Nein zum geplanten Kohlekraftwerk Mainz-Wiesbaden!

Am Samstag, den 12. Mai demonstrierten über 2500 Menschen gegen den geplanten Bau eines Kohlekraftwerks auf der Ingelheimer Aue, zwischen Mainz und Wiesbaden. Die Demonstranten zogen in zwei Zügen von der Mainzer und der Wiesbadener Seite auf die beide Städte verbindende Theodor-Heuss-Brücke.

Aufgerufen hatten die Bürgerinitiativen AKU (Wi), KOMA (Mz) und andere. Da die Fernsehnachrichten recht absurde Informationen über den Anlass der Demonstrationen verbreitet haben, veröffentlichen wir hier eine Stellungnahme der Frankfurter FAU-Gewerkschaften, die während der Demonstrationen verteilt wurde.

Nein zum geplanten Kohlekraftwerk Mainz-Wiesbaden!

Klimaschutz ist eine lebenswichtige Notwendigkeit, das sollte inzwischen bekannt sein. Sogar Regierungsparteien, EU- und sonstige Gipfel verkünden mittlerweile - zumindest auf dem Pa­pier - ambitionierte Klimaschutzziele. Trotzdem plant die Stromwirtschaft den Bau von insgesamt 45 neuen Kohlekraftwerken in Deutschland.

Auch die Betreiber der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden (KMW) haben im Juli 2006 beschlossen, auf der Ingelheimer Aue in Mainz ein großes Steinkohlekraftwerk zu errichten. Es soll das aktuell laufende, hochmoderne und erheblich umweltfreundlichere Gaskraftwerk ersetzen.

Unterstützung für ihre Pläne erhalten die Betreiber durch die Re­gierungen in Mainz (aktiv) und Wiesbaden (stillschweigend), den DGB-Dachverband Mainz und die IGBCE. Unbeleckt aller klimapolitischen Diskussionen plädiert die IGB­CE mit dem Totschlagargument der "Arbeits­platzsicherung" für den Kraftwerksbau.

Auf Grund des schlechten Images der Kohleverstromung macht man sich dabei die Werbung von Kohlelobby und Stromwirtschaft zu eigen und propagiert unter dem Namen "Clean Coal" das "CO2-freie Kraftwerk". Dahinter verbirgt sich die Hoffnung, die bei der Verbrennung zwangsläufig entstehenden Treibhausgase zurückzugewinnen und anschließend endzulagern.

Ein Verfahren, das bisher weder ausreichend erprobt noch auf der Ingelheimer Aue geplant ist. Dort würde sich durch den Wechsel von Gas zu Kohle der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid pro erzeugter Kilowattstunde Strom mehr als verdoppeln. Pro Jahr würde das Kraftwerk über 3,5 Mio Tonnen CO2 in die sowieso extrem belastete Luft der Rhein-Main-Region blasen.

Was plant die Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG?

Die KMW hat vor, auf der Ingelheimer Aue ein Steinkohlekraftwerk mit 820 Megawatt Leistung zu bauen. Es wäre mehr als doppelt so groß wie das derzeitige Gaskraftwerk. Betrieben werden soll es mit Kohle, die auf dem Weltmarkt eingekauft wird. Diese wird dann mit Schiffen angeliefert und bis zum Verfeuern in drei großen Kohlebunkern am Rheinufer gelagert. Die Kühlung des Kraftwerks ist aus Kostengrün­den mit Rheinwas­ser geplant. Wenn der Rhein im Sommer zu wenig Wasser führt oder zu warm ist, soll ein 60 m hoher Ventilator-Kühlturm genutzt werden. Der Baubeginn wird für 2008 angestrebt, die Inbetriebnahme soll 2012 erfolgen und die Laufzeit 30 Jahre betragen. Das führt die Klimaschutzziele der Landes­hauptstädte Mainz und Wiesbaden ad absurdum.
Die KMW ist ein Tochterunternehmen der regionalen Energieversorger Stadtwerke Mainz, Stadt­werke Wiesbaden und HSE Darmstadt. Die HSE verkauft ihre Anteile momentan je zur Hälfte an die Stadtwerke Mainz und Wiesbaden, die ihren Strom über die ESWE in Wiesbaden und die Entega in Mainz vertreiben.

Das Ammenmärchen der politischen Parteien, bei KMW handele es sich um einen Wirtschaftsbetrieb, auf den sie als PolitikerInnen keinen Einfluss hätten, ist ebenso bequem wie verlogen, da die Damen und Herren natürlich die politischen Rahmenbedingungen der kommunalen Betriebe bestimmen. Wie sehr der erwünschte Machterhalt abweichende inhaltliche Positionen dominiert, beweist allein die Tatsache, dass die Regierungspartei SPD in Mainz vehement für das Kraftwerk, die SPD-Wiesbaden als Opposition vehement dagegen ist. Die oppositionellen Grünen in Mainz wiederum sind von Beginn an im Widerstandsbündnis der Bürgerinitiativen aktiv, während die Grünen in Wiesbaden, die heute als Partei ebenfalls zur Demonstration aufgerufen haben, in der "Jamaika-Koalition" stillhalten, um das ungestörte Regieren nicht zu gefährden.

Der DGB und die Alternativen der FAU

Auch der DGB und die IGBCE entpuppen sich im konkreten Konflikt als willige Erfüllungsgehil­fen der KMW, der sie sich auf Gedeih und Verderb ausgeliefert haben. Ihr Mantra der "sicheren Arbeitsplätze" entpuppt sich bei genauerer Prüfung als Propaganda, mit der in Zeiten von Hartz IV die eigene Klientel bei der Stange gehalten werden soll. Die Lüge "Kohlekraftwerk oder Verlust des Arbeitsplatzes" - was dann Zwangsarbeit im 1-Euro-Job bedeuten könnte - soll die Beleg­schaften unter Druck setzen und disziplinieren. So unterschrieben die anwesenden Betriebsräte auf dem (informellen) Gesamtbetriebsratstreffen der auf der Ingelheimer Aue niedergelassenen Industriebetriebe, ohne Diskussion und ohne sich je mit dem Thema auseinandergesetzt zu haben, im Januar eine Resolution für das neue Kraftwerk.

Wegweisende Alternativen wie die Greenpeace - Studie "2000 MW - sauber" werden in diesen Kreisen nicht einmal zur Kenntnis genommen. Laut Studie können durch effiziente Energienutzung und den Ausbau regenerativer und dezentraler Energiegewinnung umweltverschmutzende Großkraftwerke überflüssig gemacht werden. Dauerhaft würden sogar neunmal so viele - sinnvolle und hochqualifizierte - Arbeitsplätze entstehen.

Doch daran besteht wohl kein Interesse. Denn letztendlich ist es immer der gleiche Klüngel aus Politik, Wirtschaft, Gewerkschaften und Medien, der aus Gründen der "Energiesicherheit" einerseits den Bau neuer Kohlekraftwerke propagiert und sich parallel dazu aus "Gründen des Klimaschutzes" für ein Weiterlaufen der Atomkraftwerke oder gar die "Renaissance der Kernkraft" einsetzt. Ihr Ziel ist die Zementierung einer zentralistischen Energieerzeugung mit garantierten Profiten für die Energieversorger und gesichertem Mitspracherecht und lukrativen Aufsichtsratsposten für die ebenso zentralistische DGB-Bürokratie und die herrschenden PolitikerInnen.

Eine regenerative Energieerzeugung, die ein Umsteuern des gesamten Wirtschaftens hin zu einer dezentralen, solidarischen Ökonomie erfordern würde, wird von dieser Koalition bestenfalls in Nischen geduldet.

Wir als FAU streben eine solche Wirtschaftsweise an. Wir rufen deshalb dazu auf, der Geschäftspolitik der KMW die Unterstützung - und damit unser Geld - zu entziehen. Die Bewertung als "unser" lokaler, von den vier großen Energieversorgungsunternehmen unabhängiger und umweltfreundlicher Versorger, ist mit der Entscheidung für ein Großkraftwerk hinfällig geworden.

Da KMW für ihren Profit die Notwendigkeiten des Klimaschutzes ignoriert, schließen wir uns als FAU der Kampagne der Bürgerinitiativen an und fordern hiermit alle zum Stromanbieterwechsel auf.



FAU - Gewerkschaft für alle Berufe
Lokalföderation Rhein-Main
Mühlgasse 13
60486 Frankfurt am Main
E-Mail: fauffm@fau.org
Web: www.fau.org

Offener Abend: Jeden 1. Donnerstag im Monat ab 19:30 Uhr

Weitere Infos unter:

www.aku-wiesbaden.de
www.kohlefreies-mainz.de
www.atomausstieg-selber-machen.de