Heute zum Morgen - 1.Mai Demonstration in Greifswald - Redebeitrag Allgemeines Syndikat Rostock

Wir sind heute hier vom Allgemeinen Syndikat Rostock der Freien Arbeiter*innen Union und freuen uns, dass wir heute hier sprechen können. An dieser Stelle ersteinmal ein Dankeschön an Antifa Defiant, dass wir heute hier sprechen können. Dass diese Demonstration auch in Zeiten von Corona stattfindet ist in unseren Augen ein gutes und wichtiges Zeichen. Nachdem im Frühjahr des letzten Jahres Nachbarschaftsinitiativen und gegenseitige Hilfe in aller Munde war, ist dieser Moment der praktischen gegenseitigen Hilfe spätestens mit dem Sommer eingeschlafen. An dieser Stelle soll es gar nicht so sehr um die an vielen Stellen propagierten "Einkaufshilfen" für ältere Menschen und Angehörige von Risikogruppen gehen, deren Angebot die Nachfrage um ein Vielfaches überschritten hat. Trotzdem gab es vielerorts Initiativen, die sich Gedanken über eine solidarische Perspektive jenseits des Einkaufens gemacht haben, so auch bei uns in Rostock. Wenn wir uns die Homepage des damals entstandenen Solinetzes ansehen, lesen wir da stabile Haltungen und Forderungen, die vor einem Jahr schon aktuell waren, jetzt aber umso dringlicher erscheinen: die Auflösung von Sammelunterkünften von Geflüchteten, Wertschätzung und Anerkennung von Care- und Pflegearbeit, eine Kritik an der Situation von Saisonarbeiter*innen in der Landwirtschaft und nicht zuletzt eine deutliche Abgrenzung nach rechts an ein Klientel, für das Corona-Kritik nur eine Forderung nach mehr kapitalistischem Normalzustand ist. An dieser Stelle gehen liebe Grüße raus an all die Menschen, die sich damals engagiert haben und alle, die es weiter tun.
    
Spätestens mit den sinkenden Inzidenzen im Sommer hat diese Vernetzung von Links an Fahrt verloren und die Diskurshoheit beinahe komplett an selbsternannte Querdenker*innen abgegeben. Wir finden es jedoch wichtig, an dieser Stelle ganz deutlich zu betonen, dass es für uns keinen Frieden geben kann mit den ausbeuterischen Verhältnissen, die Hasse, Kreft und ihre ganzen AfD-Freunde wiederherstellen wollen. Corona, Kontaktbeschränkungen und Isolation haben dazu geführt, dass die Verantwortung für die Pandemiebekämpfung auf das Privatleben abgewälzt wird, während Betriebe und Schulen auch bei viel zu hohen Inzidenzen offen bleiben und als Treiber der Pandemie nicht anerkannt werden. Dass sich dann ein Claus Ruhe Madsen reichweitenstark für eine Ausgangssperre einsetzen darf ist dann der absolute Gipfel und zeigt uns, dass die Profitinteressen von irgendwelchen Bossen in diesem Land und weltweit wichtiger als eine wirksame Pandemiebekämpfung zu sein scheinen. 
 
Wir sehen dies als Beweis, dass die Interessen der besitzenden Klasse und der unseren, also Lohnabhängigen, Erwerbslosen, Rentner*innen und vieler anderer sich nicht vereinen lassen und sich unvereinbar gegenüber stehen. Wir begrüßen ausdrücklich jeden Versuch, selbstbestimmt an diesen Verhältnissen zu rütteln. Letztes Jahr haben in Bornheim Saisonarbeiter*innen in einem wilden Streik gegen ausbleibende Lohnzahlungen und fehlende Hygienemaßnahmen protestiert. Mit Unterstützung der FAU Bonn wurden nun 100.000 Euro in Lohnnachzahlung erstritten. Das mag ein punktueller Erfolg sein, ändert aber an der systematischen Ausbeutung nichts. Erst kürzlich wurde eine Ausweitung der Höchstarbeitszeit beschlossen, bei der die Krankenversicherung explizit keine Corona-Erkrankungen trägt - alles, damit hier billiger Spargel gefressen werden kann. Mit Karl's Erdbeerhof haben wir übrigens ein riesiges Unternehmen direkt vor der Haustür, das nach genau den selben Mechanismen funktioniert. Falls ihr Lust habt, diese Verhältnisse zu bekämpfen, meldet euch bei uns.
 
Zur selben Zeit wird den Beschäftigen am Amazonstandort in Winsen bei Hamburg verboten, FFP2 Masken auf der Arbeit zu tragen. Warum? Damit die Beschäftigten keine zusätzlich empfohlenen Pausen in Anspruch nehmen. Im Verteilzentrum in Leipzig dürfen die Beschäftigten zwar FFP2 Masken tragen, ihnen wird die zusätzliche Pause aber von den Überstunden abgezogen. Amazon zeigt hier wieder volles Desinteresse an den Arbeitsbedingungen seiner Beschäftigten. Diese unsolidarische Praxis zeigt sich auch in der Weigerung, die Beschäftigten nach Tarif zu bezahlen oder, wie in den USA, gewerkschaftliche Arbeit ganz zu sabotieren und zu verhindern. Sollte es zu einer Ausweitung der Konzernmacht Amazons mit seinen geplanten Verteilzentren in Rostock, Schwerin und Neubrandenburg kommen, stehen wir an der Seite selbstbewusster Kolleg*innen und Genoss*innen, die sich nicht alles gefallen lassen wollen und für ihre Rechte kämpfen.
 
Wir finden: In kapitalistischen Verhältnissen braucht es ein solidarisches Miteinander auf Augenhöhe anstatt ein leistungsorientiertes Gegeneinander, um für die Rechte von Arbeiter*innen und Angestellten zu kämpfen. Dazu gehören nicht nur der Kampf für faire Löhne, Mitbestimmmung im Betrieb und bessere Arbeitsbedingungen, sondern auch die grundlegende Kritik an den Verhältnissen und ein Kampf für eine solidarische Welt. Dazu gehört auch eine basisdemokratische Mitbestimmung aller Beschäftigten. In Coronazeiten und generell: Wir weigern uns, Menschen gegen Profite auszuspielen und einer kapitalistischen Verwertungslogik unterzuordnen. Der Kapitalismus ist nicht alternativlos. Er ist kein Naturgesetz, sondern ein von Menschen geschaf­fenes Machtverhältnis, das durch kollektives und gut organisiertes Handeln der Arbeitenden aufgehoben werden kann.
 
Wir als FAU sind eine anarcho-syndikalistische Gewerkschaftsföderation. Sie besteht aus unabhängigen lokalen Gewerkschaften, den Syndikaten. Das heißt konkret: Bei uns werden die Entschei­dungen von der Basis getroffen. Als Organisation von Lohnabhängigen für Lohnabhängige kämpfen wir für die direkte uns selbstbestimmte Verbesserung unserer Lebensbedingungen. Statt der herrschenden Ausbeutung, Zerstörung und Unterdrückung von Mensch und Natur setzt sich die FAU für eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung ein, die auf Solidarität und Selbstverwaltung basiert und in der alle ein gutes Leben führen können.
Als Lohnabhängige verfügen wir über die uns eigene Macht, den reibungslosen Ablauf der Lohnarbeit zu unter­brechen. Unsere Ziele wollen wir bevorzugt auf direktem Weg erreichen. Wir bedienen uns im Arbeitskampf deshalb derjenigen Mittel, die unmittelbaren Druck auf die Gegenseite ausüben. Wir bezeichnen das als „Direkte Aktion“.
 
Wir verstehen uns als branchenübergreifende Basisgewerkschaft in der sich alle entweder Arbeitenden, Angestellten, Erwerbslosen, Schulpflichtigen und Studierenden organisieren können, die nicht in einer Position sind, andere Angestellte einzustellen oder zu entlassen. Da sie es sind, die die globalen Besitzverhältnisse notfalls mit Gewalt verteidigen, sind auch Mitarbeiter*innen der staatlichen Repressionsorgane nicht willkommen bei uns. Für alle anderen, egal ob Vollzeit, Teilzeit, Minijob oder erwerbslos, gilt: tretet der FAU bei und kämpft für eure Rechte, bessere Arbeitsbedingungen und eine gerechtere Welt ohne Ausbeutung!