Linienverkehr in Leverkusen lahmgelegt - Soli-Blockade für streikende Busfahrer erfolgreich
Seit nunmehr 100 Tagen sind 50 Fahrerinnen der Herweg Busbetriebe (HBB) in Leverkusen im Streik gegen Billiglöhne und miese Bedingungen. Am Freitag, den 14. April 2004 blockierte deshalb ein Aktionsbündnis die zentrale Ausfahrt der Kraftverkehr Wuppertal-Sieg AG (Wupsi), zu der auch HBB gehört. Der komplette Linienverkehr wurde so in den Morgenstunden von 4.30 - 6.00 Uhr lahm gelegt.
Autoreifen lagen auf der Strasse und ein Transparent mit der Aufschrift "Gegen Billig-Löhne: Streik!", versperrte die Einfahrt. Etwa 35 Leute aus Köln, Düsseldorf, Wuppertal und dem Ruhrgebiet waren zur Unterstützung der streikenden BusfahrerInnen zum Busdepot in die Leverkusener Borsigstraße gekommen (darunter auch Anarcho-SyndikalistInnen). Der Streik der HBB-Fahrer droht momentan tot zu laufen, auch weil er von ver.di unentschlossen und autoritär geführt wird. Außerdem werden durch den Einsatz von auswärtigen Busunternehmen als Streikbrecher die meisten Linien in der Region Wupper-Sieg befahren.
Die Solidaritätsblockade sollte Öffentlichkeit herstellen und Druck auf die Unternehmen ausüben, was eindrucksvoll gelungen sein dürfte. Als die Polizei mit ca. 8 Streifenwagen-Besatzungen auffuhr und mit Personalienfeststellungen drohte, wurde die Blockade aufgelöst. Sie hatte ihr Ziel erreicht: Die Busse der Wupsi und des ausgegliederten Subunternehmens HBB wären ab 4 Uhr im Minuten-Takt aus dem Depot gerollt. Durch die Blockade wurden ca. 100 Linienbusse gestoppt, was zu empfindlichen Störungen im öffentlichen Nah- und Berufsverkehr der Region geführt hat.
Die BusfahrerInnen des Subunternehmerbetriebs HBB sind schon seit dem 9. Januar im Streik gegen Billiglöhne. Durch ihre Auslagerung aus dem kommunalen Busbetrieb KWS/Wupsi wurden die Bedingungen für einen Teil der FahrerInnen erheblich verschlechtert. Die achtzig FahrerInnen der HBB (unter denen zwölf Nationalitäten vertreten sind) verdienen dreissig Prozent weniger als ihre KollegInnen bei der Muttergesellschaft KWS-Wupsi.
Die BusfahrerInnen der HBB wehren sich gegen diese Situation und verlangen bessere Bedingungen. Dabei wurden sie auch von KollegInnen der KWS/Wupsi unterstützt, die sieben Mal aus Solidarität ebenfalls die Busse stehen ließen. An diesen Tagen war der Streik auch wirklich spürbar, weil 70 Prozent der Linienbusse ausfielen. Aber mittlerweile hat das Landesarbeitsgericht diese Solidaritätsstreiks verboten.
Die HBB-BusfaherInnen werden von der Gewerkschaft ver.di unterstützt, die unter
anderem Streikgeld zahlt. Darüber hinaus fährt ver.di den gewohnten Kurs: Sie
versuchen die Sache im Griff zu behalten, setzen auf Verhandlungen und tun alles
mögliche, um zu verhindern, dass es direkte (Unterstützungs-)Aktionen gibt. Ver.di
will seine Stellung als Verhandlungsführer der ArbeiterInnen verteidigen und dringt
deswegen auf den Abschluss eines Spartentarifvertrags, der übrigens schlechtere
Bedingungen festschreibt, als bisher für kommunale BusfahrerInnen galten.
Der Streik der HBB-BusfahrerInnen kann momentan allein wenig Druck erzeugen. Durch den Einsatz von Streikbrechern, darunter wenige HBB-FahrerInnen und einige "aktivierte" Rentner, fahren fast alle Busse. Die Blockade heute morgen sollte hier eingreifen, Druck machen und den BusfahrerInnen zeigen, dass sie nicht allein sind in ihrem Kampf. Diese haben die Geste verstanden. Viele BusfahrerInnen, nicht nur die Streikenden von der HBB, sondern auch welche von KWS/Wupsi fanden die Aktion gut. "Macht das doch ab jetzt jede Woche!", sagte einer. Weitere Aktionen soll es tatsächlich geben.
Die Situation der BusfahrerInnen ist kein Einzelfall. Fast überall werden die
Bedingungen verschärft. Die Frage ist, wie es ArbeiterInnen schaffen, sich gegen
die Angriffe zu wehren, angesichts befristeter Verträge, Zeitarbeit, Aufspaltung
in viele Subunternehmen usw. Wenn alle nur auf ihre eigene Situation schauen und
sich nacheinander unter Mitarbeit der Gewerkschaften "auslagern" oder "wegkürzen" lassen, wird sich nichts ändern. Wie kommen also die ArbeiterInnen angesichts der neuen Bedingungen zusammen und wie können sie Druck ausüben?
Ein Schritt in diese Richtung haben mal ArbeiterInnen in England getan: Flying
Pickets! Dabei werden immer da, wo welche streiken, den Betrieb besetzen oder
sich auf andere Art zur Wehr setzen, Kundgebungen, Blockaden und Streikpostenketten organisiert. Keine laschen Demos, keine Petitionen an irgendwelche Politiker-Fritzen.
Direkt vor Ort mit den Streikenden koordinieren, sie unterstützen, eingreifen,
da wo es Produktion lahmlegt und Geld kostet (oder Kapital vernichtet). Ganz flexibel, mobil und spontan eben. So wie heute in Leverkusen.
Beitrag von Stuhlfauth in Direkte Aktion Nr. 163
Quelle: de.indymedia.org
Bericht im Kölner Stadt-Anzeiger vom 17. April 2004
Hintergrund: taz-Köln vom 14. April 2004 sowie: wildcat No.69