Mobbing wegen missliebiger Internetseite
"Extremistische Einstellung" - Die Dresdner Bank will einem Informatiker kündigen, weil der sich auf einer privaten Homepage mit Modellen zur Kürzung der Arbeitszeit beschäftigt hat.
Unter dem Pseudonym Darwin Dante wurde Anfang der 90er Jahre in dem kleinen libertären Manneck Mainhatten-Verlag ein Büchlein unter den Titel 5 - Stunden sind genug [1] veröffentlicht. Der Autor wirbt dort für ein Modell der radikalen Arbeitszeitverkürzung.
Seine sicher umstrittenen und auch im Internet kontrovers diskutierten [2] Thesen [3] lauten: "Unter güterwirtschaftlichen Gesichtspunkten sind von der heute geleisteten Lohnarbeit nur 5 Stunden pro Woche tatsächlich sinnvoll". Der heute übliche Lebensstandard könne dennoch aufrechterhalten werden. Das sei durch die Herstellung langlebiger Gebrauchsgüter, den Wegfall überflüssiger Verwaltungsarbeiten sowie die Ausnutzung von Vollautomatisierungstechnologien in Produktion und Verteilung zu erreichen. Dante nutzte seit Jahren auch das Internet, um seine Vorstellungen bekannt zu machen [4].
Das könnte jetzt dazu führen, dass dem Autor eine auch für ihn selber zu radikale Arbeitszeitverkürzung droht. Er muss um seinen Job kämpfen [5]. Seit zwei Jahren war Dante, der seinen bürgerlichen Namen nicht bekannt geben will, bei der Dresdner Bank [6] als Anwendungsinformatiker beschäftigt. An seiner Arbeit gab es keine Kritik. Doch seit mehreren Wochen darf Dante seiner Beschäftigung nicht mehr nachgehen. Während seiner krankheitsbedingten Abwesenheit wurde nämlich Dantes Internetseite entdeckt. In mehreren Gesprächen wurde ihm danach deutlich gemacht, dass das Vertrauen des Arbeitgebers schwer beschädigt seien. Ganz offen wurde ihm gesagt, man wolle ihn wegen seiner auf der Internetseite ausgedrückten politischen Meinung loswerden. Er passe nicht in das Unternehmen. Man werde das auch auf dem Wege einer leistungsbedingten Kündigung erreichen. Dante wurde an einen Einzelarbeitsplatz weit weg von seinen Kollegen versetzt. Der Zugang zum Internet und zum firmeneigenen Intranet wurde ihm verweigert. Außerdem musste er sich beim Betreten und Verlassen des Bankgebäudes bei seinen Vorgesetzten oder dessen Stellvertreter an- und abmelden.
Schließlich wurde Dante vom Management vor die Alternative gestellt, selber zu kündigen oder nach sieben Abmahnungen entlassen zu werden. Danach werde er ganz sicher nie wieder eine Anstellung als im Computerbereich bekommen, wurde ihm gedroht. Detailliert wurde ihm der Mobbingplan angekündigt. Er werde Arbeitsaufträge mit einem entsprechenden Zeitlimit erhalten. Bei jeder Nichterfüllung erhalte er eine Abmahnung. Tatsächlich habe er seitdem nur noch Aufträge erhalten, die in Umfang und Arbeitsaufwand von einer Person allein gar nicht zu schaffen seien, meint Dante. Auch eine angemessene Einarbeitszeit in sein neues Aufgabengebiet sei ihm verweigert worden.
Trotz dieses zunehmenden Drucks lehnte er eine freiwillige Kündigung mit der Begründung ab, dass er nichts getan habe, was eine solche Handlungsweise seines Arbeitgebers auch nur im Entferntesten rechtfertigen würde. Mit gewerkschaftlicher Unterstützung will er weiter um seinen Arbeitsplatz kämpfen. Ein Gütetermin ist bisher ergebnislos zu Ende gegangen. Mittlerweile hat die Dresdner Bank ganz offen die Homepage als Grund für den Entlassungswunsch genannt. In einem Schreiben heißt es, dass dort "Inhalte mit extremistischer Einstellung" veröffentlicht würden.
Anmerkung:
Wir werden von der FAU aus im November, wenn die arbeitsrechtlichen- und gewerkschaftlichen Auseinandersetzungen beginnen, ein ausführliches Interview veröffentlichen sowie einen Bericht über den Stand der Aktivitäten.
FAU-InfoTech, Frankfurt
Quelle: Telepolis