1. PSA in Thüringen: Facharbeiter rund 7 Euro/Stunde

Umsetzung des Hartz-Konzepts:

Südthüringer Personaldienstleister sehen Eröffnung von Personal-Service-Agentur kritisch.

Cornelia Heil ist zufrieden. Nach nicht einmal einem Jahr im Pilotprojekt
der Bad Salzunger Personal - Service-Agentur hat sie jetzt die Zusage für eine
Festanstellung.

"Dabei hatte ich vorher eigentlich eher schlechte Erfahrungen
mit Zeitarbeit gemacht, aber jetzt hat es sich für mich gelohnt, es war für
mich das Sprungbrett zurück in den beruflichen Alltag
", erzählt die gelernte
Textilfacharbeiterin.

Nach zehn Jahren ohne Arbeit hat sie sich nun auf den Bereich Handel verlagert
aber auch Einsätze in der Produktion hinter sich. "Ich fand es sehr positiv,
Erfahrung in verschiedenen Betrieben sammeln zu können
", berichtet Cornelia
Heil.

Mit der Ergänzung durch gezielte Schulungen hat sie sich wieder fit für den
Arbeitsmarkt gemacht. Kein Wunder also, dass sie bei der Eröffnung der ersten
offiziellen Personal-Service-Agentur (PSA) in Thüringen vorgestern in Bad Salzungen
eine gefragte Gesprächspartnerin war.

Mit 35 Mitarbeitern geht die Agentur an den Start. In drei Monaten soll die
volle Auslastung von 72 Angestellten erreicht sein. Erste Kritiker merken jedoch
an, dass die meisten Angestellten bis jetzt einfach vom Pilotprojekt der Gesellschaft
zur Arbeitsförderung, Beschäftigung und Strukturentwicklung (ABS) auf den neuen
Dienstleister umgeschrieben wurden.

Die ABS ist Träger der Agentur. Das Unternehmen hatte sich im Auswahlverfahren
auch gegen gewerbliche Zeitarbeitsfirmen durchgesetzt. "Neue Arbeitsplätze
sind noch nicht entstanden
", kritisiert Gerd Gansen, Sprecher des Arbeitskreises
der Personaldienstleister und Geschäftsführer der Bad Salzunger Zeitarbeitsfirma
Manus.

Zur Eröffnung des Bad Salzunger Büros hatte er zwar einen Blumenstrauß mitgebracht,
aber auch seine Bedenken geäußert. "Die gewerblichen Zeitarbeitsfirmen
erhalten eine unfaire staatliche Konkurrenz
", warnt Gansen. Mit seiner
Meinung ist er nicht allein. Auch ein anderer Südthüringer Zeitarbeiter sieht
die Agenturen eher kritisch. "Ich denke, die Service-Stellen werden sich
durch ihre Zielgruppe von den gewerblichen Zeitarbeitsfirmen abgrenzen, so dass
die Konkurrenz überschaubar bleiben wird. Außerdem werden wir den Markt sehr
genau beobachten
", versucht der Suhler Arbeitsamtsdirektor Kay Senius die
etablierten Unternehmen zu beruhigen.

Die Personal-Service-Agenturen sollen sich nach ursprünglichen Plänen vor
allem an Personen mit Vermittlungshemmnissen richten, wie es im Amtsdeutsch
heißt. Das Arbeitsamt soll also vor allem langzeitarbeitslose, schlecht qualifizierte
oder behinderte Personen an die Dienstleister vermitteln.

Eingestellt wird durch Vorschlag des Amtes.

Doch schon bei der Eröffnung wurde deutlich, dass der Personenkreis durchaus
weiter gefasst wird.

So sollen nach den Worten von Senius auch durchaus Fachkräfte aus Metall- und
Elektroberufen oder Ingenieure eine Chance erhalten. "Die haben wir
auch ohne Subvention gut vermitteln können, dafür brauche ich keine PSA
",
wettert der Chef einer Südthüringer Zeitarbeitsfirma.

Und auch eine ganze Reihe seiner Kollegen äußerte sich in den vergangenen Tagen
gegenüber Freies Wort skeptisch.

"Natürlich können unter diesen Fachkräften auch welche sein, die über
Vermittlungshemmnisse verfügen, aber ich befürchte, das Arbeitsamt wird die
gut vermittelbaren Arbeitslosen zu den Agenturen schicken, damit das Modell
ein Erfolg wird.
"

Und die Kritik geht noch weiter:

Durch die Unterstützung vom Arbeitsamt könnten die Agenturen besser wirtschaften
und ihre Angestellten günstiger verleihen als gewerbliche Anbieter. Offiziell
wollte Martina Scherer, Referatsleiterin beim Landesarbeitsamt Halle zur Eröffnung
keine Angaben über die Höhe der Zuschüsse machen.

Aus der offiziellen Pressemitteilung geht hervor:

"Das Honorar, das die Arbeitsämter den PSA zahlen, ist anreiz- und erfolgsorientiert.
Es besteht aus einer monatlichen Fallpauschale, die neun Monate nach der Einstellung
eines Arbeitslosen ausläuft. Im Erfolgsfall wird eine ebenfalls degressiv gestaltete
Vermittlungsprämie gezahlt.
"

Nach Freies Wort vorliegenden Informationen können die Agenturen so jeden Monat
für jeden Angestellten mit bis zu 1000 Euro rechnen.

Mit diesem Geld in der Hinterhand könnten sie ihre Arbeitskräfte dann natürlich
billiger auf dem Markt anbieten als andere Zeitarbeitsfirmen. "Wir werden
ein massives Firmensterben unter den 6000 Zeitarbeitsunternehmen in Deutschland
erleben
", warnt ein Südthüringer Unternehmer.

Und nicht nur das. "Unternehmen, die viel Lohnarbeit erledigen, könnten
ihre Stammbelegschaft reduzieren, weil sie in den Agenturen billigeres Personal
bekommen
", befürchtet Gansen.

Dem Arbeitsmarkt wäre damit nicht geholfen, wenn zwar die Angestellten der neuen
Anlaufstellen einen Job finden dafür aber andere Arbeitsplätze abgebaut würden.


Das Arbeitsamt will solche Effekte durch "genaue Beobachtung des Marktes
verhindern
", gesetzliche Vorschriften, die den permanenten Verleih
von subventionierten Zeitarbeitern an ein und das selbe Unternehmen verbieten
gibt es nach Angaben von Martina Scherer nicht.

Auch der Lohn, den die Agentur ihren Angestellten zahlt, wird nicht durch das
Arbeitsamt festgelegt.

"Er orientiert sich am marktüblichen Niveau für Zeitarbeit",
erklärt Kay Senius. Außerdem soll ein in der Zeitarbeit üblicher Tarif gezahlt
werden.

Im Fall von Bad Salzungen - erfuhr unsere Redaktion - soll dies der Vertrag
der Tarifgemeinschaft der Christlichen Gewerkschaften sein.

Ein Facharbeiter erhält demnach rund 7 Euro in der Stunde. In der Branche gilt
das Papier als Dumping-Vertrag.

Andere Abkommen sehen 30 bis 60 Cent mehr vor.

In drei Monaten will die erste Thüringer Personal-Agentur ihre volle Personalstärke
erreichen. Dann muss sich zeigen, ob das Modell hält, was Hartz versprochen
hat.

Cornelia Heil jedenfalls ist froh, endlich wieder Arbeit zu haben.


von JOLF SCHNEIDER - FREIES WORT