Frankreich: fünf für den Preis von einem!
Auch in Frankreich verabschiedete die Regierung jüngst Reformen à la Agenda 2010. Von 1. Januar 2004 an wird sich die Sozialhilfe in Frankreich für die Prekärsten, die RMI-EmpfängerInnen, wieder lohnen ... wenn sie arbeiten! Dies zeigt, wie unwichtig „nationale Grenzen“ sind, und wie unbedeutend es ist, ob die Regierung eine linke oder rechte ist. Im folgenden die Übersetzung eines Artikels von Gui, CNT-AIT (Frankreich), der über die Neuerungen in Frankreich informiert.
Von 1. Januar 2004 an wird sich die Sozialhilfe in Frankreich für die Prekärsten, die RMI-EmpfängerInnen, wieder lohnen ... wenn sie arbeiten! Die Regierung, in ihrer immensen Großzügigkeit gegenüber dem Kapital hat eine neue Art prekärer Arbeitsplätze erfunden, die sie auch großteils finanziert: die RMA, 20 Arbeitsstunden, entlohnt nach SMIC, also kaum mehr als das RMI. Man muss sich also immer mit Krümeln (545 Euro) zufrieden geben, aber diesmal soll man sich noch abrackern dafür.
Im Gegensatz dazu ist für den Patron alles in Butter: das RMI wird ihm vom Conseil Général erstattet, er muss das Gehalt nur noch ein wenig aufstocken, um 130 Euro pro RMA-Abhängigen/r. Fünf Angestellte auf RMA-Basis kosten ihn nicht mehr als einE AngestellteR auf SMIC-Basis! Das macht einen Produktionszuwachs von fast 200%, denn wenn fünf RMAisten je 20 Stunden pro Woche arbeiten, ergibt das insgesamt 100 Stunden, wohingegen ein SMICist „nur“ 35 Stunden arbeitet. Ungekannten Ausmaßes, was da von öffentlichen Geldern bezahlt wird.
Außerdem gibt es mit einem RMA-Angestellten nichts zu verhandeln, weder eine Karriere oder sonstige Forderungen (Beförderung oder Lohnerhöhung, etc.), da die maximale Dauer auf anderthalb Jahre begrenzt ist (sechs Monate, zweimal verlängerbar). Und als ob das nicht schon reichte, bietet der Staat den Freunden des Baron Sellières ein „Bonusgeschenk“ an, indem er für den Unternehmeranteil an den Sozialrücklagen bürgt. Um dem ganzen die Krone aufzusetzen, werden dem/r RMAiste für die Rente nicht die 20 Arbeitsstunden pro Woche angerechnet, sondern nur die 130 Euro, die der Patron bezahlt. In diesem Rahmen müsste man 120 Jahre lang arbeiten, um sich einen Rentenanspruch zu erwerben!
Es ist also nicht mehr Abwanderung in die „armen“ Länder nötig, um billige Arbeitskraft zu finden. Die Unternehmen werden also sehr interessiert daran sein, alle CDD- oder CDI-Angestellten zu entlassen und sie durch die fast kostenlosen RMAisten zu ersetzen. Und das umso mehr, als das Gesetz keine Obergrenze festgelegt hat für die Anzahl der RMAisten pro Unternehmen. Andererseits wird der Anstieg der RMIisten, durch die Begrenzung der Allocations Spécifiques de Solidarité auf maximal zwei Jahre, es erlauben, über ein beträchtliches Reservoir prekärer AbeiterInnen zu verfügen. Der Staat geht für nächstes Jahr von nicht weniger als 50.000 RMA-Angestellten im dritten Sektor aus! [Also: zwei Jahre RMI ohne RMA heißt Kürzung der Stütze]
Schließlich riskieren die RMIisten eine Sperre ihres RMI, die sich solcher „Traumjobs“ verweigern, die von der ANPE vorgeschlagen werden und nicht unbedingt etwas mit Berufserfahrung, Ausbildung oder Neigung zu tun haben! Auch wer dieses generöse Angebot der Wiedereingliederung durch Ausbeutung annimmt, kann sich nicht in Sicherheit wähnen: denn der Patron soll auch ein Tutor sein, und wird dem Referenten, einem Repräsentanten des Conseil Général, alle drei Monate bestätigen, dass die „Wiedereingliederung“ gut voran geht. Wenn sich herausstellt, dass diese an dem/r RMA-EmpfängerIn scheitert, kann das RMI gesperrt werden!
Das RMA wird die Prekarisierung der fragilsten, der gering qualifizierten und geringst entlohnten Bereiche nur beschleunigen: das ist ein regelrechter Angriff gegen den schon allzu klammen SMIC. Was die RMIisten angeht, die werden kaum mehr Hoffnung auf einen „normalen Job“ haben, da man sie für ein Fünftel dessen anstellen kann, was einE VollzeitarbeiterIn auf SMIC-Basis kosten würde.
Das RMA ist also keinesfalls eine Hilfsmaßnahme für die Ärmsten, sondern ist im Gegenteil ein hübsches Weihnachtsgeschenk ans Kapital und eine echte Verschlechterung unserer Arbeitsbedingungen!
Es ist höchste Zeit, dem MEDEF und dem Staat zu zeigen, dass wir keine Zellstofftaschentücher sind, die man nach dem Gebrauch einfach wegschmeißt!
Gui
Originaltext auf http://www.cnt-ait.info/article.php3?id_article=825
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