FAU und IAA Blick zurück nach vorn
Im Dezember 2016 hat die IAA einstmals die Internationale des revolutionären Syndikalismus und den Anarcho-Syndikalismus ihre Sektionen in Spanien (CNT), Italien (USI) und Deutschland (FAU) ausgeschlossen und sich damit mindestens 90% ihrer Mitgliedschaft entledigt. Der Beschluss des IAA-Kongresses von Warschau kam nicht überraschend. Letztlich ist er Ausdruck der mindestens 20 Jahre währenden Agonie einer IAA, die sich immer weiter von ihren Wurzeln und den Grundsätzen ihrer Gründung im Dezember 1922 entfernt hat.
Dieser Text zeichnet aus der Sicht des Internationalen Sekretariates der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) die Entwicklung der IAA und die Konfliktlinien der letzten Jahrzehnte nach. Wir haben dabei mehrfach auf zwei aktuelle Veröffentlichung des Blogs Amor y Rabia zurückgegriffen, weil wir manches selbst nicht besser oder angemessener hätten formulieren können.
Auch wenn wir mit einem traurigen Auge auf das vorläufige Ende unserer Geschichte mit der IAA zurückblicken, so hoffen wir zugleich, dass sich Räume öffnen für ein neues, offeneres Projekt. Ein Projekt, das revolutionäre SyndikalistInnen, Anarcho-SyndikalistInnen und UnionistInnen weltweit in einer neuen Perspektive verbindet oder sogar vereint und vorhandene Spaltungen überwindet. In diesem Rahmen kann dann vielleicht auch das wieder zusammen finden, was sich für den Moment getrennt hat.
Von der Gründung der IAA 1922 bis zur Wiedergeburt in den 1970ern
Die IAA wurde als Internationale der revolutionär-syndikalistischen und anarcho-syndikalistischen Gewerkschaften 1922 in Berlin gegründet. Sie vereinte in den Anfangsjahren Organisationen mit teilweise mehreren hunderttausend Mitgliedern und ganz unterschiedlicher gewerkschaftlicher Praxis. Die verbindende Klammer waren die gegenseitige Hilfe, das Bekenntnis zu den Prinzipien des revolutionären Syndikalismus und der gemeinsame Versuch, sich dem Einfluss der neu entstehenden leninistischen Parteien zu entziehen, die überall auf der Welt versuchten, die Gewerkschaften zu bloßen Handlangern ihrer Parteipolitik zu machen.
Der Einfluss der IAA in der Geschichte der ArbeiterInnen-Bewegungen blieb jedoch weitgehend begrenzt. In der spanischen Revolution von 1936 jedoch spielte die CNT mit mehr als einer Million Mitglieder die größte Gewerkschaft innerhalb der IAA eine Schlüsselrolle. Die Niederlage der revolutionären Hoffnungen auf eine freie Gesellschaft in Spanien beschleunigte zugleich auch den Niedergang der IAA. Viele ihrer Sektionen waren bereits in den Jahren zuvor durch den Aufstieg des Faschismus in verschiedenen europäischen und lateinamerikanischen Ländern zerschlagen worden. Unter weiteren Druck gerieten die Sektionen durch die brutal durchgesetzte weltweite Vorherrschaft des Leninismus und später des Stalinismus innerhalb der Gewerkschaftsbewegungen. In Verbindung mit dem Zweiten Weltkrieg führte all dies schließlich zur faktischen Zerstörung aller Sektionen der IAA, mit Ausnahme der schwedischen SAC.
Auch die SAC geriet ab Anfang der 1940er Jahre jedoch unter starken Druck. Anders aber als etwa in Deutschland, Italien oder Spanien erfolgte der Angriff auf sie nicht in Form einer brutalen Unterdrückung durch den Faschismus. Die schwedische Regierung hatte vielmehr beschlossen, die Verwaltung der Ansprüche auf Renten- und Arbeitslosenunterstützung den Gewerkschaften zu übertragen. Ihr Ziel war es, auf diese Weise die ArbeiterInnen zu zwingen, der zahnlosen sozialdemokratischen Gewerkschaft beizutreten. Die SAC sollte auf diese Weise geschwächt und an den Rand gedrückt werden. Aus Furcht vor dieser Entwicklung vollzog die SAC 1942 eine Kehrtwende. Fortan beteiligte sie sich ebenfalls an der Verwaltung der staatlichen Mittel der Sozialkassen und baute dafür dafür einen Funktionärsapparat auf. Erst 2009 beschloss ein Kongress der SAC, die Strategie der Gewerkschaft in weiten Teilen wieder zu radikalisieren und zu alten Grundlagen zurückzukehren.
Vor diesem Hintergrund fand 1951 der 7. Kongress der IAA statt. Es war der erste nach dreizehn Jahren und nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf diesem Kongress wurde der Strategiewandel der SAC heftig kritisiert. Sie musste sich vorhalten lassen, dass es nicht im Sinne des revolutionären Syndikalismus sei, dass eine Gewerkschaft sich zum verlängerten Arm einer staatlichen Strategie macht, die darauf abzielt, die ArbeiterInnen ruhig zu stellen und ihre Organisationen in Abhängigkeit zum Staat zu bringen. In der Folge stellte die SAC die Beitragszahlungen an die IAA ein und beschloss 1957, die Internationale zu verlassen.
Damit hatte die IAA die letzte Sektion verloren, bei der es sich um eine tatsächliche Gewerkschaft handelt. Sie begann sich in eine reine Föderation von Propaganda-Gruppen zu verwandeln, die über keinerlei spürbaren Einfluss in den Klassenkämpfen mehr verfügten. Die schlimmsten Jahre des Kalten Krieges ähnelten für die anarcho-syndikalistische Bewegung so einem Zug durch die Wüste. Zugleich musste die Bewegung auch noch eine ganze Reihe heftiger Konflikte innerhalb der spanischen CNT über sich ergehen lassen. Die Mitglieder der immer noch größten IAA-Sektion befanden sich entweder im Exil oder lebten mit der ständigen Drohung, von den spanischen Behörden gejagt, getötet oder eingesperrt zu werden.
In den 1970er Jahren gab es endlich wieder Hoffnungsschimmer. Die Bewegungen von 1968, die wilden Streiks und die Krise von 1973, die Auferstehung der CNT ab Ende 1975, öffneten den Weg zur Gründung einer ganzen Reihe von neuen anarcho-syndikalistischen Organisationen. Zu ihnen zählte z.B. 1977 die FAU in Deutschland oder 1979 das Direct Action Movement in Großbritannien (heute Solidarity Federation). 1978 hielt die wiederbelebte USI die historische italienische IAA-Sektion ihren ersten Kongress ab und Ende der 80er Jahre machte die CNT-F in Frankreich mit ersten gewerkschaftlichen Aktionen von sich reden. Auch in anderen Ländern stießen kleinere Gruppen gewerkschaftlicher AktivistInnen zur IAA. Auf dem 16. Kongress der IAA im Jahre 1979 wurden so erstmals wieder eine ganze Reihe neuer Organisationen aufgenommen. Viele von ihnen waren zwar noch klein, aber dennoch sehr motiviert, sich in die Klassenkämpfe ihrer Herkunftsregionen einzumischen.
Die Spaltung der spanischen CNT und die Betriebsratsfrage
Der erste Rückschlag kam jedoch schnell und er kam erneut aus Spanien. Dort war die CNT nach dem Tod des Diktators Ende 1975 wie ein Phönix aus der Asche auferstanden. Binnen weniger Monate traten hunderttausende ArbeiterInnen der Gewerkschaft bei und feierten ihr neues Selbstbewusstsein im Juli 1977 mit einem riesigen Meeting am Montjuich in Barcelona, an dem sich fast 100.000 Menschen beteiligten. In Teilen der spanischen Regierung begann man die CNT als größte Bedrohung für die weitere kapitalistische Entwicklung des Landes zu betrachten. Und so unternahm die neue Regierung des demokratischen Übergangs alles, um einen Aufstieg der CNT zu verhindern. Sie schloss u.a. mit den Gewerkschaften den sog. Pakt von Moncloa. Dieser stellte gesetzlich abgesicherte Einflussnahme über Betriebsräte und den Zugang zu staatlichen Subventionen in Aussicht. Im Gegenzug mussten die beteiligten Gewerkschaften gravierende Einschränkungen u.a. beim Streikrecht akzeptieren.
In der CNT entspann sich ein erbitterter Streit darüber, ob man sich am Pakt von Moncloa beteiligen solle oder nicht. Die eine Seite argumentierte, dass die eben mit Volldampf begonnene Arbeit in den Betrieben geschwächt würde, wenn man als einzige Gewerkschaft aus einer Situation des faktischen Illegalität im Betrieb heraus auftreten müsse. Die andere Seite warnte mit Blick auf die schwedischen Erfahrungen eindringlich davor, dass eine Beteiligung am Pakt letztlich ein Ende des revolutionären Charakter der Gewerkschaft und eine Zähmung der Organisation im Interesse der Bosse bedeuten würde.
Der Konflikt führte zusammen mit einer Reihe von weiteren Faktoren, wie der Enttäuschung und Entpolitisierung der ArbeiterInnen durch den demokratischen Übergang, der Unfähigkeit der CNT derart große Massen an neuen Mitgliedern kurzfristig einzubinden und durch Geheimdienstaktionen mit dem Ziel, das Ansehen der CNT zu zerstören, zu einem raschen Mitgliederschwund. 1979, auf dem 5. Kongress der Gewerkschaft und dem ersten Kongress nach dem Ende der Diktatur, waren etwas über 30.000 Mitglieder durch ihre Delegierten vertreten. Noch zwei Jahre zuvor hatte die CNT knapp 200.000 Mitglieder gezählt.
Auf diesem 5. Kongress der CNT beschloss eine deutliche Mehrheit der Syndikate, dass sich die Gewerkschaft dem Pakt von Moncloa nicht anschließen und sich an den Wahlen zu den Betriebsräten nicht beteiligen wird. In der Folge verließen etliche Syndikate die Gewerkschaft. Sie gründeten 1979 ihre eigene Organisation, aus der schließlich die heutige CGT hervorging.
Der Konflikt in Spanien blieb nicht ohne negative Auswirkungen auf die IAA. Wichtiger aber war, dass über den erbitterten, teilweise vor Gericht ausgefochtenen, Streit in Spanien, ein grundlegendes Problem nicht offen diskutiert werden konnte, das er sichtbar gemacht hatte. Wie kann eine angemessene revolutionär-syndikalistische oder anarcho-syndikalistische Strategie auf betrieblicher Ebene aussehen, die sich erfolgreich Befriedungsversuchen durch das Betriebsrats-Modell entzieht und dennoch nicht in die Sackgasse betrieblicher Bedeutungslosigkeit führt? Da diese strategische Frage in der IAA der frühen 1980er nicht offen diskutiert wurde, litten bald viele der neuen Sektionen, in einer Art Wiederholung des Mythos vom Sisyphos, unter ganz ähnlichen Problemen, wie diejenigen, die zuvor in Schweden und Spanien an den Tag getreten waren.
Die Mühen der Ebene oder die Krise der CNT-F
Es begann mit der französischen CNT zu Beginn der 1990er. Der Gewerkschaft war es gelungen, in der Pariser Metro-Reinigungsfirma COMATEC eine große und sehr kämpferische Betriebsgruppe zu gründen. Die Arbeiter, größtenteils aus Nordafrika und der Subsahara stammend und zu extrem prekären Bedingungen beschäftigt, organisierten umgehend einen ersten erfolgreichen Streik. Zum Schutz ihrer Mitglieder in den heftigen Auseinandersetzungen mit der Firmenleitung beteiligte sich 1991 die CNT-F an den Wahlen zu den Personaldelegierten in der Firma. Das gleiche geschah bei SPES, einer anderen Reinigungsfirma, in welcher es der CNT-F gelungen war, eine starke Betriebsgruppe aufzubauen.
Diese taktische Beteiligung an gewerkschaftlichen Wahlen zum Schutz bedrohter Mitglieder, wurde zwar von einem Kongress der CNT-F im Nachgang genehmigt. Er sorgte aber dennoch für heftige Spannungen innerhalb der Gewerkschaft, bis hin zu ihrer Spaltung im November 1992. Der eine Teil gründete im Februar 1993 eine Gewerkschaft, der fast alle Betriebsgruppen angehörten (nach ihrem Sitz in Paris zunächst auch CNT / Vignoles genannt) und die sich für die eine taktische und gelegentliche Beteiligung an gewerkschaftlichen Wahlen aussprach. Der deutlich kleinere Teil hielt seinen Gründungskongress im Mai 1993 ab und wurde nach dem Sitz seines Koordinationskomitees zunächst CNT / Bordeaux genannt. Dort war man vordergründig strikt gegen jede Art der Beteiligung an gewerkschaftlichen Wahlen. Beide Organisationen nahmen für sich in Anspruch Mitglied der IAA zu sein.
Das war der Anfang eines Konfliktes, der sich für die IAA zum Dauerbrand entwickeln sollte. Das hatte auch damit zu tun, dass das französische Problem auch eines der spanischen CNT war. Die Kinder und Enkel des spanischen Exils in Frankreich waren in nicht geringem Maße an den Erfolgen der CNT-F beteiligt gewesen und dies mehrheitlich auf Seiten der sog. CNT / Vignoles. Ein dominanter Sektor in Spanien hingegen unterstützte vorbehaltlos die sog. CNT / Bordeaux. Dies führte zu heftigen Verwerfungen in der spanischen CNT und in der Konsequenz zum Rücktritt des seinerzeitigen spanischen IAA-Generalsekretärs, der sich geweigert hatte, sich im Konflikt auf eine der beiden Seiten zu schlagen und stattdessen versucht hatte, zwischen beiden Seiten zu vermitteln.
Der Dauerbrand speiste sich jedoch auch aus der Art und Weise, wie der 20. Kongress der IAA (Madrid, 1996) schließlich mit der Situation in Frankreich umging. Dort stand lediglich eine Aussprache zur Situation in Frankreich auf der Tagesordnung. Die meisten Sektionen, egal ob mit Delegierten oder nur mit einem schriftlichen Mandat anwesend, hatten deshalb keine Beschlüsse zu diesem Thema gefasst. Auf dem Kongress präsentierten dann die spanische CNT und die winzige norwegische NSF unter Bruch der IAA-Verfahrensweisen auf einmal einen Antrag, mit dem Ziel die sog. CNT / Vignoles auszuschließen und die sog. CNT / Bordeaux als einzige französische Sektion anzuerkennen. Der Antrag wurde dann in einer erhitzten Atmosphäre tatsächlich auch abgestimmt und so geschah es, dass durch ein unwürdiges und bis dahin beispielloses Manöver, der Großteil des bisherigen IAA-Mitglieder in Frankreich mit den Stimmen von nur drei Sektionen und gegen das Votum der FAU ausgeschlossen wurden. Der weitaus größte Teil der Sektionen enthielt sich, da sie natürlich kein Mandat für Anträge haben konnten, über sie vorab nicht informiert worden waren.
Im gleichen Atemzug wurde dann auch noch die letzte Tür zur gütlichen Lösung der Situation in Frankreich zugeschlagen. In der Folge des Kongresses von Madrid verschwand die Jahrzehnte zuvor beschlossene Möglichkeit, dass es mehrere Sektionen für ein Land geben kann, aus den Statuten der IAA.
Die Krise in Italien
Parallel zur Spaltung der französischen Sektion, hatte sich auch ein Konflikt in der italienischen Sektion, der Unione Sindacale Italiana (USI-AIT), entwickelt. Auch dort war der Anlass wieder die Notwendigkeit, eine angemessene Strategie für die gewerkschaftliche Aktion im Betrieb zu entwickeln. Anders als zuvor in Spanien und Frankreich ging es in Italien aber weniger um die Frage der Beteiligung an gewerkschaftlichen Wahlen, sondern im Kern um die Beziehung zum Spektrum der italienischen Basisgewerkschaften, das sich seit etwa Anfang der 1980er explosionsartig verbreitet hatte. Ein Teil der USI (wegen seines regionalen Schwerpunktes als USI Rom bezeichnet) trat dafür ein, die Gewerkschaft in Bündnissen von Basisgewerkschaften aufgehen zu lassen. Der andere Teil wollte die USI als eigenständige Gewerkschaft mit eigenem Profil erhalten. Der Konflikt mündete schließlich in der Spaltung der Organisation, als im Mai 1996 der Teil, welcher auf der Selbständigkeit der USI beharrte, einen Kongress in Prato Carnico abhielt, an dem die USI Rom nicht mehr teilnahm.
Auf dem IAA-Kongress 1996 waren zunächst Delegierte beider Organisationen anwesend. Nachdem die Delegation der USI Rom unter lautem Protest das Plenum verlassen hatte, stellte der Kongress fest, dass die USI Rom damit aus der IAA ausgeschieden und die USI-AIT somit die legitime Sektion in Italien sei.
Diese Entscheidung wurde seitens der USI Rom nie akzeptiert. Sie nennt sich bis heute USI-AIT und sorgt damit immer wieder für Verwirrung. So hat sie diese Situation beispielsweise mehrfach genutzt, um gewerkschaftliche Aktionen der tatsächlichen USI-AIT zu torpedieren. Dafür nutzte sie immer wieder die italienische Gesetzgebung, die vorsieht, dass Streiks zuvor den Behörden angezeigt werden müssen. Mehrfach verschickten die faktischen Streikbrecher aus Rom in der Vergangenheit daraufhin Schreiben an die Behörden, in dem Streiks, zu denen die USI-AIT aufgerufen hatte, vermeintlich wieder abgeblasen wurden.
Kontaktverbote und Misstrauen statt Kooperation
Die Konflikte in der CNT-F und der USI den beiden größten Sektionen nach der spanischen CNT hatten also just vor dem IAA-Kongress von 1996 ihren Höhepunkt erreicht und wurden vordergründig durch diesen entschieden. Eigentlich hätte der 20. Kongress der IAA mit zahlreichen Neuaufnahmen ein weiterer Schritt zur Wiedergeburt der IAA sein sollen. Durch die Manipulationen in Tagesordnung und Kongressverlauf und durch das teilweise unwürdige Auftreten etlicher Delegierter und Besucher, verwandelte es sich aber ganz im Gegenteil in den Ausgangspunkt einer fatalen internen Dynamik und die spanische CNT spielte darin eine tragende Rolle.
Der erste Schritt dazu war bereits einige Jahre zuvor getan worden. Auf dem IAA-Kongress 1984 in Madrid hatte man einen Antrag der spanischen CNT (die soeben erst die schlimmste Spaltung ihrer Geschichte erlitten hatte) angenommen, der formelle Beziehungen der IAA-Sektionen mit der schwedischen SAC untersagte. Der Grund für den Antrag war die finanzielle Unterstützung der SAC für die Abspaltung in Spanien (die spätere CGT). Der Beschluss enthielt Interpretationsspielraum, der zu künftigen Konflikten führen sollte.
Die u.a. in diesem Beschluss zum Ausdruck kommende Mentalität, begann bald die Atmosphäre in der IAA zu vergiften. Vor dem Hintergrund von Spaltungen in ihren größten Sektionen, begann sich die Internationale wie ein verwundetes Tier zu verhalten, das nichts und niemandem mehr vertraute. Das Vertrauen, die Grundlage jedes Föderalismus, wurde in der Folge ersetzt durch den Versuch der Überwachung der Sektionen und durch die Drohung mit Strafen, wenn es notwendig und angemessen erschien.
Ein Beschluss, der auf dem 21. Kongress (Granada, 2000) getroffen wurde, fügte dieser Logik einen weiteren Baustein hinzu. In einem beschönigend als Kontaktregelung bezeichneten und auf Antrag der norwegischen NSF beschlossenen Verfahren, müssen seither in Ländern, in denen es IAA-Sektionen gibt, sämtliche Kontakte zu anderen Organisationen ausschließlich über die jeweilige IAA-Sektion abgewickelt werden. Diese Logik, die den Föderalismus durch eine Art konföderalen Feudalismus zu ersetzen suchte, hatte im weiteren Verlauf schwerwiegende Folgen. Die FAU nahm auch hier, ähnlich wie zuvor beim manipulierten Ausschluss der CNT-F, ihr Recht in Anspruch, einen Beschluss der IAA als für sich nicht bindend zu erklären.
Der Zauberlehrling
Die vergiftete Atmosphäre und die zunehmende Selbst-Isolierung der IAA wurden mit der Nominierung des neuen IAA-Sekretariates im Jahre 1996 weiter verschärft. Wo es eines ausgleichenden IAA-Sekretariates bedurft hätte, das die Wogen glättet und den Versuch unternimmt, Brücken zu bauen, nominierte die spanische CNT stattdessen ihren ehemaligen Generalsekretär José Luis García Rúa zum Generalsekretär der IAA. In den drei Jahren seines Mandates verstand dieser es, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, weiteres Öl in das Feuer der schwelenden Konflikte zu kippen.
Ab Ende der 1990er entwickelten sich weltweit in rasendem Tempo Bewegungen, die grenzüberschreitend hunderttausende, darunter viele ArbeiterInnen, gegen die kapitalistische Globalisierung und deren Strategien der grenzenlosen Ausbeutung mobilisierten. Diese Bewegungen drückten sich u.a. in großen und kämpferischen Demonstrationen gegen die Gipfel der Herrschenden aus, bei denen wir uns auf der Straße häufig vereint sahen mit GewerkschafterInnen aus anderen syndikalistischen Organisationen nicht oder nicht mehr der IAA angehörten.
Statt die neue Situation und das große Interesse an einer grenzenlosen Antwort auf Ausbeutung und Herrschaft zu nutzen, machte sich der IAA-Generalsekretär auf die Suche nach den Feinden der IAA. Und die fand er überall. Vorzugsweise allerdings nicht bei Staat und Kapital, sondern bei IWW, SAC, CGT, CNT-F und etlichen anderen syndikalistischen Organisationen außerhalb der IAA. Und natürlich auch bei denjenigen innerhalb der IAA, welche die Verortung der Feinde der IAA etwas anders sahen, als er selbst.
Die Hexenjagd nach den vermeintlichen Feinden anstelle der Nutzung der Chancen, wäre natürlich nicht möglich gewesen, ohne die Unterstützung oder zumindest die Duldung seitens einer Mehrheit der Sektionen in der IAA. In diesem Zusammenhang machte sich ab Mitte der 1990er Jahre zunehmend der Umstand bemerkbar, dass immer mehr kleine Gruppen als Vollmitglieder der IAA aufgenommen wurden, ohne dass diese zuvor die Gelegenheit gehabt hätten, eine tatsächliche betriebliche Praxis zu entwickeln. Etliche dieser meist sehr jungen Organisationen erwiesen sich denn auch als extrem instabil und besonders anfällig für dogmatische Einstellungen. Vor dem Hintergrund des Umstandes, dass Entscheidungen innerhalb der IAA durch Abstimmungen getroffen werden, bei denen jede Sektion unabhängig von ihrer Größe über eine Stimme verfügt, wurde die Beschlussfassung in der Praxis zunehmend mehr bestimmt von Gruppen, die der Vergangenheit und den Geschichtsbüchern näher waren, als der Realität des Klassenkampfes.
Die FAU und der i2002
Die Zeit um die Jahrtausendwende waren geprägt von heftigen internen Anfeindungen unter anderem gegen die USI, die ins das Kreuzfeuer u.a. der neuen russischen und tschechischen Sektionen geriet, weil sie es fallweise wagte, sich an den Rappresentanze Sindacali Unitarie (RSU) zu beteiligen.
Bereits unmittelbar nach dem Kongress von Madrid im Jahre 1996 hatten die Delegierten der FAU davor gewarnt, dass dieser Kongress eine lange Phase der Spaltung und des Sektierertums befeuern würde, anstelle Brücken zwischen den verschiedenen revolutionär-syndikalistischen, anarcho-syndikalistischen und unionistischen Gewerkschaften und Strömungen weltweit zu bauen. Die FAU versuchte sich in den Folgejahren einer Tendenz in den Weg zu stellen, welche die IAA in einen reinen Debattierclub ohne Kontakt zu den sozialen Kämpfen zu verwandeln drohte. Dazu gehörte auch, dass sie für sich das in den IAA-Statuten verbriefte Recht in Anspruch nahm, Kongressbeschlüsse der IAA nicht anzuerkennen, die auf weitere Spaltung statt auf den Bau von Brücken ausgerichtet waren.
Um der sich in der IAA ausbreitenden Paranoia etwas Positives entgegen zu setzen, hatte die FAU für das Jahr 2002 zu einer Internationalen Solidaritätskonferenz (i2002) nach Essen ins Ruhrgebiet eingeladen. Die Konferenz verstand sich als eine Nachfolgeprojekt zum i99, der wenige Jahre zuvor in San Francisco stattgefunden hatte.
Das Konzept für den i2002 zielte bewusst darauf, keine formellen Einladungen an Gewerkschaften oder andere Organisationen auszusprechen oder deren offizielle Vertreter einzuladen. Stattdessen erging die Einladung an die Mitglieder und AktivistInnen aller revolutionär-syndikalistischen, anarcho-syndikalistischen und unionistischen Gewerkschaften, die Interesse an einigen Tagen des Austausches, des Kennenlernens und des gemeinsamen Pläneschmiedens hatten. Für die kleine FAU war die erfolgreiche Konferenz zugleich ein enormer Kraftakt, ein wichtiger Meilenstein in ihrer Entwicklung und eine Bestätigung ihrer Annahme, dass es abseits der Zwietracht und des Misstrauens zwischen Organisationen einen breiten Raum für unsere Ideen, unsere Praxis und für gemeinsame Projekte gibt.
Nicht alle jedoch waren glücklich über die Konferenz und den Austausch, den sie ermöglicht und angeschoben hatte. Ebenso wenig wie über das Beharren der FAU auf ihrem Recht zur freien Wahl ihrer Mittel und Aktionsformen im Rahmen der Prinzipien des revolutionären Syndikalismus. Das IAA-Sekretariat und eine Mehrheit der Sektionen hatte die Vorstellung des Konferenzprojektes seitens der FAU auf einer Plenaria der IAA im Vorfeld des i2002, bereits auf das Heftigste bekämpft und mit Beschimpfungen aller Art quittiert.
Lex FAU Der Ermächtigungsbeschluss für das IAA-Sekretariat
Es war also kein Wunder, dass die Dogmatiker in der IAA inzwischen die FAU als ihren Hauptfeind betrachteten. Auf dem IAA-Kongress in Granada im Jahre 2004 war es wieder einmal der ehemalige IAA-Generalsekretär García Rua, der einen Antrag der spanischen CNT auf ein in der Geschichte der IAA einmaliges Lex FAU einbrachte. Dem IAA-Sekretariat wurde darin die exekutive Macht übertragen, die FAU mit sofortiger Wirkung auszuschließen, sobald es feststellt, dass die FAU weiterhin gegen die Prinzipien und Beschlüsse der IAA verstößt. Fast schon unnötig zu betonen, dass auch dieser Antrag wieder einmal nicht Bestandteil der zuvor veröffentlichten Tagesordnung des Kongresses und damit des Mandates der Sektionen gewesen war. Was 1996 als üble manipulative Ausnahme begonnen hatte, begann sich zunehmend zur Methode zu entwickeln.
Should we stay or should we go now?
Angesichts der Entwicklungen nach dem IAA-Kongress von 1996 begann in der FAU ein langjährige Diskussion über den Sinn oder Unsinn eines Verbleibes in der sich selbst immer mehr isolierenden Internationale. Mehrere Austritts-Anträge auf Kongressen der FAU scheiterten zunächst, sei es der erste im Jahre 2001, einer weiterer im Jahre 2005 oder der von 2014. Entweder überwog die Einstellung, dass die FAU nicht von selbst verlassen würde. Oder es gab zwar eine deutliche Mehrheit für einen Austritt, bei der jedoch die nötige Dreiviertelmehrheit für solche grundlegenden Entscheidungen in der FAU nicht zustande kam, weil bei manchen Syndikaten noch die Hoffnung bestand, die IAA könnte ihren selbstzerstörerischen Kurs ändern und sich wieder auf die Prinzipien ihrer Gründung zurückbesinnen.
Das Ende der Tragödie
In den Jahren nach dem Kongress von Manchester (2006) hatte sich die Lage in der IAA tatsächlich ein wenig beruhigt. Die französische Sektion hatte aufgehört, die FAU wegen ihrer Beziehung zur CNT-F anzuprangern bzw. war schon wieder wegen ihrer nächsten Spaltung mit sich selbst beschäftigt. Die Kritik daran, dass die FAU gelegentliche Kontakte zur SAC pflegte, war leiser geworden. In Spanien hatte sich der Wind zu drehen begonnen und der Teil der CNT, der seinen Schwerpunkt auf gewerkschaftliche Aktionen anstatt auf ideologische Debatten legte, war dabei, den Einfluss der Dogmatiker in die Schranken zu verweisen. Die spanische CNT und die USI hatten in der IAA Versuche unternommen, den dominanten Einfluss der Kleinst-Sektionen dadurch einzuschränken, dass sie beantragten, ein gewichtetes Stimmrecht und Mindestgrößen für Sektionen einzuführen. Beide waren damit erwartungsgemäß gescheitert.
Der Wunsch aus der FAU danach, Kontakt mit der polnische ArbeiterInnen Initiative (IP) einer Ausgründung der dortigen anarchistischen Föderation aufzubauen, sorgte jedoch dafür, dass sich die Lage zuspitzte. Die IAA hatte nämlich zwischenzeitlich mit der ZSP eine polnische Sektion aufgenommen, die u.a. auf Betreiben ehemaliger IP-Mitglieder gegründet worden war. Dass die FAU sich mit ihrer vermeintlichen Konkurrenz traf, empfand die ZSP als unsolidarisch, obwohl die FAU selbstverständlich in allererster Linie die ZSP unterstützte und sich an gemeinsamen Aktionen beteiligte. Der FAU war der Kontakt zur IP unter anderem deshalb wichtig, weil diese in der deutsch-polnischen Grenzregion in Arbeitskämpfe mit multinationalen Konzerne involviert war und die FAU von ihrer Erfahrung in der Organisierung von Großbetrieben lernen wollte. Die FAU berief sich darauf, dass sie keine Erlaubnis für einen Kontakt benötige, da sie einen entsprechenden Beschluss der IAA nicht anerkannt habe.
Nachdem im Jahre 2013 ein Mitglied der ZSP zur IAA-Sekretärin gewählt worden war und die FAU ihre Kontakte mit der SAC, CNT-F und IP in einem internen Papier formalisiert hatte, erklärte das neue IAA-Sekretariat im September 2014 die FAU kurzerhand für suspendiert und begründete dies mit der Lex FAU aus dem Jahre 2004. Was im Klartext bedeutete, dass die FAU aus jeder Kommunikation in der IAA ausgeschlossen und ihres Stimmrechtes beraubt wurde, auch wenn sie noch bis zum Kongress von Warschau Anfang Dezember 2016 (wo ihr Ausschluss neben dem der spanischen CNT und der USI beschlossen wurde) Mitgliedssektion der IAA blieb. So hat letztlich dann doch ein IAA-Sekretariat eine exekutive Macht ausgeübt, die es nie hätte haben dürfen, hätte die IAA nicht 2004 ihre föderalen Prinzipien über Bord geworfen.
Dass die Mehrheit der IAA-Sektionen (die kaum 10% der Mitglieder repräsentierten), die Suspendierung auf einem Sonderkongress 2014 in Porto bestätigte, war schließlich der Tropfen, der auch für die spanischen CNT und die USI das Fass zum Überlaufen brachte. Auf ihrem Kongress 2015 drückte die spanische CNT den Neustart-Knopf und lud alle IAA-Sektion dazu ein, die Internationale auf eine neue Basis zu stellen und ein internationales Projekt zu beginnen, in dem die Gründungsprinzipien der IAA wieder lebendig sein sollten.
Selbstverständlich war die Solidarität mit der FAU nicht der einzige Grund für den Bruch der spanischen CNT mit einer IAA, so wie diese sich derzeit präsentiert. Sowohl die USI, die CNT, als auch die FAU, mussten letztlich einsehen, dass die IAA in ihrer derzeitigen Form nur noch sich selbst genügt, aber nicht mehr dem Anspruch hat, zu einem Motor für selbstverwaltete Klassenkämpfe auf Basis der Prinzipien des revolutionären Syndikalismus zu werden. Diese Erkenntnis mag bitter sein, aber in den schwierigen Zeiten, in denen wir leben und die noch vor uns liegen, macht es für uns keinen Sinn mehr, zu versuchen, aus Nostalgie weiter ein totes Pferd zu reiten.
Ein neues Projekt in schwierigen Zeiten
Wenn die Zeichen der Zeit nicht trügen, stehen wir am Beginn einer Etappe eines Populismus, der wie kaum zuvor in den letzten Jahrzehnten die Ausbeutung der ArbeiterInnen und Ausgeschlossenen unter nationalistischen und rassistischen Vorzeichen vorantreiben und die Menschen gegeneinander aufhetzen will. Gegen das Projekt einer Welt voll von neuen Mauern an den Grenzen und in den Köpfen brauchen wir ein Projekt, das in der Lage ist, alle Mauern einzureißen und an ihrer Stelle Verbindungen unter uns ArbeiterInnen zu knüpfen, Solidarität und gegenseitige Hilfe zu organisieren. Wir haben keine Zeit mehr, dass Trennende zu kultivieren wir wollen stattdessen das Verbindende unter uns im Kampf um unsere Lebensbedingungen und für eine Welt ohne Ausbeutung und Herrschaft suchen.
Aus diesem Grund haben sich die spanische CNT, die USI und die FAU dazu entschieden, ein neues internationales Projekt anzuschieben. Eine erste Konferenz mit Gewerkschaften und gewerkschaftlich orientierten Gruppen aus elf Regionen und zwei Kontinenten hat im November 2016 in Barakaldo im Norden der iberischen Halbinsel stattgefunden. Wir wünschen uns, dass dies ein neuer Anfang für den kleinen, aber kämpferischen Teil der internationalen ArbeiterInnen-Bewegung sein wird, der heute mehr denn je darauf besteht, dass weltweit die arbeitende und die ausbeutende Klasse nichts gemeinsam haben und dass die Hoffnung auf Staat und politische Parteien nicht Teil der Lösung, sondern Teil des Problems ist.
Das Internationale Sekretariat der Freien Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU)
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