1. Mai-Rede der FAU-IAA gegen Zwangsarbeit & 'Hartz-Gesetze' auf der Sozialrevolutionären 1. Mai-Demonstration in Hamburg

Seit der Ölkrise 1974, also seit fast dreißig Jahren, gibt es in Deutschland keine Vollbeschäftigung mehr. Die Massenarbeitslosigkeit nimmt immer massivere Formen an, während uns die Sozialdemokraten und ihre grünen SteigbügelhalterInnen weiter vorgaukeln, dass Vollbeschäftigung wieder erreichbar
sei: wenn, ja wenn sämtliche Schutzrechte, die durch die organisierte Arbeiterbewegung erkämpft wurden - "modernisiert" werden. Also: sie sollen abgeschafft werden!

Das bringt dann angeblich neue und mehr Arbeitsplätze, das kurbelt die Ausbeutung
wieder an, wir Malocher haben wieder mehr Spaß am Geld ausgeben. Ein dritter
Kühlschrank muß her! Wer nicht mitzieht bei der Modernisierung der Ausbeutung,
der sitzt bei trocken Toastbrot vor der Glotze und verliert sein letztes bißchen
Würde durch neue GameShows à la "Wünsch Dir einen Arbeitsplatz".

Warum laufen wir dann nicht mit bei den Ober-Gerechtigkeitsvertretern vom
DGB und essen Fischbrötchen mit der SPD-Clique um den Ex-Brechmittel-Innensenator
Olaf Scholz? Weil wir die DGB’ler und ihre hochbezahlten Funktionäre nicht zurückpfeifen
können.

Der DGB ist kein Verräter - er ist Teil des kapitalistischen System, seine
Gewerkschaften sind die Zuchtmeister in den Betrieben; sie setzen ihre ordnungspolitische
Rolle in der Deutschland AG rabiat durch. Diese "Schill-Funktion" zur Aufrechterhaltung
der Ausbeutung und Profitmaximierung lässt sich der DGB in immer dreisteren
Formen belohnen: Beteiligung an Beschäftigungsförderungs- und Qualifizierungs-Gesellschaften,
Anteilseigner an PSA-Leiharbeitsfirmen wie in NRW, Aufsichtsrat- und Vorstandsposten
bei der ‚Hamburger Arbeit‘ (die u.a. SozialhilfeempfängerInnen für 1 €uro Stundenlohn
arbeiten läßt) ...

Es ist die Aufgabe des Deutschen Gewerkschaftsbundes, den sozialen Krieg gegen
unsere Klasse zu organisieren, ein Klassenkampf, der gegen die arbeitende Bevölkerung
geführt wird. Tagtäglich. Mit ihrem millionenfachen Arbeitsplatzabbau erpressen
die Kapitalisten die Regierung, um "Reformstaus" und "Beschäftigungshemmnisse"
weg zu bekommen.

Als Entschuldigung für ihre Zusammenarbeit mit den Kapitalisten kommt dann
von Regierung und DGB das stereotype Leierkastengedudel über die veränderte
globale Wirtschaft, die ‚Standort-Deutschland-Sicherungs-Melodie‘. Demnächst
kommt das Brot aus Indien und wir liefern dafür dioxin-verseuchten Bio-Tofu
nach Japan! Wohl bekommt’s!

Auch die angebliche DGB-Gegenwehr in den letzten 30 Jahren hat kläglich versagt,
seit dieser Zeit kämpfen sie für die Durchsetzung der 35-Std.-Woche recht erfolglos.
Der DGB marschiert also schnurrstracks weiter in den Abgrund: Im letzten Jahr
haben sie mitgearbeitet an den neuen Arbeitsgesetzen mit dem Ziel der gnadenlosen
Ausspressung von Erwerbslosen - die "Hartz-Gesetze" sind mit ihr Werk! Warum?
Um ihren üblen Slogan "Hauptsache Arbeit!" über eine völlig entsolidarisierte
Klasse zu streuen, die nur noch nach materiellem Reichtum gieren kann. Diese
Arbeiterklasse ist am Ende - sie hat fertig.

Daher wird es Zeit, dass wir dem eine neue, selbstbewußte, von Staat und Kapital
unabhängige Klassenbewegung entgegensetzen, die die Interessen unserer Klasse
verteidigt. Egal, ob dabei ein Bausparvertrag über den Jordan geht.

Die "Hartz-Gesetze" sind nur der extremste "Reform"-Angriff in einer nichtendenwollenden
Kette von Angriffen auf unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen, unser Leben insgesamt,
denn überflüssige Menschen braucht der Kapitalismus ebensowenig wie subsistenzwirtschaftende
aufständische Indios in Chiapas oder sich selbstversorgende Kleinstbauern in
Polen.

Die Kanzler-Rede vom 14. März brachte dann die endgültige Kriegserklärung
an die Arbeiterklasse:



  • Die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe auf Sozialhilfeniveau
    wird kommen: Als Arbeitslosengeld II mit pauschalieretn Beiträgen von etwas
    mehr als 600 € monatlich und als Sozialgeld für erwerbsunfähige Sozialhilfe-BezieherInnen
    und Langzeitarbeitslose, die länger als 48 Monate ohne Beschäftigung sind.
    Diskutiert werden noch mögliche Zuschläge im ersten Jahr des ALG II-Bezuges
    von 160 € für Singles und 320 € für Verheiratete;

  • Wer nicht spurt, fliegt aus dem Arbeitslosengeld-Bezug raus! Ab 2004 greift
    dann auch keine Sozialhilfe mehr, da die ja abgeschafft wurde;

  • Bezahlung der Versicherungskosten für das Krankengeld allein durch die
    ArbeiterInnen sowie erhöhte Selbstbeteiligung an den Krankenkosten plus ein
    Eintrittgeld von 15 € bei jedem Facharztbesuch - Kinder- und Frauenärzte vorerst
    ausgenommen;

  • Wirtschaftsminister Clement plant Sonderwirtschaftszonen, die in Ostdeutschland
    und im Westen die besonders hohe Erwerbslosigkeit über verstärkte kommunale
    ABM und die Außerkraftsetzung von Gesetzen bekämpfen sollen;

  • Der Kündigungsschutz wurde endgültig für Kleinstbetriebe und ältere KollegInnen
    aufgeweicht.

  • Massive Erhöhung der Anrechnung von Familieneinkommen mit dem Ergebnis,
    dass erwerbstätige Frauen aus dem Arbeitslosengeld II-Bezug zu Hunderttausenden
    herausfliegen werden.


Das Kernstück der Hartz-Gesetze sind aber nach wie vor die Personal-Service-Agenturen
- PSA:

Ziel ist die Schaffung eines extremen Niedriglohnsektors über staatlich geförderte
Sklavenarbeit mit ca. 40.000 Beschäftigten noch in diesem Jahr - 400.000 sollen
es dann 2004 sein - und 2012 wird bereits mit mehrere Millionen gerechnet, die
in Zeitarbeitsfirmen malochen.

Diese Kolleginnen und Kollegen müssen vorher erst aus ihren alten Beschäftigungsverhältnisse
rausfliegen, um dann als Zeitarbeits-Sklaven an ihren alten Arbeitsplatz für
30% geringere Löhne zurückkehren zu dürfen.


Der DGB hat bereits einen geheimgehaltenen Tarif für die Zeitarbeitsbranche
und die PSA abgeschlossen, denn ab dem 1.7.03 dürfen PSA-Beschäftigten nur mit
einem gültigen Tarifvertrag unterhalb von "equal pay" ("Gleicher Lohn für gleiche
Arbeit") bezahlt werden.

Der Stufenplan geht bis zum Jahre 2007. Einzig die Entgeltgruppe 1 (Tätigkeiten
mit kurzer Anlernzeit) ist bisher mit einem Regelstundensatz von 8,40 € und
einem Mindeststundensatz 6,85 € für 2004 vereinbart worden. Der Mindeststundensatz
gilt immer dann, wenn im Entleihbetrieb schlechtere Löhne gezahlt werden als
der Zeitarbeits-Tarif des DGB vorsieht.

Diese Stundenlöhne gelten bis Ende 2004 in den ersten sechs Monaten. Danach
kann es dann jeweilige Branchenzuschläge geben. Und erst ab Januar 2008 gilt
der Mindeststundensatz nur für die ersten sechs Wochen des Beschäftigungsverhältnisses,
so wie es das Gesetz vorschreibt! - Der Facharbeiterecklohn ist sofort fällig
- er soll 2004 10,60 € und später 11 € betragen.


  • Die Arbeitszeit beträgt 35-Stunden die Woche. Mehrarbeit kommt auf Zeitkonten
    und kann abgefeiert werden. Der Monatslohn wird auch nur auf dieser 35-Std.-Basis
    bezahlt.

  • Zuschlagsregelungen (Sonn- & Feiertagsarbeit, Mehrarbeit) wurde ebenso
    noch nicht geregelt wie das Urlaubsgeld...

  • Der Hammer aber sind die festgeschriebene Öffnungsklausel speziell für
    die PersonalServiceAgenturen - in denen der Mindeststundensatz dann nochmals
    unterschritten werden darf; die Höhe des Lohnabschlages für alle Beschäftigten
    in Ostdeutschland und Berlin ist ebenfalls noch offen, es muss aber mit 20%
    mindestens gerechnet werden.

  • Außerdem ist die Absenkung des Facharbeiterecklohnes für Langzeitarbeitslose
    geplant, da Arbeitslosigkeit jetzt grundsätzlich als "Vermittlungshemmnis"
    gilt.

  • Die Monatseinkommen in der Zeitarbeit lagen 2002 im Westen bei 1.490 €.
    Das sind für qualifizierte ArbeiterInnen 40% und für Angestellte 30% unter
    den sonst üblichen monatlichen Einkommen bei einem Vollzeitjob.


Die Sklavenarbeits-Kapitalisten verlangen seit Wochen nun Nachverhandlungen,
um diese vereinbarten Löhne um mindestens 30% zu reduzieren, da sonst die Zeitarbeitsbranche
vor dem "Aus" stünde. Wir jedenfalls werden unseren Teil dazu beitragen, dass
diese Geheimverhandlungen mit dem DGB öffentlich werden und der Widerstand in
die Personal-Service-Agenturen hineingetragen wird. Weil der DGB für die Einführung
dieses Niedriglohnsektors als "normalem Wirtschaftszweig" mitverantwortlich
ist, fordern wir Euch auf, Euch unabhängig von diesen arschkriechenden Gewerkschaften
zu organisieren. Wir brauchen selbstbestimmte und kollektive Gegenwehr! Kämpfen
wir gegen den Kapitalismus als Ursache der gesellschaftlichen Unterdrückung
und Armut.

No war but the ClassWar - bekämpfen wir
gemeinsam die staatlich verordnete Zwangsarbeit in den PSA und Sklavenbetrieben,
genauso wie in den Brutstätten der Verzweiflung und übelsten Ausbeutung - ob
sie als CallCenter, SushiBar, Dönerbude, Smiley’s oder als turbogeile IT-Jobs
in commercial events mit ihren unerträglichen Arbeitsbedingungen daherkommen.

Auch wenn Hamburg nun dank "Feuer & Flamme!" nicht zur Olympia-Stadt geworden
ist, sollen wir alle zu Hochleistungs-Arbeitstieren gefördert und gefordert,
Erwerbslose und Arme vertrieben oder umgesiedelt werden, damit ihre schönen
neuen Komsum-Tempel nicht gestört wird!

Wir sagen YA BASTA! - Es reicht!

Gegen staatliche Zwangsarbeit in PSA und anderswo - Widerstand und Klassenkampf!

Bekämpfen wir die "Wachsende Stadt"-Konzepte der hanseatischen Bourgeoisie!

Bambule gegen soziale Ausgrenzung und Verarmung - Kampf den Pfeffersäcken!

FAU-IAA Hamburg