Airbus trotzt Luftfahrtkrise mit flexiblen Arbeitszeiten - Verstärkter Einsatz von Leiharbeitern

Dreifaches Kontensystem für 17 000 Beschäftigte - Neue Vereinbarung soll
Auftragsschwankungen von 40 Prozent auffangen.



Airbus kann künftig flexibler auf Auftragsschwankungen reagieren. Eine
neue Konzernbetriebsvereinbarung zwischen Betriebsrat und
Geschäftsführung soll zugleich die 17 000 Arbeitsplätze in Deutschland,
davon rund 9000 in Hamburg, sichern.

Dazu setzt das Unternehmen im Kern
auf ein System von Arbeitszeitkonten und den verstärkten Einsatz von
Zeitarbeitern. Arbeitgeberverband Nordmetall und die Gewerkschaft IG
Metall lobten die Vereinbarung als Zeichen für die Flexibilität des
Flächentarifvertrags.

Anlass sind die starken Auftragsschwankungen in der Luftfahrt, besonders nach
den Terroranschlägen in den USA. "Wir stehen am Anfang einer tiefen Krise
nach einer Erfolgsstory in den vergangenen Jahren, in denen wir Boeing eingeholt
haben
", erklärte Gerhard Puttfarcken, Vorsitzender der Geschäftsführung.
Nachdem seit 1996 vor allem Flexibilisierungsmaßnahmen für starke Auslastungen
gefunden worden seien, sorge das Unternehmen nun für schwache Zeiten vor.

Insgesamt soll die Vereinbarung Schwankungen von 40 Prozent auffangen können,
bisher seien es 20 Prozent gewesen. "Wir können nicht erwarten, dass wir
in diesem Jahr Auftragseingänge wie 2000 und 2001 verbuchen können
", warnte
Puttfarcken vor möglichen Insolvenzen bei Airlines. Dazu kämen Belastungen aus
den Investitionen für den Super-Jumbo A380.


Auf drei Konten können Arbeitnehmer künftig Arbeitszeit ansparen.
Ausgleich erfolgt dabei grundsätzlich in Freizeit. Dadurch will Airbus
die Stammbelegschaft absichern. Neben das Arbeitszeitkonto für die
Gleitzeit tritt ein Sicherheitskonto. Hier können bis zu 150 Über- oder
Unterstunden angesammelt werden. Als zusätzlichen Anreiz gibt Airbus den
Arbeitnehmern zusätzlich 15 Prozent Freizeit je angesparter Überstunde.

"Damit können wir mehr als einen Monat Arbeitszeit je Mitarbeiter kurzfristig
einsetzen
", erklärte Jörg Rischke, Personalchef bei Airbus. Alternativ können
Überstunden auf einem Lebensarbeitszeitkonto angesammelt werden. Über ein Kapital-
Fondsmodell ermöglicht dies einen früheren Ruhestand.


Zusatzmaßnahmen wie Arbeitszeitverkürzungen mit
Lohneinbußen sind möglich. Dabei kann die Zahl der Wochenstunden von 35
beziehungsweise 40 auf 30 reduziert werden. Die Freigabe der Instrumente
erfolgt jährlich oder nach Bedarf in einer Verabredung zwischen den
Unternehmensteilen und den Betriebsräten.


In der Vereinbarung ermöglicht der Betriebsrat den verstärkten Einsatz
von Zeitarbeitern. Im Gegenzug verpflichtet sich Airbus, ab dem vierten
Monat Tariflöhne zu zahlen. Zusammen mit anderen Luftfahrtunternehmen in
Hamburg soll jetzt geprüft werden, ob ein gemeinsamer Pool von
Leiharbeitern gebildet werden kann.

"Wir setzen mit der Vereinbarung einen Benchmark für Deutschland und für
das europäische Airbus-System
", meinte Rischke. Auch Peter Zimmermann, Vorsitzender
des Konzernbetriebsrats, zeigte sich zufrieden. Airbus Deutschland beweise im
Vergleich mit den Partnern die größte Anpassungsfähigkeit.

"Damit ist das Gespenst der betriebsbedingten Kündigungen vertrieben",
sagte er. Durch die neuen Einsatzmöglichkeiten für Zeitarbeiter stelle sich
die IG Metall zudem der gesellschaftlichen Diskussion. Dabei gehe die Schaffung
von Arbeitsplätzen vor die Sicherung der individuellen Einkommenshöhe.


DIE WELT Hamburg, 3. Mai 2003