Der Berliner erste Mai ist ein seltsames Ritual bei den Linken dieser Stadt...

Im Vorfeld profilieren sich die unterschiedlichen Gruppen meist durch heftige und schwer durchschaubare Grabenkämpfe.

Wie eigentlich immer in den letzen Jahren gab es deshalb auch gleich zwei revolutionäre 1. Mai-Demonstrationen.

Die FAU Berlin hat sich aus dem ganzen Hickhack ein wenig herausgehalten. Stattdessen hat sie versucht, ihre Inhalte in alle Demonstrationen hereinzutragen und war morgens beim DGB, um 15 Uhr am Oranien Platz, sowie um 18 Uhr am Rosa Luxemburg Platz präsent. Außerdem gab es einen gut besuchten Stand auf dem Fest am Mariannenplatz.

Auf den beiden revolutionären Demos hat die FAU dann auch einen Redebeitrag gehalten, der aber aufgrund der begrenzten Reichweite der Lautsprecherwagen nicht überall zu verstehen war.

Daher soll er an dieser Stelle noch einmal zugänglich gemacht werden:

» Wir kriegen nur, wofür wir kämpfen! Wie jedes Jahr, seit die Polizei am Chicagoer
Haymarket ein Blutbad unter Gewerkschaftern angerichtet hat, sind heute weltweit
wieder hunderttausende Leute auf den Straßen. So auch hier auf einer der beiden
revolutionären 1. Mai - Demonstrationen.


So widersprüchlich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieser beiden Demonstrationen
auch sind, soviel trennendes auch zwischen den einzelnen organisierenden Gruppen
steht - etwas, das alle hier gemeinsam haben, gibt es doch: Die Ablehnung der
herrschenden Verhältnisse und den Willen, dieser Ablehnung auch Ausdruck zu
verleihen. Dennoch ganz kurz und am Rande: Da wir nicht "Dr. Motte" heißen und
das hier nicht die "Love-Parade" ist, wollen wir jetzt aber nicht allzusehr
"Friede Freude Eierkuchen" spielen.


Leuten, die meinen, daß sie mit irgendwelchen Nationalflaggen herumwedeln müssen,
möchten wir entgegenhalten, daß das Proletariat kein Vaterland hat und der Anblick
von Portraits stalinistischer Ikonen hat bei uns schon immer Brechreiz ausgelöst.
Soviel zu den Fetzereien in der linken Szene, mit denen wir uns jetzt nicht
weiter beschäftigen wollen, da es wichtigeres gibt auf der Welt. Zum Beispiel
die Frage, warum sich so wenig gegen den Abbau einst erkämpfter Rechte tut.


Das Recht zum Beispiel Geld zu kriegen, wenn man gerad keine Chance hat auf
den "Genuss", ausgebeutet zu werden und statt zu schuften auf Ämterfluren herumlungert.
Das ist nicht schön aber immer noch schöner, als um der nackten Existenz willen,
jeden Drecksjob annehmen zu müssen.

Mit der Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und der Verkürzung des Arbeitslosengeldes
auf ein Jahr wird jedenfalls ein großer Schritt in diese Richtung gegangen.
Oder die massenhafte Zwangsvermittlung von Arbeitslosen in unterbezahlte Zeitarbeitsjobs.


Oder die Tatsache, das das Arbeitsamt uns nach drei Monaten Arbeislosigkeit
zum Umzug nach München oder Hamburg zwingen kann, daß wir nach 7 Monaten zu
einem Lohn, der unserer Arbeitlosen-, oder Sozialhilfe entspricht, vermittelt
werden können...

Was haben wir dem entgegenzusetzen?


Diese Reihe von geplanten oder schon umgesetzten Gemeinheiten ließe sich fortsetzen,
allerdings ist unsere Redezeit begrenzt. Hinzu kommt, daß Kapitalismus und Lohnarbeit
schon an sich Gemeinheiten sind, denen es Widerstand entgegenzusetzen gilt.
Dabei ist eine alljährlich stattfindende Straßenschlacht sicher nicht das Schlechteste.


Aber sie hat einen Makel: Wenn hinter ihr nicht eine Bewegung steht, mit der
wir unseren Alltag verändern können, wirkt sie etwas hohl. Wenn wir am 1. Mai
Revolution schreien, aber sonst nicht in der Lage sind, schlechten Löhnen und
Arbeitsbedingungen, für uns unkalkulierbaren, "flexiblen" Arbeitszeiten oder
der Schikane auf den Ämtern etwas konkretes entgegenzusetzen, machen wir uns
lächerlich. Wir sind deshalb vorsichtig mit unseren Parolen.


Der libertäre Kommunismus, die Anarchie oder wie man eine nachkapitalistische,
herrschaftsfreie Gewsellschaft auch immer nennen mag ist ein großes Ziel, das
durch die Hoffnung auf einen netteren Kapitalismus genauso wenig zu erreichen
sein wird, wie mit revolutionärer Phrasendrescherei.


Zwischen uns und einem besseren Leben steht unser Alltag, unsere Jobs und unsere
Ämtergänge. Um aus dem Dilemma herauszukommen, schlagen wir Selbstorganisation
vor. Selbstorganisation, die in den Arbeitsverhältnissen stattfindet und fähig
ist, dort konkrete Verbesserungen zu erzwingen aber nicht dabei stehen bleibt.


Für die Selbstorganisation des Klassenkampfes ist die Gewerkschaftsinitiative
FAU ein möglicher Rahmen.

Nicht mehr, aber auch nicht weniger.


Revolutionäre Gewerkschaften aufbauen! «


FAU


Zum Schluss noch ein paar Links zu weiteren Berichten über den ersaten Mai
in Berlin.

Nazideppen am Morgen in Berlin: http://www.de.indymedia.org/2003/05/50320.shtml


"Impressionen zum 1. Mai"

jede Menge Fotos unter http://www.de.indymedia.org/2003/05/50384.shtml


noch mehr Fotos: http://www.de.indymedia.org/2003/05/50259.shtml


"Bericht un Eindrücke von der 18 Uhr - Demo" http://www.de.indymedia.org/2003/05/50365.shtml
und die Sonderseite vom

"Stressfaktor" http://stressfaktor.squat.net/2003/mai.php