Zeitarbeit - Amtliche Sonderangebote

850 Personal-Service-Agenturen drängen bis zum Jahresende mit 50.000 Arbeitskräften auf den Markt.

Zeitarbeitsunternehmen fürchten einen Dumping-Wettbewerb mit der vom Arbeitsamt subventionierten Konkurrenz. Das Schreckgespenst der deutschen Zeitarbeitsunternehmen heißt Nadine K.:


Die Arbeitskraft der 23-jährigen Bürokauffrau wurde kürzlich von einer Berliner PersonalService-Agentur zu einem Preis angeboten, der die Branche gruseln lässt: Ganze 3,26 Euro pro Stunde verlangte die Agentur, die sich ihren Kunden als "neuartiges Projekt in Kooperation mit dem Arbeitsamt" vorstellte - üblicherweise stellen Leiharbeitsfirmen für eine derartige Kraft um die 18 Euro in Rechnung.

Noch ist Nadine K. ein Einzelfall, doch bei den Zeitarbeitsunternehmen wächst die Sorge, dass das Angebot aus Berlin bald Nachahmer finden könnte. Denn bis zum Jahresende werden 850 Personal-Service-Agenturen mit 50.000 Leiharbeitskräften auf den Markt drängen, der schon jetzt unter der schwachen Konjunktur zu leiden hat. Und die neuen Wettbewerber können mit satten Subventionen vom Arbeitsamt rechnen.

Neue Wunderwaffe der Bundesanstalt für Arbeit

Allein im laufenden Jahr will die Bundesanstalt für Arbeit dafür 600 Mio. Euro aufwenden - staatliche Hilfe, die den konventionellen Zeitarbeitsfirmen bei ihrer Preiskalkulation fehlt. "Wir befürchten massive Konkurrenz durch Dumping", sagt Holger Grape, von der deutschen Niederlassung des international operierenden Zeitarbeitskonzerns Randstad. Bei mittelständischen Zeitarbeitsunternehmen wie der Berliner Intertemp rechnet man schon mit dem Schlimmsten - spätestens im Winter, wenn die Nachfrage nach Leiharbeitskräften stockt und der Wettbewerb sich verschärft: "Die kleinen Zeitarbeitsunternehmen werden dann reihenweise Pleite gehen", prophezeit Intertemp- Geschäftsführer Michael Hollstein.

Es ist die neue Wunderwaffe der Bundesanstalt für Arbeit, die die Zeitarbeitsunternehmen um ihr Geschäft bangen lässt, ersonnen vom Kanzlerberater und VW-Personalvorstand Peter Hartz. Der wollte mit Hilfe der Personal-Service-Agenturen - kurz PSA - neue Jobs für schwer vermittelbare Arbeitslose schaffen.

Zuschlag für rund 400 PSA-Betreiber

Seit dem Frühjahr laufen die Ausschreibungen. Zu den Bewerbern zählen neben Bildungsträgern auch Zeitarbeitsunternehmen selbst, die die neue Konkurrenz wenigstens im eigenen Haus behalten wollen. Rund 400 PSA-Betreiber haben bereits den Zuschlag bekommen. Sie sollen in den kommenden Wochen 20.000 Arbeitslose übernehmen, diese als Leiharbeiter unterbringen und - wo immer möglich - in ein festes Arbeitsverhältnis vermitteln.

Zwischen 800 und 1200 Euro liegt das Gros der so genannten Grundbeträge, die das Arbeitsamt den PSA-Trägern pro übernommenen Arbeitslosen zukommen lässt. Die genaue Höhe der Förderung hängt von dem Gebot ab, das die Interessenten für von den örtlichen Arbeitsämtern zusammengestellte Lose abgegeben haben, in denen unterschiedliche Jobprofile zusammengefasst sind.

In den ersten drei Monaten nach der Anstellung eines Arbeitslosen bei der PSA werden die Grundbeträge an die Agentur voll ausgezahlt, im vierten bis sechsten Monat 75 Prozent, vom siebten bis einschließlich neunten Monat die Hälfte des Betrages. Gelingt der angestrebte Übergang von der Leiharbeit in ein festes Arbeitsverhältnis, werden weitere Zuschüsse gezahlt.

Anreiz für Preiskampf

Dabei gilt für die PSA, ebenso wie für herkömmliche Zeitarbeitsunternehmen: Die Arbeitslosen müssen angestellt und bezahlt werden, Erlöse fließen erst bei erfolgreicher Vermittlung an ein Entleihunternehmen. Da ist der Anreiz groß, mit Hilfe der Subventionen einen Preiskampf anzuzetteln, bei dem nicht geförderte Konkurrenten nicht lange mithalten können. Denn diese müssen die Kosten der Vermittlung und das Risiko beschäftigungsfreier Zeiten verdienen und stellen ihren Kunden daher mehr als das doppelte des Bruttoverdiensts ihres Zeitarbeiters in Rechnung. Eine PSA, die für einen vergleichbaren Beschäftigten den Zuschuss des Arbeitsamtes kassiert, macht dagegen schon bei einem Bruchteil des Preises ihren Schnitt.

Fließen sollen die Fördermillionen vom Arbeitsamt, damit zehntausende Menschen, die bislang ohne Chancen am Arbeitsmarkt sind, einen Job bekommen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: In den PSA landen überwiegend Arbeitskräfte, die auch ohne Förderung zur Klientel der Zeitarbeitsfirmen gehören würden. Mit den Subventionen wird ein Verdrängungswettbewerb zu Lasten der Beschäftigten gestartet, die ohne Zuschüsse auskommen müssen. "Das ist am Ende ein teures Nullsummenspiel", urteilt Arbeitsmarktexperte Alexander Spermann vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim.

Erheblicher Aufwand

Harald Hundeshagen ist seit Anfang Mai als Betreiber einer PSA im Geschäft. Der Zeitarbeitsunternehmer hat bei der Ausschreibung des Hamburger Arbeitsamtes mitgeboten und den Zuschlag für ein Los mit 40 Arbeitslosen bekommen. "PSA Hundeshagen" steht nun auf einem Schild im Flur der Büroetage in Hamburg-Wandsbek. 20 Ungelernte, zehn Elektriker, fünf Kfz-Schlosser und fünf Gas-Wasser-Installateure muss Hundeshagen in den kommenden Wochen anstellen. Um geeignete Mitarbeiter zu finden, sichtet er die Bewerbungen, die ihm vom Arbeitsamt vermittelt werden. "Der Aufwand, um auf 40 geeignete Bewerber zu kommen, ist erheblich. Dazu muss ich mir mindestens 80 Leute anschauen."

Hundeshagen ist als vorsichtiger Kaufmann an einer möglichst sorgfältigen Auswahl interessiert - für den Arbeitsmarkt ist damit allerdings nicht viel gewonnen. "Die Unternehmen, die sich auf die Einrichtung einer PSA eingelassen haben, müssen betriebswirtschaftlich rechnen, wenn sie am Markt bestehen wollen", erklärt Arbeitsmarktexperte Spermann. "Deshalb picken sie sich nur die Rosinen heraus." Volkswirtschaftlich sinnvoll wäre es, eine negative Auswahl durchzusetzen - also jene in die PSA zu schicken, die das höchste Risiko haben, arbeitslos zu bleiben.

Billigangebote machen in Berlin die Runde

Intertemp-Geschäftsführer Hollstein hat den Zuschlag für die Vermittlung von 50 jugendlichen Arbeitslosen bekommen. Die Zuschüsse vom Arbeitsamt will er bislang vor allem für die Qualifikation seiner neuen PSA-Mitarbeiter verwenden. Doch der beginnende Preiskampf könnte ihm dazu nur wenig Raum lassen: "Bei knapp 9 Euro für eine ungelernte Hilfskraft kann ich nur den Kopf schütteln", sagt er - normalerweise würden dafür mindestens 12 Euro berechnet. Weil aber Billigangebote bereits in Berlin die Runde machen, fürchtet Hollstein, dass er sich dem Druck auf Dauer nicht entziehen kann. "Wenn gar nichts mehr geht, verkaufe auch ich über den Preis", sagt der Zeitarbeitsunternehmer. "Doch dann werden wir aus diesen Bereichen unsere regulären Beschäftigten herausnehmen müssen."

Ein gefährliches Spiel, denn die Entleiher der Arbeitskräfte dürften sich schnell an die neuen Zeitarbeitsrabatte gewöhnen. "Wenn Sie erstmal zu Dumpingpreisen anbieten, haben Sie keine Chance mehr, zu normalen Tarifen zurückzukehren", warnt Jürgen Uhlemann, Geschäftsführer der Hamburg Zeitarbeitsfirma Jobs in Time. Für den Verhandlungsführer des Bundesverbands Zeitarbeit in den kürzlich abgeschlossenen Tarifverhandlungen ist klar: "Diese PSA werden ein Flop. Da wird ohne Not ein neues Subventionsfass geöffnet. Für die Klientel, die jetzt in den PSA ist, bräuchten wir die Zuschüsse nicht."

Zuversicht des Experten

SPD-Arbeitsmarktexperte Klaus Brandner lässt die Kritik nicht gelten: Für ihn sind die Millionen gut angelegt, wenn man in Rechnung stellt, "was sonst für die Arbeitslosen aufgewendet würde". Und dass die PSA mit gut vermittelbaren Arbeitslosen aufgewertet würden, sei durchaus sinnvoll: "Wir brauchen den Mix verschiedener Qualifikationen", sagt Brandner, "damit die Leistung der PSA von den Unternehmen, die Leiharbeitskräfte suchen, positiv eingeschätzt wird."

Intertemp-Geschäftsführer Hollstein kann die Zuversicht des Politikers nicht teilen. Für ihn sind Einstellungszuschüsse aller Art schlicht "Blödsinn": "Da kommt es zu 90 Prozent zu Mitnahmeeffekten", weiß der Zeitarbeitsunternehmer. "Denn man stellt eben nur ein, wenn man eine Arbeitskraft braucht." Entsprechend kurzfristig ist Hollsteins Perspektive für seine neue PSA: "Wir gehen davon aus, dass das keine lange Geschichte wird", sagt er. "In spätestens zwei Jahren ist das Ding tot."

Mit Zuschlag

Profil
Das Arbeitsamt stellt eine Gruppe von Jobprofilen zusammen und überträgt sie der Personal-Service-Agentur (PSA).

Auswahl
Die PSA sucht aus allen Jobsuchenden des Arbeitsamtsbezirks Kräfte, die dem Qualifikationsprofil entsprechen und stellt sie ein.

Vergütung
Für die Beschäftigung oder die Vermittlung an einen festen Arbeitgeber kassiert die PSA einen Zuschuss vom Arbeitsamt.

Aus der FTD vom 26.6.2003
www.ftd.de/zeitarbeit