Elsterberg (Vogtland): Werksblockade bei ENKA
Im Südwesten Sachsens ziehen dunkle Wolken auf: Der größte Betrieb vor Ort - das frühere "Kunstseidenwerk" und heutige Viskose-Werk - soll geschlossen werden. Dies hat große Auswirkungen auf die Zukunft vieler Menschen in der Region, an erster Stelle natürlich der 380-köpfigen Belegschaft. Eine Belegschaft, die jahrelang mit Abwanderungsdrohungen zu Zugeständnissen genötigt wurde. Zugeständnisse, die jetzt keinen Pfifferling mehr wert sind und nun mit der Schließung einer wirtschaftlichen und qualitativ hochwertigen Produktion belohnt werden sollen.
Als eine Reaktion darauf wurde ab dem 4.5. rund um die Uhr eine Mahnwache eingerichtet und am 13.5. und 14.5. versuchten die Eigentümer mittels einer Security-Firma, die 45000 für die Produktion zentralen Spinndüsen aus dem Werk zu entwenden. Dies konnten die eilig zusammengetrommelten Belegschaftsangehörigen jedoch durch eine Blockade der Zufahrtsstraßen verhindern.
Video zur Werksblockade
Sachsenspiegel zur Werksblockade bei ENKA
Fotos Erster Mai Plauen und Werksblockade
Im September soll das Werk 100 Jahre alt werden. Doch am 19.2. wurde der Belegschaft mitgeteilt, dass der 30.6.2009 kurz vor dem Jubiläum viel eher der Endpunkt sein soll. So jedenfalls der Wille der ENKA-Geschäftsführung und der International Chemical Investment Group (ICIG) in Frankfurt/Main, zu der die Enka International GmbH & Co. KG gehört. Angeblich um die ENKA-Gruppe zu retten. 95% der Viskose-Produktion findet derzeit in China statt. Auch die ENKA-Gruppe leitet ein Werk in Jinjin (China), und auch Werke in Polen und im bayrischen Obernburg mit 240 Mitarbeitern, die behalten werden sollen.
Dieser Endpunkt des Betriebes in Elsterberg bedeutet auch einen Endpunkt für 380 Arbeiterinnen und Arbeiter, die hier die Viskose herstellen, die der ICIG Millionen-Profite gebracht hat. Diese Frechheit wurde von der Belegschaft spontan mit einer einstündigen Arbeitsniederlegung beantwortet.
Homepage von ENKA
Radiobeitrag bei mdr 1
Inzwischen ist es Mai und immer noch keine Hoffnung für ein Überleben des Werks. Nicht erst mit der Mahnwache seit dem 4.5. vor dem Tor und im Korridor zu den Maschinen sind Betriebsrat und Belegschaft aktiv geworden. Es gab bereits mehrere Aktionen, wie Demonstrationen zum Ersten Mai und zum Frauentag, schließlich sind viele bei ENKA Arbeiterinnen. Die Verhinderung des Abtransports der Düsen ist der bisherige Höhepunkt in der Auseinandersetzung. Da die Polizei keinen Handlungsbedarf zur Räumung sah, stehen jetzt Securities in 12(!)-Stunden-Schichten zur Seite um ironischerweise das zu verhindern, was auch die ArbeiterInnen selbst verhindern wollen: das Entwenden der Spinndüsen. Jedoch haben die ArbeiterInnen mit ihren 6-Stunden-Schichten zur Mahnwache etwas bessere "Arbeitsbedingungen".
In den letzten Tagen hat die Belegschaft viel Solidarität erfahren, neben regionalen DGB- und IG BCE-GewerkschafterInnen, den BauarbeiterInnen der Nachbarschaft, die die Blockade lautstark unterstützte, einer lokalen Attac-Gruppe, und einigen mehr, haben auch GewerkschafterInnen der FAU Leipzig die Mahnwache besucht und widerständischen Kaffee aus Chiapas mitgebracht. Auch wenn sie erstmal begrenzt sind: Die Möglichkeiten, die wir haben, um die Kolleginnen und Kollegen im Südwesten Sachsens zu unterstützen, wollen wir auch nutzen.
In solchen Situationen, wie schon in Nordhausen bei der "Besetzung" von Bike Systems, gibt es auch oft unwillkommene Solidarität. So gab es auch Solidarisierungsversuche durch Nazis, denen jedoch gezeigt wurde, dass sie nicht willkommen sind, sowohl konkret an der Mahnwache wie auch durch eine Erklärung des Betriebsrates.
Homepage der FAU Leipzig
Erklärung des ENKA-Betriebsrates
Für den Dienstag sind nun Verhandlungen zwischen Betriebsrat und Eignern anvisiert und in einer weiteren Betriebsversammlung sollen neue Entwicklungen besprochen werden. Die Zukunft ist leider ungewiss. Auch wenn dank der Werkblockade die Produktion jederzeit wieder angekurbelt werden kann, hat die ENKA-Gruppe als einziger deutscher Viskose-Hersteller kaum Interesse daran sich selbst Konkurrenz aufzubauen.
Die moderne Fabrik soll schließen, die ArbeiterInnen, die die Profite erwirtschaftet haben, sollen verschwinden, nur die Spinndüsen sollen im Unternehmen bleiben, die praktischerweise zum Nulltarif mit Fördermitteln in den Besitz von ENKA gewandert sind. Allerdings hat auch die Belegschaft deutlich gemacht, dass sie nicht kampflos zusieht, wie ihnen ihre Zukunft abgesägt wird.