Streiks bei Visteon
In der spanischen Stadt El Puerto de Santa María (Cádiz) kämpft ein lokales Syndikat der CNT-IAA momentan gegen den Abbau der Belegschaft und für bessere Arbeitsverhältnisse in einer Fabrik des Unternehmens Visteon (Ford). In Großbritannien erfuhren die ArbeiterInnen dagegen schon was passiert, wenn multinationale Konzerne Standort- und Personalentscheidungen treffen. Der folgende Artikel vom Internationalen Sekretariat der SolFed-IAA beschreibt die systemische Herrschaft des Kapitals über tausende Menschen, exekutiert von den Managern der Unternehmen Ford und Visteon.
Hintergrundinformationen zu dem Verhältnis zwischen Visteon und Ford
Der Autohersteller Ford lernte vom großen Erfolg des Unternehmens Walmart und begann im Jahr 1997, Aufgaben, Strukturen und Arbeitsplätze an Drittunternehmen abzugeben (engl.: outsourcing). Sie gründeten die Unternehmensgruppe Visteon, die selbst wiederum 40 weitere Subunternehmen erschuf, wovon eines VisteonUK gewesen ist.
Das Outsourcing von Arbeitsplätzen bringt einem Unternehmen wie Ford große Vorteile. Es erlaubt den Bossen die Arbeitsplätze und Gehälter einer Belegschaft zu kürzen, ohne dabei Verluste beim Gewinn hinnehmen zu müssen. Es erlaubt ihnen sogar ganze Unternehmen gegen die Wand zu fahren und dabei noch Geld zu verdienen. Hinter dem Outsourcing steckt eine einfache Logik.
Um Kosten zu sparen desintegrieren Firmen bestimmte Unternehmensaufgaben und -strukturen, die dann Drittunternehmen feil geboten werden. Diese konkurrieren dann auf Kosten der ArbeiterInnen untereinander, wobei für die ArbeiterInnen Löhne herausspringen, die niedriger sind, wie die des Stammunternehmens. Gleichzeitig wird durch das Outsourcing der Kapitalwert und das wahre Wesen eines Unternehmens verschleiert. Durch die vielen Neugründungen kann mehr Geld aufgeteilt und transferiert werden, wodurch es ungemein schwierig wird, den Wert eines Unternehmens zu schätzen. Und es fällt noch leichter, Gelder mit dem geringst möglichen Steuerkosten um die Welt zu verfrachten. Die Profite werden dann in den Ländern mit den niedrigsten Steuern eingestrichen und die Schulden woanders erklärt. Die meisten multinationalen Unternehmen handhaben das so. Die Gründung von Visteon durch Ford im Jahr 1997 brachte dem Unternehmen zwei Vorteile. Zuerst transferierten sie ihre Schulden zu anderen Unternehmen, die dann, um Verträge zu bekommen untereinander konkurrieren mussten dadurch hat Visteon Kosten gesenkt.
Im Jahr 2005 startete Ford dann das Way Forward Projekt, durch das Outsourcing auf die Überholspur kam. Der Plan sah alleinig für die USA, Einsparungen im Personalbereich in einer Höhe von 250 Mio.$ vor das bedeutete Massenentlassungen. 220 Mio. $ sollten durch Verzicht auf Betriebsvermögen eingespart werden das bedeutete die Schließung von Fabriken.
Indem Ford seit Beginn dieses Planes über 70.000 ArbeiterInnen entweder entließ oder auslagerte, hat das Unternehmen die globale Belegschaft halbiert. Doch obwohl Ford große Teile der Produktion zu Visteon ausgelagert hat, blieb alles unter ihrer Kontrolle. Trotzdem sollte Visteon als mehr angesehen werden als eine bloße Blende für Ford. So gründete Ford das Subunternehmen Automotive Components Holding (ACH), welche direkt von ihnen gemanagt wurde. Das Ziel dieses Vorgangs war es die verlustreichen Segmente von Visteon auszulagern. Und so holte Ford im Jahr 2005, 17 Fabriken und sechs Büros aus dem so genannten "unabhängigen" Unternehmen Visteon zurück zu ACH unter ihrer Kontrolle. Dadurch wurden 18.000 ZeitarbeiterInnen und 5000 Festangestellte von Visteon zu ACH verschoben. Und bis zum Jahr 2009 hatte Ford dann ACH teilweise verkauft und teilweise geschlossen. Diese Machtstrategen, die Menschen wie Schachfiguren auf dem Brett bewegen, haben ArbeiterInnen entlassen oder zu einem hunderte Kilometer langen Umzug gezwungen, falls sie ihren Job behalten wollen. Outsourcing von Arbeitsplätzen wird oftmals dazu genutzt den ArbeiterInnen ihre grundlegenden Rechte zu verwehren. Zuerst wird die Produktion verlagert und dann das Unternehmen für bankrott erklärt, um damit anfallenden Abfindungen und Rentenzahlungen zu entgehen.
Visteon in Großbritannien
Um Gewinne zu verschleiern und Steuern zu sparen hat Visteon verschiedene Subunternehmen in Großbritannien gegründet. Steven Gawne, der das Geschäft von Visteon in Großbritannien managte, wurde für Bankrott erklärt. Heute leitet er das Geschäft von Automitive Products. Dieses Unternehmen wurde im Namen einer Visteon Niederlassungen in der Stadt Basildon registriert. Der Chefmanager dieses Subunternehmens ist Eric Sachs, der gleichzeitig Schatzmeister und leitender Manager für Steuerplanung bei Visteon International Holdings Inc. ist.
Steuerplanung meint natürlich die Vermeidung von Steuern. Ein solches Vorgehen wird vor allem von Unternehmen an den Tag gelegt, die zu viel Gewinne haben und diese nicht versteuern wollen. Der einzige Anteilseigner des auf 100.000£ geschätzten Automotive Products Kapitals ist Visteon International Holding. Doch das ist nur eine von Gawnes vielseitigen Interessen. Er ist gleichzeitig Direktor von Visteon Charleville in Frankreich, Visteon Engineering und Visteon Engineering Services Pension Trustees Limited. Außerdem steht er dem Visteon Unternehmen R-Tek Limited und dem Visteon Pensions Trustees Limited vor. Er ist Direktor von Linamar Automotive Systems, was kein Visteon Unternehmen ist, sondern im Jahr 2007 eine Visteon Fabrik in Swansea aufgekauft hat. Doch es ist nicht nur die Anhäufung von Direktorenämtern, die interessiert, sondern vor allem die Art und Weise wie diese Unternehmen operieren.
Gawne ist beispielsweise ebenso Direktor von Reydel Ltd.. Dieses Visteon Subunternehmen legte im Jahr 2007 ihre Konten offen: der Umsatz war 0£ , der Profit dagegen 396.000£ englische Pfund. Gawne ist noch Direktor von Infinitive Speech Systems UK Limited, einem anderen Visteon Unternehmen, das im Jahr 2007 einen Umsatz von 204.000£ und einen Gewinn von 1.313.000£ veröffentlichte. Und er ist noch Direktor von Oritech Limited, die bislang weder Umsätze noch Gewinne zu verzeichnen hatten. Es ist ein Zeichen großen geschäftlichen Scharfsinns, Unternehmen so zu führen, dass die Gewinne höher als der Umsatz sind!
Ford benutzte Visteon auch um ArbeiterInnen um ihre Renten zu betrügen. Noch vor der Ankündigung, dass VisteonUk geschlossen wird, wurde der Rentenfond transferiert, um dadurch seine Auszahlungen an entlassene ArbeiterInnen zu verhindern. Der Rentenfond wurde von Ford zu Visteon, von Visteon zu Ford und dann zu dem neu gegründeten Unternehmen Visteon Engineering Services transferiert.
Streik bei Visteon in Großbritannien
Im Jahr 2000 lagerte Ford eine Reihe Fabriken nach Großbritannien zu dem neu gegründeten Unternehmen VisteonUK aus. Während des Transfers der Belegschaft wurde den ArbeiterInnen, von denen einige mehr als 30 Jahre für Ford gearbeitet hatten, zugesagt, dass sie bei Visteon unter den gleichen Verhältnissen und Bedingungen arbeiten würden, wie bei Ford. Ein vom europäischen Betriebsrat (EWC) bewirkter Beschluss im Jahr 2000 besagt: "Entsprechend dem alle Visteon MitarbeiterInnen betreffenden EWC Abkommens [...] wird die korrekte Einhaltung der Verträge und Verhältnisse überwacht, da die Belegschaft von Ford zu Visteon transferiert wird und auch zukünftig von den Absprachen profitieren soll. [...] Die Beobachtung der Arbeitsverhältnisse schließt den Lohn, die Renten und andere Zahlungen ein. Visteon lehnte das Abkommen mit der EWC nicht ab, denn es enthielt keinen Kündigungsschutz.
Nachdem das Mutterunternehmen im März 2009 in den USA verkündete, dass sie die britischen Niederlassungen nicht länger unterstützen kann, schloß VisteonUK die drei übrig gebliebenen Fabriken in Enfield, Basildon und Belfast und entließ dabei 600 ArbeiterInnen. Ihnen wurde 6 Minuten Zeit gelassen, den Umstand zu verarbeiten, dass sie gekündigt worden waren. Man lud sie zu einer Versammlung ein und verkündete ihnen dann, dass die Fabriken geschlossen werden, weil VisteonUK Pleite gegangen ist. Zuerst wurden sie über ihre Entlassung informiert und dann dazu aufgefordert ihre sieben Sachen zu packen und das Gebäude zu verlassen. Später informierte man die ArbeiterInnen, dass sie aufgrund des Bankrotts von VisteonUK weder Abfindungen noch Renten bekommen würden. Wie bereits gesagt worden ist, hatte Ford den Rentenfonds transferiert bevor das Unternehmen in die Pleite ging.
Geheime Dokumente mit Namen wie Projekt Stone, Projekt Protea oder Projekt Kennedy, haben aufgedeckt, dass VisteonUK die Schließung der drei Fabriken in Großbritannien über Jahre hinweg plante. Die Dokumente gestanden einen Bruch mit dem EWC Abkommen ein, doch sie vertraten die Auffassung, dass der Widerstand der ArbeiterInnen nur sehr gering ausfallen würde und sie durch den jahrelangen Niedergang dieser Fabriken sowieso demoralisiert sein werden.
Dann wurden die Geheimpläne zur Schließung von VisteonUK in die Tat umgesetzt. Innerhalb von Jahren wurde die Belegschaft in den Unternehmen reduziert. In Belfast arbeiten im Jahr 2000 noch rund 1000 Menschen für VisteonUK, im Jahr 2009 waren es nur noch 210. Doch unglücklicherweise ging der Plan von Visteon nicht auf.
Nachdem die ArbeiterInnen aller drei Fabriken aufgefordert worden waren das Gebäude zu verlassen, weigerten sie sich und besetzten augenblicklich die Fabrik. In Basildon beendeten die ArbeiterInnen ihre Besetzung und organisierten stattdessen Protestposten mit großem Zulauf. Die ArbeiterInnen in Enfield und Belfast hielten die Besetzung durch; in Belfast war die Fabrik über sechs Wochen besetzt.
Zuerst verkündete Ford, dass VisteonUK völlig unabhängig ist und dass der Streik in keinem Zusammenhang zu ihrem eigenen Unternehmen steht. Doch die ArbeiterInnen bei Ford unterstützten ihrer KollegInnen bei Visteon um so intensiver, je länger die Besetzung dauerte. Zuerst blockierten Ford ArbeiterInnen eine Fabrik, die Teile für VisteonUK produzierte, in Südafrika. Sie drohten mit "inoffiziellen" Aktionen, welche die Produktion zum Stillstand gebracht hätte. Vor lauter Panik willigte Ford dann in Gespräche mit reformistischen Gewerkschaften ein und machte innerhalb nur weniger Tage Millionen englische Pfund für die Abfindung der entlassenen ArbeiterInnen locker. Aber die Fabriken wurden geschlossen und über Rentenzahlungen verlor keiner ein Wort.
Die meisten ArbeiterInnen waren mit den abgeschlossenen Abkommen glücklich, doch eine nennenswerte Minderheit vertrat die Auffassung, dass sie von den reformistischen Gewerkschaften verhökert worden waren. Die Angst vor rechtlichen Schritten veranlasste die Gewerkschaften dazu, Druck auf die BesetzerInnen und auf die unterstützenden ArbeiterInnen auszuüben. Wenn die Gewerkschaften die Streiks nicht untergraben, sondern gefördert hätten, so dachten viele, dann wäre der Sieg in greifbarer Nähe gewesen und eine Schließung der Fabriken hätte verhindert werden können.
Noch immer kämpfen Visteon ArbeiterInnen um ihre Rente. Da die Kampagne jetzt allerdings einen rechtlichen Weg eingeschlagen hat, wird das Verfahren Jahre beanspruchen. Im Moment überprüfen Behörden der Regierung, wie der VisteonUK Rentenfonds transferiert worden ist und die Gewerkschaft UNITE hat das Unternehmen Ford angezeigt
Ford veröffentlichte zuletzt die folgende Erklärung: Die Situation der VisteonUK Angestellten ist unglücklich, doch die Verantwortung für die Abwicklung und Finanzierung ihrer Verträge und der Renten liegt alleinig bei Visteon. Ford ignoriert seine Verpflichtungen gegenüber den ehemaligen Angestellten und sieht keine Basis für irgendeine Verantwortung.
Quelle (Englisch): Internationales Sekretariat der Solidarity Federation