Pressemitteilung: Alle gemeinsam gegen Sozial- und Lohnabbau!
Über 100 Teilnehmer/innen waren am 13.12. nach Frankfurt am Main zu einer bundesweiten Aktionskonferenz gekommen, um die Erfahrungen mit der bundesweiten Demonstration am 1.11. auszuwerten und Schlussfolgerungen für die kommenden Wochen und Monate zu ziehen. Zu der Konferenz hatte das Rhein-Main- Bündnis gegen Sozialabbau und Billiglöhne und die Express-Redaktion eingeladen. Gekommen waren vor allem örtliche Bündnisse, Vertreter/innen aus Betrieben, Erwerbsloseninitiativen, Anti-Hartz-Bündnissen, Gewerkschaftslinke und Vertreter verschiedener linker politischer Parteien und bundesweiter Organisationen.
Die vor allem von der Basis in zahlreichen Großbetrieben und an den Orten organisierte Großdemonstration am 1.11. in Berlin wurde als ermutigendes Signal gewertet, den Widerstand gegen Sozial- und Lohnabbau bundesweit zu verstärken und zu organisieren. Die Ergebnisse im Vermittlungsausschuss werden als Herausforderung verstanden:
"Mit diesen Beschlüssen der großen Koalition der Sozialräuber wollen und werden wir uns nicht abfinden!"
Rainer Roth, Sozialwissenschaftler aus Frankfurt, deckte in einem faktenreichen Referat die über die bereits beschlossenen Maßnahmen weit hinaus gehenden Pläne der Unternehmerverbände und ihrer Organe auf. "Die Pläne sind das eine, ihre Durchsetzung steht auf einem andern Blatt. Wir müssen uns auf einen langanhaltenden Widerstand einstellen!" fasste ein Teilnehmer die Diskussion zusammen.
Das wichtigste Ergebnis der Konferenz war die Verabschiedung eines Aufrufs für die weitere Arbeit. Darin heißt es: "Wir wollen den Sozial- und Lohnabbau nicht sozialverträglich mitgestalten, wie es bei der DGB-Führung üblich ist. Wir lehnen ihn ab. Wir lehnen es auch ab, die SPD/Grünen-Bundesregierung als angeblich kleineres Übel zu schonen. Was diese nicht gegen uns durchsetzen kann, wird auch eine CDU/CSU-Regierung nicht durchsetzen können."
Die Teilnehmer beschränken sich nicht auf die Ablehnung der Politik der Unternehmerverbände und Regierungen in Bund und Länder, sondern formulierten selber Forderungen wie "Massiver Ausbau der Sozialversicherungen auf Kosten der Profite", "Rücknahme der Senken der Gewinnsteuern!" und die "30- Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich!"
Die Konferenz rief dazu auf, lokale und regionale Bündnisse gegen Sozialabbau aufzubauen, die sich regelmäßig treffen. Neben Information und Aufklärung sollen gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen und selbständige politische Streiks in den Betrieben, Vorlesungs- und Unterrichtsboykotts an Universitäten und Schulen und Maßnahmen zur internationalen Koordinierung mit dem Widerstand gegen Sozial-, Lohn- und Bildungsabbau in anderen Ländern unterstützt werden.
"Wir streben eine noch größere zentrale Demonstration wie am 1.11. an".
Als nächster gemeinsamer Schritt wird zu dezentralen Aktionen am 14.2. aufgerufen. Der internationale Frauentag am 8.März soll ebenso unterstützt werden, wie eine Konferenz am 17.1., die den europäischen Aktionstages "gegen Sozialabbau" voraussichtlich Anfang April in Deutschland vorbereitet.
Für Rückfragen: Frank Jäger, BAG-Sozialhilfeinitiativen, 069-27220896
Protokoll der Aktionskonferenz am 13.12.2003 in Frankfurt Bonames
(Eingeladen hatte das Rhein-Main-Bündnis gegen Sozialabbau und Billiglöhne - Anwesend waren über 100 Personen)
Ziel der Aktionskonferenz war es, nach der erfolgreichen Demonstration am 1.11. Schlussfolgerungen für die weitere Arbeit eines gemeinsamen Bündnisses "von unten" gegen den Sozialkahlschlag zu ziehen.
Anwesend waren Vertreter/innen der Bündnisse aus Rhein-Main, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Weser-Ems, Bündnisse gegen Sozialabbau aus NRW (Bochum, Gelsenkirchen, Hagen, Dortmund, Essen, Lippe-Detmold), Niedersachsen (Hannover, Göttingen), Hessen (Frankfurt, Kassel), Bayern (Aschaffenburg, München), Reinland-Pfalz, Baden-Württemberg (Offenburg), Bremen u.s.w. sowie Vertreter/innen der Gewerkschaftslinken, PDS, DKP, KPD, RSB, MLPD, Rebell, attac, SAV, Linksruck, der Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen Bielefeld und der "bundesweiten Demovorbereitungsgruppe", die bislang in Hannover getagt hatte.
(Anm.: Die FAU wurde wie üblich vergessen...)
Problematischer Einsteig: Um das für den Verlauf der Konferenz notwendige Vertrauen zu schaffen wurde nach eingangs zunächst kontroverser Diskussion das bestehende Podium mit Vertreter/innen aus Frankfurt, München und Berlin um einen Vertreter des "Hannoveraner Kreises" erweitert. Außerdem einigten sich die TeilnehmerInnen darauf, auf Diffamierungen zu verzichten und Beschlüsse des Plenums nur mit deutlichen Mehrheiten anzunehmen.
Tagesordnung
Eingangsreferat von Rainer Roth: Was erwartet uns - die Angriffe gehen weiter.
einige Kurzbeiträge aus dem Plenum
1. Verabschiedung einer Grußadresse an die Teilnehmer/innen der Studierenden-Demo und gegen Sozial- und Bildungsabbau in Frankfurt. (siehe Anlage)
2. Nachbereitung der Demo
Ein schwieriger Beginn der Diskussion war zunächst vor allem dadurch bedingt, dass die "bundesweiten Demovorbereitungsgruppe" aus Hannover keine Kenntnis vom Zustandekommen der in Berlin gefassten Beschlüsse zum 13.12.2003 und die Absprache einiger Berliner/innen mit dem Rhein-Main-Bündnis hatte. In der Diskussion wurde deutlich, wie der Erfolg der Berliner Demo das Selbstbewusstsein der Beteiligten gestärkt und bundesweit zu einer Belebung der Auseinandersetzung in den Betrieben, in weiteren Protesten und Demonstrationen gegen den Sozialkahlschlag, vor allem auch der Aktivitäten der Studierenden gefunden hat. Die Mobilisierung von der Basis aus und die konsequente Ablehnung der Agenda 2010 waren wesentliche Garanten des Erfolgs der Demonstration. Ein Bündnis "von unten" müsste innerhalb einer zu erwartenden breiteren Mobilisierung gegen den sozialen Kahlschlag an inhaltlichem Profil gewinnen und Handlungsfähigkeit bewahren.
3. Perspektiven des Protests
Eine erste inhaltlich-politische Situationsanalyse der politischen Angriffe auf die Sozialversicherungen und die Tarifverträge sowie eine Prognose weiterer geplanter Angriffe der Unternehmerverbände lieferte Rainer Roth, (FH Frankfurt)
In weiteren Diskussionsbeiträgen wurden Überlegungen zu einem politisch-strategisch langfristigen Widerstand und seiner politischen Orientierung formuliert (Anne Allex, Express-Redaktion, BdWi) und Vorstellungen von möglichen konkreten Aktionsformen und -mustern der Gegenwehr von Erwerbslosen- und Sozialhilfeempfänger/innen in politischer Arbeit innerhalb lokaler Bündnisse (Guido Grüner, quer). (Diese drei Beiträge werden auf die Homepge gestellt.) Danach folgten weitere länger Beiträge zu den Perspektiven des Protests und zu konkreten Aktionsformen (diese liegen zurzeit noch nicht schriftlich vor, sie werden ggf. nachgereicht).
Im Anschluss erfolgte ein längerer Austausch von Argumenten zu den Vorträgen und zu einer politischen Positionierung des Bündnisses. Hier wurde bereits stark auf Aussagen der Entwürfe für eine inhaltliche Plattform des Bündnisses Bezug genommen.
4. Aufruf als politische Plattform
Erarbeitung einer gemeinsamen Plattform für ein "Bündnis von unten". Es lagen zwei Entwürfe für einen Aufruf vor, die mehrheitlich beide als Grundlage angesehen wurden. Kontrovers wurde diskutiert, welcher Aufruf als Grundlage genommen werden soll. Da sich nach der Debatte keine eindeutige Mehrheit für einen Aufruf aussprach, wurde vereinbart, dass eine Redaktionsgruppe jeweils die Vorzüge beider Papiere in einem Aufruf zusammenbringt. Inhaltliche Vorschläge für diese Redaktionsarbeit wurden vor dem Plenum dargelegt. (Der fertige Aufruf soll über die mailing-Liste verbreitet und auf die Homepage gestellt werden.)
5. Brauchen wir Grundsätze und wenn ja, welche?
Hierzu lag ein Vorschlag der "Hannoveraner Vorbereitungsgruppe" vor. Verschiedene Diskussionsteilnehmer begründeten die Notwendigkeit demokratischer Grundsätze für die Zusammenarbeit, um auftretende Widersprüche einvernehmlich klären zu können. Andere Diskussionsteilnehmer lehnten solche Grundsätze als "zu weitgehend" ab, bzw. sahen darin einen Hinderungsgrund für die Verbreitung des Bündnis, andere kennzeichneten die Grundsätze als "Maulkorb" wiederum andere waren der Meinung, dass sie selbstverständlich sind, und deshalb nicht abgestimmt werden müssten. Ein Beschluss hierzu wurde nicht gefasst.
6. Kurzfristige Möglichkeiten für den Protest
Konsens bestand darin:
a. Unterstützung lokaler Aktionstage der Bündnisse
b. Unterstützung eines zentralen Aktionstages (März, Anfang April/Terminierung von der weiteren Entwicklung, z.B. Aktionskonferenz 17.01.2004, abhängig),.
c. die Mobilisierung für einen dezentralen Aktionstag am 14.2.2004.gegen Agenda, Hartz & Co. als wichtiger Zwischenschritt für die bundesweite Mobilisierung im März/April.
d. Vorbereitung und Unterstützung aller Aktivitäten zum 8. März, dem Internationalen Frauentag
7. Organisatorisches
a. Es wurde beschossen, dass die bekannte Homepage unter dem Namen www.demo-gegen-sozialkahlschlag.de erneuert und wieder aktiviert wird. Hier sollen zunächst Aufruf und Materialien bereitgestellt werden. Berlin (attac) soll sicherstellen, dass der Webmaster Zugang zum Administratorenpasswort bekommt.
b. Das Podium wurde beauftragt, die weitere Kooperation im Rahmen des Bündnisses zu koordinieren, den Aufruf und die Ergebnisse der Konferenz bekannt zu machen, in die Vorbereitung der Aktionskonferenz am 17. Januar einzubringen und ggf. wieder zu einer Aktionskonferenz "von unten" einzuladen. Die hierzu notwendigen inhaltlichen Absprachen sind auf der politischen Plattform des Aufrufs zu treffen.
Frank Jäger, Gerd Pfisterer
Anhang:
Solidaritätsadresse der TeilnehmerInnen der bundesweiten Aktionskonferenz gegen Sozialkahlschlag, die heute in Frankfurt tagt, an alle, die hier gegen Sozialabbau und Bildungsklau demonstrieren.
Liebe Studierende,
wir, die wir die große Demonstration vom 1. November in Berlin mitorganisiert haben, grüßen euch von unserer heutigen bundesweiten Aktionskonferenz in Frankfurt.
Wir sind dagegen, dass Steuersenkungen für die Konzerne und die Reichen über Bildungs- und Sozialabbau von Studierenden, Arbeitslosen und Beschäftigten finanziert werden. Bildungs- und Sozialabbau bereiten Lohnsenkungen vor. Der Abbau der sozialen Sicherung durch die Bundesregierung und die aktuellen Kürzungsrunden der Länder sind nicht das Ende dieser Demontage. Weitere Angriffe werden folgen.
Deshalb müssen wir stärker zusammenarbeiten. Arbeitet daran mit, überall dauerhafte örtliche, regionale und bundesweite Zusammenschlüsse zu bilden. Wir müssen langfristig denken.
Im März oder April wird ein bundesweiter oder gar europaweiter Aktionstag gegen Sozialabbau stattfinden. Spätestens dann sehen wir uns wieder auf einer großen, zentralen Demonstration gegen Sozialkahlschlag.
Frankfurt, 13.12.2003
Rhein-Main-Bündnis gegen Sozialabbau und Billiglöhne
c/o BAG SHI
Bundesarbeitsgemeinschaft der Sozialhilfeinitiativen e.V.
Geschäftsstelle
Moselstraße 25
60329 Frankfurt am Main