No war between people - No peace between classes!
In seinem jährlichen Grußwort zum 1.Mai legt das Sekretariat der anarcho-syndikalistischen Internationale, der IAA, dieses Jahr ein Schwergewicht auf die aktuelle Situation im Irak. Wie durch ein Brennglas zeigt sich dort momentan, wie immer größere Teile des globalen Proletariats ins Kreuzfeuer von zwei Arten von Terrorismus geraten.
Auf der einen Seite den Staatsterrorismus der USA und der aufstrebenden europäischen Militärmacht und auf der anderen Seite den Terrorismus der klerikalen Reaktion. Gegen beide gilt es, den ökonomischen, sozialen, kulturellen und antimilitaristischen Kampf zu organisieren. Die Barbarei wird erst ein Ende haben, wenn Kapitalismus und Staat ersetzt wurden durch die Föderation der freien ArbeiterInnen-Assoziationen, durch den libertären Kommunismus.
Von Fallujah im Westen Bagdads bis in kleine schiitische Städte im Süden Iraks, sehen sich die US-Streitkräfte dem intensivsten Widerstand seit Beginn der Besetzung des Irak vor einem Jahr gegenüber. Die zunehmend verbitterten und demoralisierten US-Truppen werden in immer ausgedehntere Kampfhandlungen verwickelt [are being ordered on extended deployments]. Wir sehen bewaffnete Aufstände, Entführungen, Angriffe auf Öl-Pipelines und Konvois - und verzweifelte USA, die die UNO bitten, eine stärkere Rolle einzunehmen.
Während dieser Text geschrieben wird, sind die Ergebnisse der Situation in Fallujah und Najaf noch ungewiss. Laut Informationen der "Föderation der Arbeiterräte und Gewerkschaften im Irak" (FWCUI), versuchte eine Gruppe bewaffneter Banden von Muktada Al Sadr in Nasiriyah, die Fabriken und Werkstätten zu räumen, um sie in Festungen und militärische Stellungen im Kampf gegen US-amerikanische und italienische Streitkräfte zu verwandeln.
Die Antwort der ArbeiterInnen in Aluminium- und Sanitärzuliefer-Fabriken in Nasiriyah war negativ: sie weigerten sich trotz vieler Todesdrohungen, ihre Arbeitsplätze zu verlassen - denn das hieße, sie in Schlachtfelder zu verwandeln (sie also zu zerstören, oder Plünderern zu öffnen). Die ArbeiterInnen blieben also in den Fabriken, um sie zu verteidigen. In einer Stellungnahme der FWCUI heißt es:
"Wir lehnen es ab, die Arbeitsplätze und die Lebensräume der ArbeiterInnen und Zivilbevölkerung in einen Frontabschnitt des reaktionären Kriegs zwischen zwei terroristischen Polen im Irak zu verwandeln. Die USA und ihre Alliierten auf der einen, die Terroristen in bewaffneten Milizen auf der anderen Seite, die für ihre Feindschaft gegenüber den Interessen der irakischen Bevölkerung wohlbekannt sind. Wir werden uns den Versuchen dieser Milizen entgegenstellen, die Sicherheit und Stabilität der Bevölkerung zu zerstören. Wir werden ihre Versuche zurechtstutzen, die Gesellschaft in einen Bürgerkrieg, in weitere Zerstörung und weitere Schmerzen zu stürzen."
Wie im Irak, so findet weltweit ein Klassenkampf statt. Was die ArbeiterInnenklasse vollkommen von den Kapitalisten unterscheidet ist, dass wir die Kapitalisten nicht brauchen - sie aber sind auf uns angewiesen, für die Todesmaschine namens Kapitalismus. Sie sind auf uns angewiesen, um ihre Güter und Dienstleistungen anzubieten, um ihre Profite zu machen. Sie sind auf uns als Soldaten angewiesen, damit wir andere ArbeiterInnen töten, und sie brauchen uns, um die Rüstungsindustrie am Laufen zu halten, um ihre Ausrüstung und Truppen zu transportieren, um sie mit Nahrung zu versorgen, und sie brauchen uns zur Herstellung des Lebenselixirs des Kapitalismus, Öl.
Die kapitalistischen Mächte agieren als Öl-Junkies, die einen Schuss suchen, und vor allem da es auf 2010 zugeht. Die Periode ab 2010 wird als "Öl-Klimax" prognostiziert: der Verbrauch wird stärker als die Produktion ansteigen, was vor allem auf den gesteigerten Energiebedarf von bspw. China und Indien zurückzuführen ist. Im imperialistischen Kampf (z.B. im Irak) geht nicht nur um aktuelle Ressourcen, sondern auch um zukünftige Energieträger, um die Kontrolle von Konkurrenten, um die Öl-Währung, um den Ölpreismechanismus und um Einflusssphären.
Dies erinnert stark an den kontroversen Entwurf einer Studie von 1992, die Wolfowitz (der gegenwärtige US-Staatssekretär für Verteidigung) erstellte. Darin hieß es, die US-Strategie solle darauf abzielen, "jedwede feindliche Macht davon abzuhalten, eine Region zu dominieren, deren Ressourcen ausreichen würden, um eine Weltmacht zu konstituieren."
Heute reden die US-Strategen von der Errichtung halb-dauerhafter oder dauerhafter Militärbasen in weiten Teilen des Globus, die als der "Bogen der Instabilität" bekannt sind. Dieser "Bogen" erstreckt sich von der Karibik und die Andenregion über Afrika, den Mittleren Osten nach Zentral- und Südostasien. Beobachter werden bemerken, dass dieser "Bogen" ziemlich übereinstimmt mit den wichtigsten Regionen großer Öl-, Gas- und Mineralvorkommen.
Es ist kein Zufall, dass Kolumbien - mit seinen enormen natürlichen Ressourcen, seinen Grenzen zum Öllieferanten Venezuela und als strategischer Zugang zum genetischen Material im Amazonas und zu den Märkten Südamerikas - stark militarisiert ist und der blutige Krieg andauert. Der "Plan Colombia" und seine Ausweitung, die sogenannte "Anden-Regional-Initiative", stellt für die USA die militärische Komponente der Gesamtamerikanischen Freihandelszone (FTAA/ALCA) dar.
Wenn wir die Linie nach Afrika verfolgen, so sehen wir US-Pläne für weitergehende, dauerhafte oder halb-dauerhafte Militärpräsenz in Djibouti, Algerien, Morokko, Tunesien, Senegal, Mali, Ghana, and Kenia. Eine Schlüsselmission der US-Streitkräfte in Afrika ist es, US-Beamten zufolge, die nigerianischen Ölfelder zu sichern.
"Der Bogen der Instabilität" geht weiter, in den Nahen Osten. Und in diesen Tagen sehen wir, dass sich die "Roadmap for Peace" als "Roadmap" für Besetzung und Krieg entpuppt. In diesem Konflikt sind die gewöhnlichen Leute die Opfer, wie auch in den kapitalistischen Kriegen im Irak, Kolumbien, Afghanistan und Tschetschenien. Das Große Spiel und die Rivalitäten der kapitalistischen Mächte machen aus Zentralasien ein Gebiet dauerhafter Hochspannung; die Kontrolle Südostasiens ist von herausragender Bedeutung, Japan gegenüber den USA loyal zu halten und den Aufstieg Chinas zu unterminieren.
Um den historischen Charakter der Zeiten zu unterstreichen, in denen wir leben: die Bedeutung der fürchterlichen Bombenanschläge auf Züge in Madrid am 11. März 2004 liegt darin, dass diese Ereignisse als Katalysator für die weitergehende Integration und Militarisierung der EU-Aussen- und Innenpolitik benutzt werden. So wie der 11. September 2001 als Vorwand für geopolitische Interessen der USA und die dramatische Verschlechterung von Rechten und Lebensbedingungen der ArbeiterInnen in den USA herhalten musste. Die neuen Mitgliedsstaaten der EU und der NATO werden von den USA als Pufferzonen genutzt werden, um russische und deutsch-französische Interessen zu unterminieren. Absehbar sind also neue Spannungen zwischen den kapitalisischen Mächten.
Die EU stellt nun Schnelle Eingreiftruppen auf, die binnen 60 Tagen mit flexiblen und mobilen Einheiten an jedem Punkt der Welt einsatzbereit sein sollen - außerdem wird die Festung Europa noch weiter abgeriegelt gegen Asylsuchende und MigrantInnen. Der neue Vorschlag der EU-Kommission zur Liberalisierung der "Dienstleistungen im Binnenmarkt" wird ein bedeutender Teil der kapitalistischen Expansion sein, die sich gegen die Lebensbedingungen der ArbeiterInnenklasse richtet. Genauso, wie es die Kürzungskampagne bei Renten und öffentlicher "Sozialhilfe" ist.
Der globale Kapitalismus offenbart, dass die reformistischen Gewerkschaften nicht dazu gemacht sind, der gegenwärtigen Offensive zu begegnen. Diese bürokratischen, zentralistischen "Dienstleistungsunternehmen" sind abhängig von Subventionen und gesetzlicher Hilfestellung seitens der kapitalistischen Staaten. Letztere führen mit dem sogenannten "Krieg gegen den Terror" einen permanenten Krieg gegen die ArbeiterInnenklasse und ihre Rechte. Überall auf der Welt können wir die Entwicklung repressiver Sicherheitsstaaten, die Privatisierung des "sozialen Netzes", Massenentlassungen, Gewerkschaftsverbote und Maßnahmen gegen Erwerbslose und Arme beobachten. Hinzu kommen noch die Verschärfung des Migrationsregimes, Flexibilierung des Arbeitsmarktes, etc.
Als anarchosyndikalistische Internationale unterstützt die IAA keine kapitalistische, imperialistische Macht oder Diktatur. Die IAA, Nachfolger der Ersten Internationale, steht in der anti-militaristischen Tradition und rät zum Boykott gegen die Herstellung von Waffen und zum Generalstreik gegen den Krieg. Da die Kriegführung mehr und mehr an Privatunternehmen abgegeben wird, ist eine Konzentration auf den militärisch-industriellen Komplex und die vom Krieg profitierenden Unternehmen von großer Bedeutung.
Kapital und Staat sind auf vorhersehbare Gegner angewiesen, die sich an den gesetzlichen Vorgaben und Strukturen orientieren und Subventionen entgegennehmen. All das, um die Organisationen in eine bestimmte Richtung zu weisen, sie zu kontrollieren, zu begrenzen, zu spalten und eventuell zu zerschlagen. Die Antwort der AnarchistInnen und AnarchosyndikalistInnen muss ein permanentes Engagement in den Kämpfen sein, an denen wir als ArbeiterInnen Anteil haben - dabei müssen wir uns der Integration unserer freien Vereinigungen in das kapitalistische System verweigern.
Direkte Aktionen, Propaganda und Solidarität müssen auf unserer eigenen Stärke basieren, und nicht auf Klassen-Kollaboration (Bsp. Betriebsratswahlen). Wirtschaftliche Unabhängigkeit kann nur durch die Mitgliedsbeiträge gewährleistet werden, nicht mittels Subventionen des Staates. Föderalismus heißt, dass wir keine zentralistischen Strukturen und Fonds einrichten, die von bezahlten Funktionären verwaltet werden. Im Gegensatz zu reformistischen Gewerkschaften, engagiert sich die IAA auf wirtschaftlichem, gesellschaftlichem, kulturellem und antimilitaristischem Niveau, um Kapital und Staat durch die freie Föderation der freien ArbeiterInnen-Assoziationen, durch den libertären Kommunismus zu ersetzen.
Der beste Weg, den Märtyrer des Haymarket zu gedenken, ist, noch energischer für ihre Ideen einzutreten. Die Sektionen und Freunde der IAA waren und sind aktiv gegen die kapitalistischen Kriege im Irak, in Kolumbien, Afghanistan und Tschetschenien. Mit dem Kampf gegen soziale und wirtschaftliche Ausbeutung in Lateinamerika, in Opposition zur Repression gegen die "Thessaloniki 7", direkte Aktionen wie den Streik der CNT-IAA Tomares unterstützend, und mit dem Aufruf der italienschen USI-IAA zu Generalstreiks - um nur einige Beispiele zu nennen - ist die Internationale ArbeiterInnen Assoziation auf dem Wege, die Emanzipation der ArbeiterInnen zu erkämpfen!
Kein Krieg zwischen den Leuten - kein Friede zwischen den Klassen!
Lang lebe die IAA!
Oslo, am 26. April 2004, Sekretariat der IAA