Heiße Verhandlungen über Zeitarbeits-Tarife - Die DGB-Gewerkschaften als Arschkriecher der Regierung
Der Deutsche Gewerkschaftsbund will am Mittwoch die ersten Branchen - Tarifverhandlungen mit dem Bundesverband Zeitarbeit (BSA) abschließen. Diese hatten erst am 30. Januar begonnen, der Zeitplan gilt als ambitioniert. "Wir streben einen zeit- und inhaltsgleichen Abschluß auch mit dem Interessenverband Zeitarbeit an", sagte Reinhard Dombre, Verhandlungsführer des DGB.
Die zerstrittenen Verbände BZA und die kleinere Interessengemeinschaft iGZ hatten sich nicht auf eine gemeinsame Verhandlungsführung einigen können; mit der iGZ wurden deshalb nur informelle Gespräche geführt. (Anmerkung: Auszug aus dem Schreiben des DGB - Bundesvorstandes vom 14.02.03 an die iGZ: "...hiermit laden wir Sie zu den Tarifverhandlungen Zeitarbeit für den 18. und 19.02. nach Berlin ein. Für Ihre Verhandlungskommission haben wir Besprechungsräume reserviert...")
Es seien aber noch viele Punkte offen, erklärte Jürgen Uhlemann von der BZA.
Strittig sind vor allem die Entgelt-Abschläge für Leiharbeiter. Die Arbeitgeber
verlangen, dass Zeitarbeitskräfte mit Vermittlungshemmnissen wie zum Beispiel
Langzeitarbeitslose anfangs dreißig Prozent weniger verdienen sollen als die
fest angestellten Mitarbeiter des Entleihbetriebs. Die Gewerkschaft wollte nur
Abstriche von fünf Prozent zulassen. Inzwischen wird über 15 bis 20 Prozent
verhandelt. Auch für welche Beschäftigtengruppen die geringere Bezahlung gelten
soll, ist noch Gegenstand der Verhandlungen. Ursprünglich hatte die BZA dies
für sämtliche Zeitarbeiter verlangt, dies ist nun aber offenbar vom Tisch. Das
Arbeitnehmer-Überlassungs-Gesetz (AÜG) garantiert die gleiche Bezahlung
von Zeitarbeitern und regulär Beschäftigten, wenn die Tarifpartner sich auf
nichts anderes einigen. Einigkeit besteht nach den Worten Uhlemanns bei der
stufenweisen Anhebung der Entgelte auf die Höhe der Löhne der fest Angestellten:
Sie soll sich über 13 Monate erstrecken.
Uhlemann warnte, nichts zu übereilen. "Wir haben in der Zeitarbeit vierzig
Jahre tariffreien Raum gehabt", sagte er. "Da kann man nicht von heute
auf morgen die Kosten um 30 Prozent erhöhen."
THEMEN DER WOCHE: SZ - KOMMENTAR
Tarifvertrag als Prestige-Projekt
Die Fotografen sind schon bestellt. Am Mittwochabend wollen Gewerkschaften
und Arbeitgeber des Zeitarbeitsgewerbes in Berlin ihren ersten Branchen-Tarifvertrag
präsentieren. Das ist bemerkenswert.
Zum einen sind in der Zeitarbeit die Arbeitgeber zerstritten. So zittern die
Gewerkschaften noch, ob sie gleich für beide der wichtigen Verbände der Zeitarbeit
eine Lösung finden. Sollten die Arbeitgeber jetzt immer noch nicht zusammenfinden,
so bestätigen sie den fatalen Eindruck der ersten Verhandlungstage: daß
sie keine Profis sind.
Zum zweiten verhandeln die Gewerkschaften, obwohl sie gar nicht müßten.
Denn das Gesetz garantiert bereits, dass Zeitarbeiter in den Entleihbetrieben
so wie ihre fest angestellten Kollegen bezahlt werden. Doch mit einem Tarifvertrag
an Stelle der gesetzlichen Regelung wollen die Gewerkschaften beweisen, daß
sie zu etwas gut sind: Er ist für sie deshalb ein Prestige-Projekt.
Zudem hoffen sie, ein paar Extras herausholen zu können. Beides vor dem Hintergrund,
dass sie bislang unter Leiharbeitern nur wenig Mitglieder haben.
Trotzdem: Es ist erfreulich, daß sie sich hier an ihre Zusagen im Rahmen der
Hartz-Reformen gebunden fühlen.
Jonas Viering
Quelle: Süddeutsche Zeitung vom 15.2.03