhörbar werden wird.
(Presse AG des SF Nürnberg, 6.11.04)
Das Sozialforum Nürnberg bedankt sich ganz herzlich bei allen die die heutige Grossdemo vor der Bundesagentur zu einem Erfolg gemacht haben. Besonders danken möchten wir allen die einen Weg bis nach Nürnberg fahren mussten und natürlich bei den vielen HelferInnen ohne wir die Demo nicht hätten durchführen können.